WIENER TRADITIONEN
STREIFZUG DURCH WIENER KAFFEEHÄUSER
Wiener Kaffeehäuser sind fester Bestandteil der Kultur und Identität der Stadt. Wie einst zu Kaiser Franz Josefs Zeiten laden Kaffeehäuser ein, in ihnen zu verweilen. Denn das Kaffeehaus ist ein Ort der Ausgeglichenheit und Ruhe. Egal wo. Wiener Gemütlichkeit eben.
Die bekanntesten und schönsten Kaffeehäuser liegen in der Innenstadt im 1. Wiener Gemeindebezirk. Womit wir sie vom Stephansdom, dem wohl schönsten wiener und österreichischen Wahrzeichen, bequem zu Fuß erreichen können. Meist finden sie sich etwas abseits der großen Touristen-Trampelpfade in Seitengassen.
Der Demel
Der „Demel“ist eines der ältesten und bekanntesten Wiener Kaffeehäuser. Ihn gibt es seit 1786 am Kohlmarkt 14, nur einen Steinwurf von der Wiener Hofburg entfernt. 1854 wurde der „Demel“zum K&K Hoflieferant. Eine Auszeichnung, die nur wenigen zuteil wurde. Bedeutete sie doch, dass die kaiserliche Familie Gefallen an Produkten aus dem Hause „Demel“zeigte. K&K Hoflieferant wird in Wien noch heute als Markenzeichen geschätzt. Damit verbunden ist nicht nur hohe Qualität, sondern auch eine lang währende Tradition. Das Kaiserreich ist schließlich seit beinahe einem Jahrhundert Geschichte. Und dennoch. In den altehrwürdigen Kaffeehäusern wird man in sie zurückversetzt. Wie eben beim „Demel“. Sein Inneres ist im Rokoko-Stil eingerichtet. Alt und gemütlich, hat er dennoch etwas von Biedermeier. Auf dem Weg zu den großen Salons im ersten Stock geht es an der Backstube vorbei.
Hier können wir einer Schar emsiger Zuckerbäcker zuschauen, wie sie feines Konfekt, erlesene Torten und sonstige Mehlspeisen, meist nach geheimer Rezeptur, erschaffen.
Wir suchen uns einen Tisch am Rand des Salons aus. Da gibt es nämlich auch gemütliche Sofas. Eine der aktuellen ausliegenden Tageszeitungen haben wir gleich mitgenommen. Sie ist Teil der Kaffeehaus-Kultur. Einfach eine der zahlreichen Kaffeearten bestellen und die Zeitung lesen, während man das braune Getränk genießt. Kaffee muss es für uns aber nicht sein. Wir entscheiden uns für heiße Schokolade. Die wird in guten Kaffeehäusern nicht einfach aus den üblichen Schokogetränk-Pulvern aus dem Supermarkt angerührt, sondern aus echter, geschmolzener Schokolade kreiert. Darin liegt auch das Geheimnis, warum heiße Schokolade in jedem Kaffeehaus vollkommen anders schmeckt und immer wieder überrascht. So, wie auch wir überrascht wurden. Unsere
heiße Schokolade kam nicht nur mit Schlagobers (so, wie die Österreicher zur Sahne sagen), sondern auch mit einer Brise Kardamom, die dem angenehm warmen Getränk eine ganz besondere, unerwartete, aber dennoch äußerst schmackhafte Note verlieh. Einst zu Kaiserzeiten, musste jede Dame, die etwas auf sich hielt, am ersten kalten Tag im Jahr beim „Demel“vorbeischauen, um eine heiße Schokolade zu trinken. Dabei ging es in der Aristokratie und dem Bürgertum vor allem ums sehen und gesehen werden.
Zur heißen Schokolade haben wir uns die Haustorte, die Annatorte, bestellt. Sie ist nicht allzu bekannt, aber ein Gedicht unter den Schokoladentorten. Gemeinsam mit ihrer künstlerisch geformten Nougateindeckung, einem Hauch von Trüffel und Orangenlikör, sowie der dezenten Schokoladenbuttercreme zergeht sie förmlich im Munde. So etwas bekommt man nicht alle Tage! So etwas bleibt in Erinnerung!
