Ab in die Sauna
Schwitzen auf finnisch
Oh je, die Tage werden kürzer und dunkler, das Laub rieselt von den Bäumen und ich fröstele den ganzen Tag. Meine Haut zieht sich bei jedem kalten Windstoß zusammen, bis ich nur noch aus Gänsehaut bestehe.
So ein Mistwetter, fluche ich und just in diesem Augenblick fasse ich meinen alljährlichen Vorsatz: Jetzt geht es wieder in die Sauna. Dieser Entschluss stimmt mich froh und ich entspanne mich. Die Gänsehaut verschwindet ziemlich schnell und ich verspüre Vorfreude auf die Wärme, Eukalyptus- und Zitronenaufgüsse und verdöste Stunden im Ruheraum, eingekuschelt in meinen Bademantel und einer dicken Decke. Bei dieser Vorstellung werde ich ganz nachsichtig mit dem Wetter und versöhne mich mit dem Regen, der Dunkelheit und der Kälte. Abgesehen von all den vielen positiven Aspekten für die Gesundheit liebe ich das Saunieren, weil mir gerade in der kalten Jahreszeit ein Besuch hilft, die Wärme des Sommers für ein paar Stunden zurück zu holen. Entspannung und Erholung sind für mich die zwei wichtigsten Ziele und deshalb folge ich meinem ganz eigenen Ritual und schenke den meisten hiesigen Saunaregeln keine Beachtung. Mindestens 15 Minuten im Schwitzraum bei 100 Grad Celsius sitzen oder liegen, vor und nach dem Saunagang auf die Waage und in jedem Fall in das Kaltbecken tauchen, ist mir alles viel zu anstrengend. Ich folge lieber meinem Wohlgefühl und orientiere mich an dem Laissez-faire Ritual meiner Verwandten in Finnland. Dort stellt der Hausherr „die Regeln“auf und sonst niemand.
Zeitlose Entspannung
Sauna ist seit etwa 2000 Jahren in Finnland bekannt. Nomadenstämme aus der Mongolei bauten mit ihrer Besiedelung die ersten Saunen. Das Wort Sauna ist eines der ältesten Begriffe in der finnischen Sprache und stammt von Savu, was so viel wie Rauch bedeutet. Finnische Sprichwörter wie beispielsweise „Wenn Schnaps, Teer oder Sauna nichts helfen, ist die Krankheit tödlich“oder „In der Sauna verraucht der Zorn, und die Galle trocknet ein“lassen erahnen, dass die Sauna nicht nur zur Körperreinigung diente. Die Sauna spielte im Leben der frühen Kulturen eine wichtige Rolle und erfüllte viele Funktionen. So wurde zum Beispiel Nahrung gedörrt und getrocknet. Der Raum wurde auch als Gebets- und Gebärraum oder wegen der hygienischen Bedingungen als Pflegeraum für Kranke genutzt. Saunieren in Finnland ist zumeist Privatsache, da fast jeder Finne in seiner Wohnung, seinem Haus oder seinem Wochenendhaus am See eine Sauna installiert hat.
Wenn ich in Finnland bin, dann gehe ich wie die meisten Finnen jeden Abend zum Abschluss des Tages in die Sauna – im Sommer wie im Winter. Zur Einstimmung schwimme ich ein paar Runden im See. Finnland ist das Land der tausend Seen und an nahezu jedem See gibt es auch eine Sauna. Im Sommer liegen die Wassertemperaturen normalerweise zwischen 15 und 18 Grad Celsius, so dass ich mich gut erfrischt fühle, bevor ich in die Sauna gehe. Nach dem Schwimmen reinige ich meinen Körper unter der Dusche und dann geht es in den Schwitzraum. Meine persönliche Wohlfühltemperatur liegt um 80 Grad Celsius. Bei diesen Temperaturen strecke ich mich genüsslich auf einer der Holzbänke aus. Meistens macht mich die Wärme so träge,
Wenn Schnaps, Teer oder Sauna nichts helfen, ist die Krankheit tödlich. Finnisches Sprichwort
