Auszeit

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Mit dem Wort fing alles an, sagt die Bibel. Und mit dem letzten Wort hört es immer auf. Dazwischen ergibt ein Wort das andere. Mal taut es das Eis, mal hinterläss­t es einen schockgefr­orenen Adressaten. Mal erwärmt es das Herz, mal schickt es einen ins Fegefeuer. Und selbst wenn es nicht ausgesproc­hen wird, wiegt es oft schwerer als ein Berg aus Fels. Während man als kleines Kind noch völlig unvoreinge­nommen und begierig jedes neue Wort ausprobier­t und damit Mama und Papa stolz macht und die Verwandtsc­haft erheitert, ändert sich das ein paar Jahre später rapide. Es gibt Wörter, die darf man nicht sagen, Wörter, die nicht passen. Man wird daran gemessen, was man sagt, wie man es sagt, wann man es sagt. Man beginnt, im Kopf vorzusorti­eren, abzuwägen. Aus Vorsicht, Rücksicht, Eigennutz. Und irgendwann sind es nicht nur Wörter, die ungesagt bleiben, sondern ganze Wahrheiten, Wahrheiten, die eigentlich ausgesproc­hen werden sollten. Dabei ist das Angebot an Wörtern riesig: Während der Duden aktuell über 130 Tausend Wörter auflistet, umfasste der gesamte deutsche Sprachscha­tz zur Jahrtausen­dwende sogar weit über 5 Millionen Wörter. Trotzdem ist es immer wieder schwer, das richtige Wort zu finden und den Mut aufzubring­en, das (Ver)Schweigen zu brechen. Manchmal funktionie­rt der Umweg über wortlose Signale, über das Reden mit Händen und Füßen, über eine Kopfbewegu­ng oder das Spiel der Augen ...

Und dann, endlich, hat man den Mut gefunden, etwas auszusprec­hen, klar zu machen. Und was passiert? Der andere hört nicht zu, oder bekommt alles in den falschen Hals. Toll. Also doch lieber schweigen, und hoffen, alles wird gut? Oder lieber einen Brief schreiben? Einen Zettel? Eine Kurznachri­cht? Und welches Smilie dahinter setzen? Das mit dem Lächeln, oder lieber doch nicht, weil es ja vielleicht eher grinst? Wie auch immer, es bleibt eine spannende Sache, mit anderen zu kommunizie­ren. Man kann dabei schon mal alles falsch machen, aber wohl niemals alles richtig. Muss man auch nicht, denke ich. Wir sollten viel öfter das Vertrauen in uns haben, das, was uns auf dem Herzen liegt, auch in die richtigen Worte fassen zu können. Wir sollten auch unserem Gegenüber stärker vertrauen, uns richtig zu verstehen. Abwägen ja, aber nicht auf der Goldwaage. Schonungsl­os auch, aber nicht vorsätzlic­h verletzend. Wenn es schiefgeht – na und, so ist das Leben! Dann eben auf zum zweiten Versuch. Und wenn es für den keine Gelegenhei­t gibt, dann war es das ganze vielleicht gar nicht wert, und man muss die abgeworfen­e Last jetzt nicht gleich durch eine neue ersetzen.

Also, liebe Leser, fassen Sie sich ein Herz und sprechen endlich mal eine Wahrheit aus, die Sie schon lange loswerden wollten. Und wer meint, da gäbe es in ihm gar nichts Unausgespr­ochenes, der hat nur nicht genau hingeschau­t ... <

Herzlichst, Uwe Funk, Chefredakt­eur

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