Café Hawelka
Das „Café Hawelka“liegt nur zwei Seitengassen vom „Demel“entfernt in der Dorotheergasse 6. Es wurde erst 1939 gegründet und ist das krasse Gegenteil dessen, was man sich unter einem klassischen, noblen Wiener Café vorstellt. Das Hawelka ist dunkel mit altem, aber gemütlichem Mobiliar. Es scheint, als sei hier die Zeit vor vielen Jahrzehnten stehengeblieben. Kein Wunder, soll die Einrichtung doch aus dem Jahr 1912 stammen, als hier eine Bar eröffnet wurde. Schnell wurde das Hawelka zum
Treffpunkt für Künstler aller Art. Hier gingen Ernst Fuchs, H.C. Artmann, Friedenreich Hundertwasser, Helmut Qualtinger, Oskar Werner und unzählige andere Berühmtheiten ein und aus. Das Hawelka wirkt nicht perfekt und will es auch nicht sein. Dafür ist es herzlich. Der Chef des Hauses begrüßt seine Gäste mit Handschlag und erkundigt sich nach ihrem Wohlbefinden. Auch hier darf es heiße Schokolade sein. Ihr Geschmack verrät, dass sie aus edlen Zutaten bereitet wurde. Dazu gibt es wieder Schlagobers und das obligatorische Glas Wasser, das in allen Wiener Kaffeehäusern zu warmen Getränken und meist auch zu Kuchen serviert wird. Die Spezialität des Hauses sind übrigens Buchteln (Rohrnudeln) nach überliefertem böhmischem Rezept.
Cafe-Konditorei Heiner
In der Wollzeile 9, nur eine Seitengasse vom Stephansdom entfernt, finden wir in der „Cafe-Konditorei L. Heiner“ein weiteres Traditionshaus, das seit 1840 besteht und ebenfalls K&K-Hoflieferant war. Zu Unrecht ist das Heiner nicht so bekannt, wie andere Wiener Kaffeehäuser. Dabei werden auch hier süße Köstlichkeiten von Hand gezaubert. Dazu gehören handgeschöpfte Schokoladen und Konfekt, verschiedene Bonbonniere und natürlich Torten. Hier haben wir in der Jubiläumstorte wohl DAS Stück Kuchen gefunden. Sie wurde anlässlich des 175-jährigen Firmenjubiläums kreiert und entstammt somit nicht der traditionellen Wiener Küche. Aber egal. Denn diese Eierlikörtorte mit HaselnussBiskuit, Schoko-Waffel-Schicht, Schoko-Mousse, Eierlikör-Creme und weißer Schokoladenglasur sucht Ihresgleichen am österreichi-
schen Tortenhimmel! Dazu noch genossen in der kleinen, heimeligen Atmosphäre des Cafés, … was will man mehr.
Café Diglas
Wer es moderner mag, der braucht nur auf die andere Straßenseite, zur Wollzeile 10 zum 1923 gegründeten „Café Diglas“zu gehen. Auch dieses ist eine bekannte wiener Adresse. Franz Lehar, O.W. Fischer, Karl Farkas und weitere Berühmtheiten verkehrten hier. Das Lokal wirkt groß, hoch und hell. Unter den Gästen finden sich auch viele Einheimische. Alleine, um sich mal schnell zu stärken oder um auszuspannen, oder zu zweit, um über Dinge die bewegen, zu diskutieren, oder um einfach Mittag zu essen. Denn auch dafür sind Kaffeehäuser ein Geheimtipp. Sie fühlen sich der Wiener Küche verpflichtet und bieten viele Speisen an, die man in üblichen Gaststätten längst nicht mehr bekommt. Kaffeehäuser haben übrigens das ganze Jahr von Frühmorgens bis spät in die Nacht Saison.