dass ich noch nicht einmal mehr Lust habe über irgendetwas Nachzudenken. Alle Muskeln meines Körpers entspannen sich. Der Kopf ist plötzlich leer, keine Gedanken kreisen mehr und ich erreiche in meiner Faultierhaltung schnell einen meditativen Zustand. Auf dem Rücken liegend verharre ich so lange auf der Holzbank bis ich merke, dass ich kurz vor dem Wegdösen bin. Meist haben sich dann schon die ersten Rinnsäle aus Schweiß auf meiner Haut gebildet, die an meinem Körper auf das untergelegte Handtuch herabfließen. Um diesen Schwitzprozess nochmals zu verstärken, schütte ich eine ordentliche Kelle Wasser auf die Steine des Saunaofens und sinke auf die Holzbank zurück. In Deutschland werden in den unzähligen Saunalandschaften die Schwitzräume typischerweise als Finnisch bezeichnet, die mindestens 100 Grad Celsius heiß sind. Ich kenne jedoch keinen Finnen, der erst bei Erreichen dieser Temperatur den Schwitzraum betritt und diesen nach exakt 15 Minuten wieder verlässt. Zeitmesser wie in unseren Breitengraden üblich, habe ich in Finnland noch nie an den holzvertäfelten Wänden entdeckt. Sobald mein Körper vollständig mit einem Schweißfilm bedeckt ist, verlasse ich die Sauna und schreite in einen Bademantel gehüllt mit bedächtigen Schritten zum nahegelegenen See. Wie zuvor im Saunaraum lege ich auch bei der Abkühlung weder ein schnelles Tempo noch einen übertriebenen Ehrgeiz an den Tag. Zunächst gewöhne ich meine Zehen an die erfrischenden Temperaturen, um dann Füße und Beine folgen zu lassen. Mit kleinen Trippelschritten laufe ich immer weiter in das Wasser hinein, zwischendurch halte ich immer wieder an und benetze meine Haut mit dem kühlen Nass. Sobald mir das Wasser bis zum Bauch reicht, nehme ich ein oder zwei tiefe Atemzüge und wage den Sprung in den See. Die Kälte des Wassers durchdringt meinen ganzen Körper. Nach dem Auftauchen pruste ich lautstark und beginne zu schwimmen. Nach ein paar kräftigen Zügen fühle ich mich im Wasser wohl, mein Körper erwärmt sich und meine Atmung wird ruhiger. Ein paar Minuten verweile ich im Wasser und ziehe in aller Stille und ganz in Ruhe meine Bahnen. Zurück an Land beginnt mein ganzer Körper zu kribbeln und meine Haut färbt sich wegen der besseren Durchblutung rot. Ich habe das Gefühl, dass mein Körper gereinigt und mein Geist leichter ist.
Sauna kam mit Olympia
Am liebsten schwitze ich in der Sauna meiner Tante, die noch mit Holz beheizt und nicht mit einem elektrischen Ofen betrieben wird. Der intensive Geruch nach Holz und das Knacken und Knistern des Feuers im Saunaofen steigert für mich die Entspannung nochmals. Wie in früheren Zeiten üblich, ist die Sauna meiner Tante getrennt vom Haupthaus in einem einzelnen Blockbohlengebäude zwei bis drei
Schritte vom See entfernt untergebracht und verfügt glücklicherweise über einen Schornstein. Der Urtyp der finnischen Sauna wurde als Rauchsauna bezeichnet, weil das Gebäude keinen Schornstein besaß. Nach Erreichen der Temperatur im Schwitzraum wurde das Feuer gelöscht und die Sauna vor der Nutzung vom Ruß befreit. Diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei. Eine Dusche fehlt allerdings in der Sauna meiner Tante, so dass das Wasser zur Reinigung des Körpers über den Saunaofen erhitzt und mit Wasser aus dem See auf eine angenehme Temperatur gemischt wird. In Deutschland und Mitteleuropa wurde die Sauna während der Olympischen Spiele 1936 einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Auf Wunsch der finnischen Sportler wurde eine Sauna errichtet. Noch heute sind die meisten Saunen in Deutschland nach dem finnischen Vorbild mit Duschkabinen zur Körperreinigung, Schwitzraum, Freiluftbereich und Ruheraum aufgebaut.
Eines ist mir jedoch bei einem Saunabesuch in Finnland noch nie passiert: das Abklopfen mit Birkenzweigen. Ursprünglich sollte das Abklopfen mit den Birkenzweigen die Durchblutung fördern und das Schwitzen anregen. Immer wieder werde ich von Bekannten gefragt, wie sich das anfühlt und welchen Effekt das hat. Ich selber bin noch nicht in den „Genuss“dieses Rituals gekommen. Vielleicht werde ich aber bei meinem nächsten Besuch in Finnland einfach ein paar Birkenzweige zusammenbinden und meine Verwandten damit abklopfen. Ich bin gespannt, wie sie auf dieses neue Ritual reagieren. <