„Ich möchte Musik machen, um dem Werk und dem Komponisten zu dienen“
Lebe das Leben, das du liebst!
Bach, Beethoven, Brahms oder Bartok – Thomas A. Irnberger bevorzugt die vier großen Bs und wenn er die Zeit zurückdrehen könnte, würde er Mahler bitten, für ihn ein Violinkonzert zu schreiben. Selbstloser Dienst am Komponisten – das ist sein Credo.
Wer Thomas Albertus Irnberger auf der Bühne erlebt, mag fast ein wenig den Eindruck haben, ihm wäre das Aufsehen um die eigene Person egal. Obwohl er bei seinen Konzerten stets im Mittelpunkt des Geschehens steht, scheint sich der Violinist immer wieder gekonnt zurückzunehmen. Stück für Stück reduziert er behutsam seine Präsenz, um der Musik jenen Raum zu geben, den sie braucht, um in ihrer ganzen Fülle wirken zu können. Ob er das nun bewusst macht oder dies gar beiläufig geschieht, darüber mag man nun philosophieren. Sicher ist, dass der 31-Jährige die Kunst des Musikmachens versteht.
Wer ist nun dieser Violinist, der sich ausdrücklich von Selbstdarstellung distanziert und lieber im Dienste von Werk und Komponist steht? 1985 in Salzburg geboren, nimmt Thomas Albertus Irnberger im
Alter von sieben Jahren Unterricht im Violinen-, und ein Jahr später im Klavierspiel. Schnell wird klar, dass in dem kleinen Jungen eine besondere Begabung steckt und so wird er bereits mit neun Jahren an der Universität Mozarteum in die Hochbegabtenklasse aufgenommen. Weitere Studien führen ihn an die Bruckneruniversität Linz zu Josef Sabaini, wo er mit Auszeichnung zum Master of Arts spondiert. Mauricio Fuks, Alberto Lysy, Igor Oistrach, Dmitry Sitkovetsky, Yair Kless und Grigory Zhislin – Namen, die den meisten Lesern unbekannt sein mögen. Für
den Violinisten hingegen waren sie bedeutende Impulslieferanten, die ihren Teil dazu beigetragen haben, dass er zahlreiche erste Wettbewerbspreise erzielen konnte und bereits mit 17 Jahren seinen ersten Plattenvertrag unterzeichnete.
Studien bei Gitlis
Wirft man einen Blick auf die Lehrmeister von Irnberger, sticht einem vor allem einer ins Auge: Ivry Gitlis, einer der größten Geiger unserer Zeit, der auch mit seinen 94 Jahren noch immer um die Welt reist und Unterricht gibt. Die Begegnung der beiden mag man als Wink des Schicksals bezeichnen. Bei einem Aufenthalt in Paris entdeckt der aufstrebende Violinist einen Prospekt mit der Titelzeile „Ivry Gitlis Masterclass“. Studien bei einer Größe wie Gitlis? Ein Traum für den damals 15-Jährigen, auf den er nicht lange warten will. Im Rahmen eines Meisterkurses spielt er ihm schließlich das Paganini Violinkonzert Nr. 2 vor. Die Reaktion des Meisters: „Du bist unglaublich begabt. Wenn ich 50 wäre, würde ich dich hassen, aber da ich schon fast 80 bin, werde ich dir alles zeigen, was du wissen willst.“Sobald die anderen Studen-
ten weg seien, wolle er ihn nach dem Kurs alleine unterrichten – so sein Versprechen. Und so nimmt alles seinen Lauf: Nach dem beglückenden Meisterkurs wird der junge Geiger von Gitlis eingeladen, bei ihm in Paris seine Studien fortzusetzen. In den folgenden fünf Jahren erarbeitet Irnberger ein umfassendes Repertoire, das auch viele moderne Werke mit einschließt. Im Alter von 17 Jahren erscheint schließlich seine Debüt-CD mit Werken von Hindemith, Debussy, Enescu, Paganini, Kreisler, Fauré und Elgar. „Brillantes technisches Können, verbunden mit reifer Gestaltungskraft und tonlicher Raffinesse“lobt die Fachpresse den noch nicht einmal Volljährigen, der sich in der Zwischenzeit einen international ausgezeichneten Ruf als Solist der großen Violinkonzerte erarbeitet hat und auch als Kammermusiker gefragt ist.
Hinter den Kulissen
Und wo steht der inzwischen 31-Jährige heute? Über 30 CDs hat er bereits eingespielt und im Garten seines Elternhauses einen eigenen Konzertsaal samt Aufnahmestudio einrichten lassen. Man könnte meinen, der Violinist habe bereits alles Wünschenswerte erreicht und doch ist die Liste seiner Vorhaben lang: So arbeitet er beispielsweise derzeit an der Gesamteinspielung der Violinwerke Franz Schuberts. Noch vor Weihnachten sollen sämtliche Werke für Klaviertrios zusammen mit den Musikgrößen David Geringas am Cello und dem Pianisten Michael Korstick auf CD erscheinen. Im Frühjahr folgen dann auf die von den Kritikern als neue Referenzeinspielung gepriesenen Aufnahmen der Violinsonaten von Beethoven, mit Michael Korstick am Klavier das Violinkonzert, die Romanzen und das Tripelkonzert von Beethoven zusammen mit dem Royal Philharmonic Orchestra London unter der Leitung von James Judd. Für die Zukunft möchte Irnberger seine Erfahrungen in der historischen Aufführungspraxis unter Verwendung des damaligen Instrumentariums weiter vertiefen. Darüber hinaus setzt er sich seit Jahren für das Repertoire verfemter Komponisten ein. Ein weiterer Schwerpunkt liegt daher insbesondere auch auf großartige Werke von Komponistinnen, die in der von Männern dominierten Musikwelt kaum Gehör fanden. Wie mag man diese Seiten über Thomas Albertus Irnberger nun für heute schließen? Vielleicht mit einem herzlichen Gruß, den er uns gerade zwischen drei Violinkonzerten aus Wien schickt. <