Im Diglas darf es mal wieder heiße Schokolade sein. Sie wird auf einem Tablett im Glas serviert. In ihm kommt die dicke Schicht Milchschaum besonders gut zur Geltung.
Dazu gibt es das obligatorische
Glas Wasser. Das Getränk gibt sich dezent süß, keinesfalls aufdringlich. Genau so, wie man sich eine gute heiße Schokolade vorstellt. Während wir sie langsam schlürfen, nutzen wir die Zeit, um die anderen Gäste zu beobachten und, ganz wie es sich gehört, in der Tageszeitung zu blättern. Das schöne an Kaffeehäusern ist eben auch, dass man von keinem Kellner gedrängt wird, den Platz möglichst schnell für die nächsten Gäste frei zu machen.
Das Cafe Sacher
Das Sacher ist weltbekannt. Es liegt gegenüber der Staatsoper an der Philharmonikerstraße 4, am Ende der bekanntesten Einkaufs- und überlaufendsten Touristenmeile Wiens, der Kärntner Straße.
Das „Cafe Sacher“ist nur ein Nebenzweig des weltbekannten Hotels. Das 1876 gegründete Haus entwickelte sich sehr schnell zu der ersten Adresse der Stadt. Kein Wunder, bot man nicht nur eine exquisite Küche, sondern auch ein ebensolches Hotel, das eine Institution in den oberen Kreisen wurde. Noch heute ist das Sacher der Ort, wo die reichen, schönen und bekannten unserer Welt absteigen, wenn sie in Wien Station machen. Wer tiefer in das Sacher, in das reich seiner pompösen Salons eindringt, wird schier überwältigt sein, von all dem Glanz, der Glorie und dieser Pracht. Hier kann man sogar Berühmtheiten ganz privat entdecken.
Das „Cafe Sacher“strahlt zwar ebenfalls den Glanz des Hauses aus, ist aber ein wenig zum Touristenmagnet verkommen. Im Sacher die weltberühmte Sachertorte gekostet zu haben, ist eben ein Fixpunkt vieler Wien-Reisen. Vielleicht, weil die Sachertorte als Inbegriff der gemeinen Schokoladentorte gilt. Schokoladenteig mit viel Kakao und sehr viel Zucker, gefüllt mit einer dünnen Schicht Marmelade
und Schokoglasur drüber. Das war’s schon, Geheimrezept hin oder her.
Café Imperial
Das „Café Imperial“liegt am Kärntner Ring 16, etwas außerhalb des historischen Stadtzentrums. Es wurde 1873 eröffnet und dank seiner Imperial Torte, die man extra für Kaiser Franz Josef erfand, zum K&K-Hoflieferanten. Das Imperial hat schon etliche Staatsgäste von John F. Kennedy, über die Queen bis zu Kaiser Akihito beherbergt. Riccardo Muti, Mariah Carey und Walt Disney logierten ebenfalls hier. Michael Jackson schrieb im Imperial seinen Earth Song.
Das „Café Imperial“besitzt einen großen, imposanten Salon, der seinen Gästen viel Platz lässt und zum sichtlich Wohlfühlen einlädt. Selbstverständlich probieren wir des Kaisers Torte. Anders als die Sachertorte ist diese hier Raffinesse pur. Bei der Imperial Torte wechseln sich alleine sieben hauchdünne Teigschichten mit ebenso zarten Füllungen aus hellem Nougat und luftigem Baiser ab. Überzogen ist die quadratische Torte mit einem feinen Marzipanüberzug und einer zarten Glasur aus Milchschokolade. Der Überlieferung nach soll der Kaiser gleich zwei Stück dieser Torte genüsslich verspeist und gesagt haben: „Die war sehr gut.
Sie hat mir sehr geschmeckt!“Dem können wir uns nur anschließen.
Zur Torte nahmen wir noch ein Kännchen heiße Schokolade, die uns diesmal mit einem Hauch von Zartbitter überraschte und einen willkommenen Kontrast zur milden Imperial-Torte bildete. <