| Im Spiegel
Wahre Schönheit liegt im Auge des Betrachters und Schönheit kommt von Innen. Hah! Das erzählen Sie sich mal selbst, wenn Sie morgens im Bad verknittert in den Spiegel gucken.
Bin das noch ich? – Im Spiegel der anderen # Blumen für dich – Sei dir etwas wert
Als Schönste im Land, wenn überhaupt, fühlt sich Frau zu dieser Tageszeit doch nie! Erst recht nicht beim Blick in Frauenmagazine, auf Werbeplakate und auf die vielen gefilterten und göttlich retuschierten Bilder bei Facebook und Co.
Schöner Schein, wir fallen überall drauf rein und fragen uns ständig, ob wir auch schön genug sind! In meinem Sportstudio lag neulich ein kostenloses Frauenmagazin. Zu 90 Prozent geht es darin um Schönheit und wie sie zu erhalten ist: Wie werde ich noch schöner, bleibe ich es für immer und WAS ziehe ich wie an!? Wie ernähre ich mich, wie nehme ich ab und halte meine Figur auf Modellmaße? Und wie und womit schminke ich mich zur attraktiven, allseits bewunderten sexy Frau mit divenhaftem Starapeal? Im smarten Hochglanzmagazin werden die unzähligen empfohlenen Stylingprodukte mit wenig Worten aber viel Fotomaterial garniert. Dazu gibt es Unmengen an Produkt-Werbung wie Anti-Aging Beauty-Drinks. Das ist offenbar der neueste „heiße Scheiß“. So bleibt Frau mit „Regulatpro“angeblich „forever beautiful“. Was einst die Spezialdragees waren sind heute teure Trinkampullen, die mit Elasten zu ewiger Schönheit in Form von makelloser Haut und üppigem Langhaar verhelfen. Wer schön ist fällt auf, bekommt Anerkennung, wird bewundert, verehrt und geliebt. Das bekommen besonders Frauen früh beigebracht. Ein niedliches Gesichtchen nach Kindchenschema, lange Beine und eine tolle Figur. Als Gruppenmenschen möchten wir dazu gehören, anerkannt und geliebt werden. Lieben wir uns aber auch selbst, wenn wir diesem Ideal nicht (mehr) entsprechen?
Verspiegelung
Im TV kam ich letztens an der neuesten Let’s Dance Auswahl-Folge vorbei. Tanzen war und ist zeitlos toll und die allerersten Folgen der Tanzcasting-Show haben mir noch gut gefallen. Schließlich ging es um Talent und hartes Training plus Entwicklung. Und Harpe Kerkeling wagte sich neben seiner humorigen Moderation auch noch aufs Tanzparkett.
Neben den üblichen hübschen Modellmädchen sind zusätzlich auch immer Teilnehmer dabei, die nicht in das geklonte Schönheitsideal – jung, schlank, schön & Schmuckdesignerin, Fußballerfrau, Schauspieler-Tochter oder so... – hineinpassen. Aktuell ist auch ein Curveymodell dabei. Bei der ersten gemeinsamen Tanzausscheidung trugen alle Teilnehmerinnen die gleiche Kleiderfarbe, aber unterschiedliche Schnitte. So konnte jede ihre figürlichen „Vorzüge“hervorheben, bzw. kaschieren. Was auffiel: ALLE hatten Rapunzelartiges, meist blondes, langes Wallawalla-Haar und dazu natürlich ein Camouflage-Makeup, das nicht eine Pore, geschweige denn einen Pickel erahnen ließ.
Boah wie doof ist das nun wieder! „Vortäuschung falscher Tatsachen“, hieß das bei uns früher zu Hause, wenn eine von uns Mädchen sich opulent herausputzte und zu sehr „anmalte“.
O.K. Zu einer medialen Tanzshow gehört auch das karnevalartige Tanzmariechen-Styling. Aber warum muss denn nun immer alles so geklont maskenhaft sein? Wo bleibt denn nun das Eigene, die „Personality“und die „Attidude“und wo ist die natürliche Schönheit dahin? Die besondere Augen- und Haarfarbe oder die schönen Hände, Ohren, Hals, Nacken...
Heute werden zu den genormt stilisierten Schönheitsidealen zusätzlich auch noch krankhafte geschaffen.
Kultiges Nichts
Beim Friseur lief neulich ein von mir nicht sonderlich geschätzter Radio-Sender. Dort schwadronierten
Charme ist der unsichtbare Teil der Schönheit, ohne den niemand wirklich schön sein kann. Sophia Loren
die Moderatoren gefühlte 30 Minuten über die „Thigh Gap“. Dabei handelt es sich um nichts weiter als eine Lücke, also um etwas, das gar nicht da ist. Genauer gesagt geht es um den inneren Abstand zwischen den weiblichen Oberschenkeln, der möglichst groß sein sollte. Dieses Nichts ist Schönheitskult! Irgendein dünnes Magermodel hat sogar einen Twitter-Account und dazu einen verrückten Fan, der ständig neueste Infos zu „CarasThighGap“postet. Zum Glück hat sich das LückeProjekt in unserem Haushalt nicht festgesetzt. Weil wir alle deutlich zu gerne leben und essen. Letzteres muss aber nahezu eingestellt werden, denn eine deutliche Lücke bei geradem Stand und geschlossenen Füßen ist für viele Frauen nur durch eisernes Hungern und/oder Fettabsaugung zu erreichen. Denn die meisten Frauen neigen ja eher zu kräftigeren Oberschenkeln mit lästigen Dellen. Die galt es früher noch durch Sport und Massagen etwas abzumildern. Das aber war gestern. In Zeiten der Thigh Gap geistern die Geschichten von Mädchen in Form von Tweets und Blogs wie „Size Zero, für das Foto deines Lebens“im Internet herum, die täglich über ihren Weg zur Lücke detailliert berichten. Und damit dieser Trend zum Magerwahn nicht so allein ist, wurde auch noch die „Bikini-Bridge“erfunden. „Wenn ein Mädchen in einem Bikini auf dem Rücken liegt und ihre Hüftknochen so weit hervorstehen, dass ihr Höschen gespannt wird und eine Lücke entsteht“, heißt es hier zur „Thinspiration“. Momentan wird das Streben nach Magerkeit noch durch extreme „Schönheitswettbewerbe“, etwa um das am stärksten hervortretende Schlüsselbein oder die Taille, die schmaler sein muss als ein DIN-A4-Blatt gepuscht. Diese gehypten Schönheitsideale treiben besonders junge Mädchen in Essstörungen und Magerwahn. Die Liebe zu sich selbst, zu dem Menschen, der man eigentlich ganz natürlich ist und zur eigenen Seele geht verloren.
