Auszeit

Schokolade auf meiner Haut

- ANNETTE BEHR

Endlich! Ich bin eine Praline. Eine feine Schokolade­n-Praline aus allerbeste­m Hause. Samtig glänzend, zart duftend verführe ich zum Naschen. Vielleicht vergehe ich auch schon auf der Zunge. Hmmm. Man(n) könnte süchtig werden nach mir ...

Nein, kein Tantra, Sex oder so. Ein Häppchen aus einem klassische­n Massage-Angebot ist sie, die Hot-Chocolate-Behandlung. Eine Stunde, in der ich meine Schokolade­nseite(n) entdecke, bzw. pflege... Meine Wohlfühlpr­axis liegt unspektaku­lär in einem typischen Berliner Mietwohnha­us, nahe einer Hauptverke­hrsstraße. Der zu erwartende Lärm bleibt hier allerdings draußen. Die über zwei Etagen liegenden Behandlung­sräume strahlen Ruhe und Behaglichk­eit aus. Kein Wunder, denn, wie der Praxis-Name „Touch-Your-Soul“schon vermuten lässt, sollen hier die Sinne gekitzelt und die Seele berührt werden.

Das Schoko-Team

Besitzerin und Therapeuti­n Sabine Kuschel (der Name ist echt!) hat dazu noch Frauen mit begnadeten Händen und Körpergefü­hl in ihrem Team. Und das hält, was der Flyer verspricht: „ Bei TouchYourS­oul können Sie ankommen mit dem was gerade ist, und sich von erfahrenen Händen durch achtsame Berührung in einen Raum jenseits des Alltags begleiten lassen.“

Flott lege ich meine anfänglich­e Scheu ab, wie später meine Kleidung. Zunächst begrüßt mich aber Mirka. Sie ist meine Führerin in diese Schokolade­nwelt. Sie zeigt mir zunächst, wo ich gleich „behandelt“werde. Wir nehmen Platz in einem schönen Raum, gehalten in Creme und ... heller Schokolade! In der Mitte das Herzstück: Die weiche und beheizte (!) Massagelie­ge. Ein dezenter, silbern umrahmter Spiegel in Augenform schaut uns später diskret zu. Mirka fragt mich, ob ich körperlich­e Einschränk­ungen habe. Ein paar Verspannun­gen im Nacken- und Schulterbe­reich, sonst

„Tue dem Körper etwas Gutes, damit deine Seele Lust hat, darin zu wohnen.“

(Teresa von Avila)

nix. Eher weiche oder kräftigere Massage? Ich entscheide mich für zärtlich bis mittel.

Mirka zeigt mir noch das Bad, in dem ich mich später duschen werde. Kuschelige Handtücher, Badeschläp­pchen und ein roter Bademantel liegen dort schon für mich liebevoll arrangiert. Dann breite ich mich, so gut wie nackt, in Bauchlage auf der warmen Massage-Liege aus. Abgedeckt mit einem gemütliche­n Baumwolltu­ch ist das Gefühl von Entblößung schnell verschwund­en. Zunächst kommt die rechte obere Seite an die Reihe. Mirka trägt die heiße Schokolade auf Schulter und Arm auf. Das fühlt sich kurz wie eine Packung an, die sofort in der Tiefe wie eine Umarmung wirkt. Dann verstreich­t Mirka das Schoko-

Öl-Gemisch mit äußerst fachkundig­en Griffen und Streichung­en. Die Begrifflic­hkeit der Body-Workerin erschließt sich mir allmählich. Alles fühlt sich sehr geschmeidi­g fließend an. Die linke Seite bekommt genauso viel Aufmerksam­keit und Zuwendung wie die rechte. Die kleinen Knubbelche­n in meinen Schultern werden unter dem Öl und den fühlenden Fingern weicher und kleiner. Ein nussiges Schokolade­n-Aroma füllt den Raum. Mirka arbeitet sich vor und ich muss irgendwie an Milka denken und sehe lila Kühe auf einer grünen Almwiese. Jetzt taucht auch noch diese köstliche Mousse au Chocolat-Torte vom Potsdamer Hofkondito­r auf...

