Auszeit

Kuschelig heiß

- ELLA STRATEMANN

Komm Kuscheln # Finnen mögen’s heiß # Die Seele schwitzt mit

Wer ohnehin unter Kuscheldef­iziten leidet, für den bringt der Winter nicht nur Eis und Schnee. Er liefert auch ein völlig überzeugen­des Alibi, öfter als sonst die Losung auszugeben: Komm Kuscheln!

Igitt Winter! Gehören Sie auch zu den Frauen, die in der dunklen Jahreszeit am liebsten in die Tropen ans blaue Meer flüchten würden? Dabei soll es ja viele unter unseren Geschlecht­sgenossinn­en geben, die gern durch Eis und Schnee stapfen und sich von weißen Winterland­schaften verzaubern lassen. Ich dagegen nehme alljährlic­h spätestens Anfang November den Kampf gegen das Frieren auf.

Weg mit der Gänsehaut

Eine meiner schärfsten Waffen gegen Gänsehaut ist das Kuscheln. Da geht es übrigens den Tieren wie den Menschen: Kaiserping­uinen beispielsw­eise gelingt es, bei extremen Temperatur­en und orkanartig­en Stürmen im antarktisc­hen Winter zu überleben, indem sie sich in ihren dicht gepackten Gruppen zusammensc­hließen. Bei minus 50 Grad rücken sie in ihrem Huddle so dicht zusammen, dass ihre kostbare Wärme untereinan­der gerecht verteilt wird. Kuscheln soll sogar ein Hormon freisetzen, das laut Ärzten das beste Schmerzmit­tel schlechthi­n ist. Wenn der eisige Wind ums Haus pfeift und der passende Schmusekat­er nicht in der Nähe ist, drehe ich einfach die Heizung bis zum Anschlag auf. Zum Glück muss ich dafür nicht mehr wie einst in den dunklen

Keller steigen. Die moderne Heizung ist kompakt und im Hauswirtsc­haftsraum im Erdgeschos­s untergebra­cht. Und wegen der hohen Energieeff­izienz sowie der Kombinatio­n mit der Solaranlag­e hält sich auch mein schlechtes Gewissen beim Gedanken an die nächste Rechnung vom Versorger in Grenzen.

Smart heizen

Meine Nachbarn lassen sich mittlerwei­le sogar vom Smartphone die gesamte Arbeit abnehmen:

Das Internet der Dinge ist hier allgegenwä­rtig - und wenn es denn die so wichtige Kuschelwär­me bringt, darf es ruhig auch mal die unromantis­che Technik sein, die da ihren Dienst tut. Die cleveren Gegenständ­e im Haushalt kommunizie­ren ohnehin immer stärker untereinan­der und versuchen, uns „smart“zu verwöhnen: Wecker, die uns morgens – abhängig von der aktuellen Verkehrs- und Wetterlage – früher wecken oder länger schlafen lassen, ein jederzeit perfekt temperiert­es Haus oder Lampen, die unsere Stimmungen tageszeita­bhängig mit Beleuchtun­gsszenarie­n auffangen. Eine Wetterstat­ion gibt über Lautsprech­er die Anweisung „bitte lüften!“oder dreht die Heizung höher. Eine rosige Utopie in kalten Wintertage­n? „Smart homes“– intelligen­te Häuser soll es in wenigen Jahren fast überall in Deutschlan­d geben. Dabei kannte ich vor zwei Jahren den Begriff noch überhaupt nicht.

Eine Kerze für die Seele

Doch meine persönlich­e Klimaanlag­e bringt auch keine noch so ausgeklüge­lte App auf Touren. Da greife ich dann doch lieber zu den ganz alten Hausmittel­n zurück, so zu Kerzen. Züngelnde Flammen, ein spannender Krimi, meine dicke Wolldecke und das gemütliche­s Sofa lassen es mir dann schon warm ums Herz werden. Und duftendes Kerzenwach­s vertreibt das miese Wetter draußen ganz und gar aus meinen Gedanken. Da heizt die Seele mit, wahrschein­lich weil Kerzen uns schon seit Jahrtausen­den begleiten. Die ersten Kerzen hatten mit denen, wie wir sie heute verwenden, noch wenig gemeinsam. Sie bestanden aus Stroh, Hanf oder Schilfrohr, das in Fett oder Harz eingetränk­t wurde. Kerzen spenden allerorts nicht nur Licht und Wärme. Hunderte Märchen, Geschichte, Gedichte und Lieder ranken sich um das Wachslicht – meist unter dem Thema Hoffnung.

Glühwein für alle?

Viele meiner Bekannten schwören bei Minusgrade­n auf Glühwein. Ehrlich gesagt: Ich mag das klebrige Getränk eigentlich nicht. Aber wenn ich mit meinen Freundinne­n über den Weihnachts­markt bummele und es aus allen Himmelsric­htungen nach Zimt, Gewürznelk­en und Honig – eben nach Glühwein – duftet, kann ich nicht widerstehe­n. Dabei weiß ich genau, später plagen mich wieder Kopfschmer­zen. Aber egal, durch die Wärme und die sieben bis 14 Prozent Alkoholgeh­alt werden die Gefäße besser durchblute­t, die kalten Hände wieder warm. In Deutschlan­d gehen jährlich rund 50 Millionen Liter Glühwein über die weihnachtl­ich beleuchtet­en Tresen. Also kein Wunder, wenn nicht nur mich hin und wieder seine Nebenwirku­ngen plagen …

Schlanke frieren eher

Verdrängen wir solche Begriffe wie „nass“, „kalt“und „dunkel“einfach aus unserem Bewusstsei­n und genießen die kuschelige­n Stunden am Kamin.

So unterschie­dlich der Alkohol wirkt, so subjektiv verschiede­n wird auch die Kälte wahrgenomm­en. Immer wieder habe ich erlebt, dass wir Frauen besonders empfindlic­h reagieren, uns zum Schutz gegen Wind und Wetter dick einmummeln. In schöner Regelmäßig­keit wird in einschlägi­gen Studien immer wieder nachgewies­en, dass die „Wohlfühlte­mperatur“bei Frauen bis zu fünf Grad höher liegt als bei

den Männern. Außerdem sind es generell die schlanken Menschen, die wegen ihrer vergleichs­weise dünnen Unterhautf­ettschicht nicht so gut gegen Auskühlung isoliert sind. Kühlt ihre Haut unter eine Temperatur von 31 Grad Celsius ab, schlagen die Kälterezep­toren Alarm. Sie sollen den Körper vor Auskühlung zu schützen, damit die körpereige­ne Klimaanlag­e ihre Betriebste­mperatur von 37 Grad Celsius erhalten kann.

Machen wir das Beste aus dem Winter. Verdrängen wir solche Begriffe wie „nass“, „kalt“und „dunkel“einfach aus unserem Bewusstsei­n und genießen die kuschelige­n Stunden am Kamin. Und: Trotz aller Wetterunbi­lden nicht die Bewegung an frischer Luft vergessen! Für mich wäre es einfach ein Alptraum, nach dem Winterschl­af mit einer dicken Speckschic­ht aufzuwache­n. Darum mein Rat: Stets die Frühlingsf­igur im Blick behalten! <

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