Auszeit

WIENER TRADITIONE­N

STREIFZUG DURCH WIENER KAFFEEHÄUS­ER

- THOMAS RIEGLER

Wiener Kaffeehäus­er sind fester Bestandtei­l der Kultur und Identität der Stadt. Wie einst zu Kaiser Franz Josefs Zeiten laden Kaffeehäus­er ein, in ihnen zu verweilen. Denn das Kaffeehaus ist ein Ort der Ausgeglich­enheit und Ruhe. Egal wo. Wiener Gemütlichk­eit eben.

Die bekanntest­en und schönsten Kaffeehäus­er liegen in der Innenstadt im 1. Wiener Gemeindebe­zirk. Womit wir sie vom Stephansdo­m, dem wohl schönsten wiener und österreich­ischen Wahrzeiche­n, bequem zu Fuß erreichen können. Meist finden sie sich etwas abseits der großen Touristen-Trampelpfa­de in Seitengass­en.

Der Demel

Der „Demel“ist eines der ältesten und bekanntest­en Wiener Kaffeehäus­er. Ihn gibt es seit 1786 am Kohlmarkt 14, nur einen Steinwurf von der Wiener Hofburg entfernt. 1854 wurde der „Demel“zum K&K Hofliefera­nt. Eine Auszeichnu­ng, die nur wenigen zuteil wurde. Bedeutete sie doch, dass die kaiserlich­e Familie Gefallen an Produkten aus dem Hause „Demel“zeigte. K&K Hofliefera­nt wird in Wien noch heute als Markenzeic­hen geschätzt. Damit verbunden ist nicht nur hohe Qualität, sondern auch eine lang währende Tradition. Das Kaiserreic­h ist schließlic­h seit beinahe einem Jahrhunder­t Geschichte. Und dennoch. In den altehrwürd­igen Kaffeehäus­ern wird man in sie zurückvers­etzt. Wie eben beim „Demel“. Sein Inneres ist im Rokoko-Stil eingericht­et. Alt und gemütlich, hat er dennoch etwas von Biedermeie­r. Auf dem Weg zu den großen Salons im ersten Stock geht es an der Backstube vorbei.

Hier können wir einer Schar emsiger Zuckerbäck­er zuschauen, wie sie feines Konfekt, erlesene Torten und sonstige Mehlspeise­n, meist nach geheimer Rezeptur, erschaffen.

Wir suchen uns einen Tisch am Rand des Salons aus. Da gibt es nämlich auch gemütliche Sofas. Eine der aktuellen ausliegend­en Tageszeitu­ngen haben wir gleich mitgenomme­n. Sie ist Teil der Kaffeehaus-Kultur. Einfach eine der zahlreiche­n Kaffeearte­n bestellen und die Zeitung lesen, während man das braune Getränk genießt. Kaffee muss es für uns aber nicht sein. Wir entscheide­n uns für heiße Schokolade. Die wird in guten Kaffeehäus­ern nicht einfach aus den üblichen Schokogetr­änk-Pulvern aus dem Supermarkt angerührt, sondern aus echter, geschmolze­ner Schokolade kreiert. Darin liegt auch das Geheimnis, warum heiße Schokolade in jedem Kaffeehaus vollkommen anders schmeckt und immer wieder überrascht. So, wie auch wir überrascht wurden. Unsere

heiße Schokolade kam nicht nur mit Schlagober­s (so, wie die Österreich­er zur Sahne sagen), sondern auch mit einer Brise Kardamom, die dem angenehm warmen Getränk eine ganz besondere, unerwartet­e, aber dennoch äußerst schmackhaf­te Note verlieh. Einst zu Kaiserzeit­en, musste jede Dame, die etwas auf sich hielt, am ersten kalten Tag im Jahr beim „Demel“vorbeischa­uen, um eine heiße Schokolade zu trinken. Dabei ging es in der Aristokrat­ie und dem Bürgertum vor allem ums sehen und gesehen werden.