Natur oder Chirurg
Magere Schönheitsideale existierten bereits in den 1970er-Jahren. Da galten Kindfrauen wie das Model Twiggy mit 41 Kilogramm und Stockbeinchen als trendy. Aktuell ist das Schönheitsideal entweder nur spindeldürr oder sehr sportlich trainiert. Nachgeeifert wird den „Victoria’s-Secret-Modells“bei den Mädchen und bei den jungen Männern gilt der„Ronaldo-Körper“als ideal. Und wenn alle Disziplin und Training nicht gänzlich zielführend sind, darf der Schönheitsdoc nachhelfen. Brustimplantate und Fettabsaugungen sind die beliebtesten Eingriffe. Auch anderen „Makeln“wird mit Laserbehandlungen und/ oder Untersspritzungen bis hin zum Lifting zu Leibe gerückt. Mal abgesehen von den vielen prominent sichtbar entstellenden Fehleingriffen sind die Langzeitfolgen, beispielsweise ständige Botox-Spritzen, völlig ungeklärt.
In einer Gesellschaft mit Lebens-, Genuss-, und Konsummitteln im Überfluss gilt es als schick, sich zu disziplinieren und zu optimieren, um möglichst schlank, schön und „fame“zu sein. Und natürlich gibt es einem selbst viel Bestätigung, wenn hartes Training durchgehalten wird und sichtbar zum Erfolg führt. Den inneren Schweinehund vertrieben, ein oder zwei Kleidergrößen kleiner. Frau und Mann fühlen sich wunderbar und überall wird staunend gefragt, wie das erreicht wurde. Anerkennung auf ganzer Linie. Im Job und bei der Partnerschaft. 90-60-90 oder noch besser
Schönheit ist Einstellungssache! Ich sehe mich nicht nur als Model, sondern auch als body activist... Ashley Graham, Curvey Model
Size-Zero, sonst ist man doch nicht schön und überhaupt kriegt man ohne diese Maße kein Foto, keinen Kerl und ist draußen!?
Ein gigantischer Markt. Und der bestimmt was momentan als Schön gilt. Die Lippen von Nicki Minaj, Busen und Hintern wie von Kim Kardashian... Kein Wunder, dass der Weg zum eigenen, gesunden Körpergefühl für viele Menschen eine permanente Herausforderung ist und lebenslänglich bleibt.
Das weibliche Schönheitsideal, das in unsere Köpfe gespült wurde, hinterfragen immer mehr selbstbewusste Frauen, quer durch die Generationen. Eine selbstbewusste „Gegenbewegungen“zum Mainstream-Schönheitsdiktat sind beispielsweise die „Mermaidthighs“. Sie erhalten schwarmhaft bewundernde Unterstützung im Netz. Hier freuen sich Frauen darüber, dass sich ihre MeerjungfrauenOberschenkel berühren. Na endlich!
Glanz der Wahrheit
Was bedeutet also Schönheit und was macht sie aus (uns)? Ist nicht jeder Mensch für sich betrachtet schön? Einen schönen Menschen erkennen wir. Es gibt ein paar objektive Kriterien, was gesellschaftlich als schön und anerkannt gilt. Daher ist es auch natürlich menschlich, in einem gewissen Maß, danach zu streben. Schönheit hat allerdings viele Gesichter. Ausstrahlung und ein gepflegtes Inneres wie Äußeres sind Schönmacher. Zufriedenheit und ein wohlwollender Blick auf sich und andere verleiht Leuchtkraft. „Schön ist eigentlich alles, was man mit Liebe betrachtet“, sagte Christian Mor- genstern. Recht hat er! Die Philosophen betrachten Schönheit gerne als „Vollkommenheit der sinnlichen Erkenntnis“oder als „Glanz der Wahrheit“. Also als möglichst viel Übereinstimmung von Realität und positiven Gedanken. Na, das kennen wir doch von der Liebe. Diese macht ja bekanntlich richtig schön. Allein schon durch die wohlwollenden Gedanken, die ausgesendet werden. Diese können wir nun aber wirklich mal im Überfluss für uns selbst und unser Spiegelbild anhäufen. Kostet nix, macht nicht dick, dafür aber schön! Denn wer sich selbst und das eigene Erscheinungsbild richtig gut findet, strahlt das auch schön aus. Oder wie Wolfgang Joop schlau befindet: „Individualität ist dabei das Plus, das einmalig macht.“<