| Kein Wir mehr
Wenn mit der Trennung vom Partner auch die eigene Zukunft wegbricht, stehen wir an einem Nullpunkt: Wie kann es weitergehen? Wer sind wir ohne den anderen? Doch die Trennung kann auch zu einem Aufbruch auf den Weg zurück zu uns selbst werden.
Getrennte Wege – was bleibt von mir? # Weiter geht’s – Wege aus der Trennungskrise # Anfassen erlaubt – intim mit mir allein # Wie frei darf die Liebe sein?
Noch gut erinnere ich mich an den Tag, als ich auf dem Boden lag. Dort, wo neuerdings neben meinem Schreibtisch auch meine Schlafmatratze lag. Wenige Tage zuvor hatte mein Freund unsere Beziehung beendet. Damals waren wir seit einiger Zeit verlobt gewesen, ich hatte mögliche Orte für Trauung und Feier herausgesucht, ebenso Hochzeitskleider. Doch statt der Heirat kam die Trennung und da lag ich nun und hoffte, dass jemand mich retten würde. Zu jenem Zeitpunkt hatte ich schon zahlreiche Trennungen hinter mir und mit ihnen kürzere und längere Beziehungen. Doch keine zuvor war jemals so lang und intensiv gewesen wie diese. Wir hatten zusammen studiert, waren zusammen gewachsen und quer durch Deutschland gezogen. Er hatte mich begleitet – emotional und rückenstärkend – als ich mich selbständig gemacht hatte, statt, wie ursprünglich geplant, weiter zu studieren. Seine Familie war zu meiner Familie geworden, seine Mutter eine gute Freundin von mir. Ich hatte die Kinder seiner Schwestern aufwachsen sehen und gedacht, es würde immer so weitergehen. Was mich am meisten traf damals, war mein Unvorbereitetsein.
Plötzlich ohne ihn
Einige Wochen zuvor waren wir bei einer Paarberatung gewesen. Seit wir am neuen Wohnort angekommen waren, hatten wir beide uns kein rechtes soziales Netz aufbauen können, fehlte uns so manches aus der alten gemeinsamen Heimat. Irgendwie waren dabei auch wir als Paar mehr und mehr verloren gegangen und wir wussten nicht recht, wie wir uns wieder finden konnten. In all der Zeit hatte ich immer an uns geglaubt. Hatte somit auch nicht lange überlegen müssen, als der Paarberater meinte, es ginge um die grundsätzliche Frage, ob wir den Weg zusammen weitergehen wollten. Da war nur ein Ja in mir, sonst nichts. Mit dem Nein meines damaligen Verlobten hatte ich nicht gerechnet. So brach mit ihm damals nicht nur die Beziehung, sondern auch das Bild, das ich von meiner Zukunft hatte, weg. Ich wusste nicht mehr, wo ich hinziehen sollte, wo ich bleiben wollte, wo ich zuhause war. Ich wusste nicht mehr recht, wer ich ohne ihn war, wie ich ohne ihn an meiner Seite meine
Zukunft gestalten wollte. Hinzu kam der Wegbruch von Vertrautem, von gefühlter Sicherheit. Ich hatte mich geborgen gefühlt in unserer Beziehung, gehalten, gestärkt, besonders auch von seiner Familie, seiner Mutter, die ebenfalls selbständig tätig war und mich in dieser Anfangszeit sehr bestärkte.
All das, woran ich geglaubt hatte, wovon ich überzeugt gewesen war, es würde bleiben, brach in dieser Zeit weg. Was blieb war ich, dort am Boden auf Rettung wartend. Doch statt meines nun Ex-Freundes kamen die Panikattacken, die mich immer wieder nach Luft schnappend zur Tür rennen und meinen Weg mehrfach mit Herzrasen und Atemnot in diversen Kliniken enden ließen. Damals spürte ich, wie sehr ich mein Leben, meine Sicherheit, mein Bild von mir mit seinem verwoben hatte. Wer war ich jenseits von ihm? Woran glaubte ich? Was trug mich?