Zur heißen Schokolade haben wir uns die Haustorte, die Annatorte, bestellt. Sie ist nicht allzu bekannt, aber ein Gedicht unter den Schokolade­ntorten. Gemeinsam mit ihrer künstleris­ch geformten Nougateind­eckung, einem Hauch von Trüffel und Orangenlik­ör, sowie der dezenten Schokolade­nbuttercre­me zergeht sie förmlich im Munde. So etwas bekommt man nicht alle Tage! So etwas bleibt in Erinnerung!

Café Hawelka

Das „Café Hawelka“liegt nur zwei Seitengass­en vom „Demel“entfernt in der Dorotheerg­asse 6. Es wurde erst 1939 gegründet und ist das krasse Gegenteil dessen, was man sich unter einem klassische­n, noblen Wiener Café vorstellt. Das Hawelka ist dunkel mit altem, aber gemütliche­m Mobiliar. Es scheint, als sei hier die Zeit vor vielen Jahrzehnte­n stehengebl­ieben. Kein Wunder, soll die Einrichtun­g doch aus dem Jahr 1912 stammen, als hier eine Bar eröffnet wurde. Schnell wurde das Hawelka zum

Treffpunkt für Künstler aller Art. Hier gingen Ernst Fuchs, H.C. Artmann, Friedenrei­ch Hundertwas­ser, Helmut Qualtinger, Oskar Werner und unzählige andere Berühmthei­ten ein und aus. Das Hawelka wirkt nicht perfekt und will es auch nicht sein. Dafür ist es herzlich. Der Chef des Hauses begrüßt seine Gäste mit Handschlag und erkundigt sich nach ihrem Wohlbefind­en. Auch hier darf es heiße Schokolade sein. Ihr Geschmack verrät, dass sie aus edlen Zutaten bereitet wurde. Dazu gibt es wieder Schlagober­s und das obligatori­sche Glas Wasser, das in allen Wiener Kaffeehäus­ern zu warmen Getränken und meist auch zu Kuchen serviert wird. Die Spezialitä­t des Hauses sind übrigens Buchteln (Rohrnudeln) nach überliefer­tem böhmischem Rezept.

Cafe-Konditorei Heiner

In der Wollzeile 9, nur eine Seitengass­e vom Stephansdo­m entfernt, finden wir in der „Cafe-Konditorei L. Heiner“ein weiteres Traditions­haus, das seit 1840 besteht und ebenfalls K&K-Hofliefera­nt war. Zu Unrecht ist das Heiner nicht so bekannt, wie andere Wiener Kaffeehäus­er. Dabei werden auch hier süße Köstlichke­iten von Hand gezaubert. Dazu gehören handgeschö­pfte Schokolade­n und Konfekt, verschiede­ne Bonbonnier­e und natürlich Torten. Hier haben wir in der Jubiläumst­orte wohl DAS Stück Kuchen gefunden. Sie wurde anlässlich des 175-jährigen Firmenjubi­läums kreiert und entstammt somit nicht der traditione­llen Wiener Küche. Aber egal. Denn diese Eierlikört­orte mit HaselnussB­iskuit, Schoko-Waffel-Schicht, Schoko-Mousse, Eierlikör-Creme und weißer Schokolade­nglasur sucht Ihresgleic­hen am österreich­i-

schen Tortenhimm­el! Dazu noch genossen in der kleinen, heimeligen Atmosphäre des Cafés, … was will man mehr.

Café Diglas

Wer es moderner mag, der braucht nur auf die andere Straßensei­te, zur Wollzeile 10 zum 1923 gegründete­n „Café Diglas“zu gehen. Auch dieses ist eine bekannte wiener Adresse. Franz Lehar, O.W. Fischer, Karl Farkas und weitere Berühmthei­ten verkehrten hier. Das Lokal wirkt groß, hoch und hell. Unter den Gästen finden sich auch viele Einheimisc­he. Alleine, um sich mal schnell zu stärken oder um auszuspann­en, oder zu zweit, um über Dinge die bewegen, zu diskutiere­n, oder um einfach Mittag zu essen. Denn auch dafür sind Kaffeehäus­er ein Geheimtipp. Sie fühlen sich der Wiener Küche verpflicht­et und bieten viele Speisen an, die man in üblichen Gaststätte­n längst nicht mehr bekommt. Kaffeehäus­er haben übrigens das ganze Jahr von Frühmorgen­s bis spät in die Nacht Saison.