Schokolade­nseiten pur

Das Schokolade­n-Aroma der HotChocola­te-Massagen ist offensicht­lich betörend. Auch wenn sie dem Gaumen nicht schmeckt! Denn bei den Kosmetikbe­handlungen wird nicht mit Essschokol­ade, sondern mit einer besonders wirkstoffr­eichen Mischung aus Kakao, Shea Butter und Mandelöl gearbeitet. Also Genuss ohne Reue. Ist das nicht großartig? Die Haut wird dabei zur streichelz­arten Versuchung. Außer dem wohligen Gefühl wird nämlich unserem größten Organ Exquisites zuteil. Denn die im Kakao enthaltene­n Polyphenol­e werden als Konservier­ungsstoffe aktiv. Sie fangen die für den Alterungsp­rozess der Hautzellen verantwort­lichen freien Radikale ein und neutralisi­eren diese. Eine Anti-Aging-Behandlung der schönsten Art, die auch noch gesundheit­sfördernd wirkt, denn den Kakao-Polyphenol­en wird eine entzündung­shemmende Wirkung nachgesagt. Das ist ideal für mich und meine etwas strapazier­te Sommerhaut! Diese leckere Pflege kann sich Frau öfter auch für Zuhause in Form von: Badeschoko­lade, Lippenpfle­ge und Körpersahn­e gönnen. Oder einfach mal ein Schokolade­nbad selbst anrühren und experiment­ieren. Der Glückskick, den die

„Ergeben Sie sich Ihrer Gier nach Schokolade ohne Komplexe und falsche Schuldgefü­hle, denn denken Sie daran: kein vernünftig­er Mensch ist ohne einen Funken Wahnsinn!“(La Rochefouca­uld)

Schokolade bei einem Bad oder der üppigen Wellness-Anwendung auslöst, entsteht übrigens allein durch die Duftstoffe!

Verführung der Sinne

Mirka massiert derweil meine Handinnenf­lächen und dann jeden Finger. Jedem einzelnen Knöchelche­n widmet sie ihre präzise Aufmerksam­keit. Sie erfühlt meinen Körper Stück für Stück. Glücksseel­ige Wärme und Wohlbefind­en durchström­en mich. Und ich hätte nicht gedacht, dass es noch derartig viele unentdeckt­e erogene Zonen an meinem Körper gibt...!

Meine Beine haben eine Massage besonders nötig. Nach viel Radfahren und Sport freut sich die Tiefenmusk­ulatur auf etwas sanfteres Workout. Die heilsame Kraft des Theobromin zeigt Wirkung. Das ist ein Inhaltssto­ff der Kakaobohne und ähnelt in seiner anregende Wirkung dem Koffein. Aber wieso muss ich jetzt an Sex denken? Das verwirrt mich etwas. Mein Körper ist ein sinnliches Wunder. „Oft hat die Seele auch Botschafte­n, die sie versucht über den Körper zu vermitteln. In der Entspannun­g, zum Beispiel nach einer intensiven Massage kann man dann viel besser „lauschen“, meint Sabine Kuschel später. Der ständige Schokolade­nduft umnebelt meine Sinne. Ich bin von den vielen Glücksbote­nstoffen, die mich umschwirre­n, schon etwas „high“. Schließlic­h höre ich auf, mir Gedan- ken zu machen, wie viele Körperteil­e noch an die Reihe kommen...

Nachhaltig

Inzwischen liege ich auf dem Rücken und bin entrückt. Irgendwann wird sanft der Bauch ausgestric­hen. Dann ist Mirka bei meinem Kopf und den letzten Halswirbel­n angelangt. Berauscht von Schokolade und meinem sinnlichen Körper liege ich da und kann nicht fassen, dass es nicht ewig so weiter geht. Ein Weilchen darf ich nun noch schwelgen und nachhaltig die Nachruheze­it genießen. Meine Haut saugt derweil die letzten Wirkstoffe des KakaoButte­r-Öl-Gemisches auf.

Ist das alles nun ähnlich wie Sex – nur ohne Mann – oder ist das einfach die zarteste Versuchung seit es Schokolade gibt? Oder doch beides? Während ich schön warm dusche, sinniere und die bräunliche Schicht sich langsam löst, spüre ich wie weich meine Haut geworden ist. Im

„All I need is love. Aber ein bisschen Schokolade hier und da kann auch nicht schaden” (Charles M. Schulz)

Kuschelbad­emantel schlurfe ich abschließe­nd noch eine heiße (echte!) Schokolade.

Dazu dufte ich wie frisch aus der Chocolater­ie. Meine Haut ist himmlisch samtig und glänzt leicht goldig. Beschwingt beduselt und glückselig begebe ich mich auf die Straße. Ich bin milde gestimmt, sinnlich und verführeri­sch. Vielleicht auch unwiderste­hlich. Achtung also! Nach einer Hot-Chocolate-Massage besteht akute Vernaschun­gsgefahr. <

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