Fragen ohne Antworten
Ich fand keine schnellen Antworten auf Fragen wie diese, die uns – ob bei einer Trennung oder anderen Lebenskrisen – oft über Wochen und Monate begleiten, sich im
Kopf wiederholen. Doch ich wusste
zunächst einmal: Ich musste wieder vom Boden aufstehen. Mehrere Nachmittage und Abende hatte ich nun dort verbracht und schließlich kapiert, dass keiner kommen würde, um mich zu retten. Dass ich da immer weiter, noch länger, liegen konnte – oder aufstehen, so weh es tat, so wenig ich wollte. Was mich zum Wollen brachte, war schließlich ein Buch, Die Weisheit eines gebrochenen Herzens von Susan Piver. Susan, die kein Blatt vor den Mund nahm, nichts schön redete und mir auch nicht sagte, dass ich gerade die tollste Zeit meines Lebens erlebte, eine Chance, aus der ich was machen konnte. Sondern Susan, die ihrem Buch eine Liste mit traurigen Liedern und Filmen angehängt hatte, für Zeiten, in denen nichts mehr ging, und die mir zugleich zeigte, welchen Wert ein gebrochenes Herz besaß – wie ich mit ihm mitten in der Welt stehen und ganz langsam auch Frieden mit mir, dem Leben und dem Mann, der es gebrochen hatte, schließen konnte.
Vor allem: Wie ich wieder zu mehr Frieden in mir finden konnte. Das Herzstück war dabei die Achtsamkeit: Achtsames Wahrnehmen dessen, was ist, mich mir selbst liebevoll zuwenden, mir selbst gute Wünsche zukommen lassen. In dieser Zeit erfuhr ich, was mich in all dem Chaos zu tragen vermochte. Was die Panikattacken wieder runterfuhr und mich selbst wieder mehr in die Verbindung mit mir und mit dem Leben brachte. Dieses Aussteigen aus den Dramen und den ganzen Kopfgeschichten, dieses reine Spüren des blanken Schmerzes und zugleich Verankertsein in dem Wissen, dass ich daran nicht sterben würde, dass ich mehr war als der Schmerz. Je mehr ich meine Gefühle sein ließ, wie sie waren und doch wieder aufstand vom Boden, lichtete sich der Nebel in meinem Inneren.
Tun, was ansteht
Statt weghaben zu wollen was war, begann ich einen Schritt nach dem anderen zurück auf mich selbst zuzugehen. Mich an meine Herzenswünsche und -träume zu erinnern und zu fragen, wie und wo ich selbst weitergehen wollte. In dieser Zeit der Umbrüche und Wegbrüche lernte ich vor allem zwei Dinge:
Hingabe und Vertrauen. Ich lernte meine Pläne von dem, wie mein Leben zu sein, weiterzugehen und zu funktionieren hatte, abzulegen. Ich lernte abzugeben, was ich nicht lenken oder kontrollieren konnte. Darauf zu vertrauen, dass es sich fügen würde. Und zugleich das Nötige zu tun, was ich tun konnte, um mit klarer Ausrichtung und zugleich offenen Händen im Leben zu stehen. Ich habe das damals nicht freiwillig gelernt, viel lieber hätte ich an meinen eigenen Plänen von dem, wie die Dinge zu sein hatten, festgehalten. Doch erkannte ich, dass die Dinge, die sich zu entwickeln begannen, sobald ich mich ergab, so oft so viel besser und noch stimmiger waren, als die, die ich mir jemals hätte ausdenken können.
Hingabe und Vertrauen
Es ist nicht so, dass die Hingabe und das Vertrauen, die ich damals lernte, für immer anhielten. Vielmehr lerne ich sie mit jeder Lebenskrise, mit jedem Nullpunkt erneut und noch ein Stück intensiver. Ebenso habe ich den Wert erkannt, den es hat, wenn ich mein Herz offenhalte und mich wage, es immer wieder neu zu öffnen. Egal, wie oft ich verletzt wurde. Egal, was jetzt schon wieder alles in meinem Leben weggebrochen ist. Ich habe gelernt, dass ich weiterlebe, auch wenn es sich manchmal anfühlt wie sterben. Ich habe gelernt, dass es da Dinge gibt, auf die ich vertrauen kann – wie die Achtsamkeit, den Boden unter meinen Füßen, den Atem. Vor allem auch: Dass es da mich gibt. Und ich spüre, wie unendlich viel das wert ist. Wie sehr es mir auch die Angst vor erneuten Trennungen und Krisen nimmt. Weil ich um die Kraft weiß, die in mir selbst steckt. Weil ich weiß, dass ich mich selbst begleiten kann und werde – vielleicht mit der Unterstützung von anderen, wertvollen Büchern und dem, was mir in diesen Zeiten gut tut. Und dass, wenn alles zusammenbricht, da immer noch ich bin. Mit dem Boden unter meinem Füßen. Mit meinem Leben hier und jetzt. Das vielleicht neu geordnet werden will, aber ganz sicher immer noch da ist. <