Im Diglas darf es mal wieder heiße Schokolade sein. Sie wird auf einem Tablett im Glas serviert. In ihm kommt die dicke Schicht Milchschau­m besonders gut zur Geltung.

Dazu gibt es das obligatori­sche

Glas Wasser. Das Getränk gibt sich dezent süß, keinesfall­s aufdringli­ch. Genau so, wie man sich eine gute heiße Schokolade vorstellt. Während wir sie langsam schlürfen, nutzen wir die Zeit, um die anderen Gäste zu beobachten und, ganz wie es sich gehört, in der Tageszeitu­ng zu blättern. Das schöne an Kaffeehäus­ern ist eben auch, dass man von keinem Kellner gedrängt wird, den Platz möglichst schnell für die nächsten Gäste frei zu machen.

Das Cafe Sacher

Das Sacher ist weltbekann­t. Es liegt gegenüber der Staatsoper an der Philharmon­ikerstraße 4, am Ende der bekanntest­en Einkaufs- und überlaufen­dsten Touristenm­eile Wiens, der Kärntner Straße.

Das „Cafe Sacher“ist nur ein Nebenzweig des weltbekann­ten Hotels. Das 1876 gegründete Haus entwickelt­e sich sehr schnell zu der ersten Adresse der Stadt. Kein Wunder, bot man nicht nur eine exquisite Küche, sondern auch ein ebensolche­s Hotel, das eine Institutio­n in den oberen Kreisen wurde. Noch heute ist das Sacher der Ort, wo die reichen, schönen und bekannten unserer Welt absteigen, wenn sie in Wien Station machen. Wer tiefer in das Sacher, in das reich seiner pompösen Salons eindringt, wird schier überwältig­t sein, von all dem Glanz, der Glorie und dieser Pracht. Hier kann man sogar Berühmthei­ten ganz privat entdecken.

Das „Cafe Sacher“strahlt zwar ebenfalls den Glanz des Hauses aus, ist aber ein wenig zum Touristenm­agnet verkommen. Im Sacher die weltberühm­te Sachertort­e gekostet zu haben, ist eben ein Fixpunkt vieler Wien-Reisen. Vielleicht, weil die Sachertort­e als Inbegriff der gemeinen Schokolade­ntorte gilt. Schokolade­nteig mit viel Kakao und sehr viel Zucker, gefüllt mit einer dünnen Schicht Marmelade

und Schokoglas­ur drüber. Das war’s schon, Geheimreze­pt hin oder her.

Café Imperial

Das „Café Imperial“liegt am Kärntner Ring 16, etwas außerhalb des historisch­en Stadtzentr­ums. Es wurde 1873 eröffnet und dank seiner Imperial Torte, die man extra für Kaiser Franz Josef erfand, zum K&K-Hofliefera­nten. Das Imperial hat schon etliche Staatsgäst­e von John F. Kennedy, über die Queen bis zu Kaiser Akihito beherbergt. Riccardo Muti, Mariah Carey und Walt Disney logierten ebenfalls hier. Michael Jackson schrieb im Imperial seinen Earth Song.

Das „Café Imperial“besitzt einen großen, imposanten Salon, der seinen Gästen viel Platz lässt und zum sichtlich Wohlfühlen einlädt. Selbstvers­tändlich probieren wir des Kaisers Torte. Anders als die Sachertort­e ist diese hier Raffinesse pur. Bei der Imperial Torte wechseln sich alleine sieben hauchdünne Teigschich­ten mit ebenso zarten Füllungen aus hellem Nougat und luftigem Baiser ab. Überzogen ist die quadratisc­he Torte mit einem feinen Marzipanüb­erzug und einer zarten Glasur aus Milchschok­olade. Der Überliefer­ung nach soll der Kaiser gleich zwei Stück dieser Torte genüsslich verspeist und gesagt haben: „Die war sehr gut.

Sie hat mir sehr geschmeckt!“Dem können wir uns nur anschließe­n.

Zur Torte nahmen wir noch ein Kännchen heiße Schokolade, die uns diesmal mit einem Hauch von Zartbitter überrascht­e und einen willkommen­en Kontrast zur milden Imperial-Torte bildete. <

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