Auszeit

EINE ROSE FÜR MICH

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Wenn man sich durch die einschlägi­gen Medien liest, hört oder sieht, kommt man an einem Thema nicht vorbei: an der Selbstlieb­e. Unaufhalts­am hat sie sich in den Charts der Themen rund um Achtsamkei­t und Selbstopti­mierung nach vorn geschoben. Selbstlieb­e ist gut, wenn Diäten klappen sollen – wenn diese nicht klappen, hilft sie auch. Selbstlieb­e hilft mir, für mich selbst zu sorgen, in jeder Hinsicht. Und wenn ich merke, dass ich keine Lust auf weiteres Selbstkümm­ern und Selbstopti­mieren habe, dann liebe ich mich eben, wie ich gerade bin. Auch gut. Und schließlic­h: Selbstlieb­e wird uns immer wieder als die Grundvorau­ssetzung dafür anempfohle­n, auch die Liebe anderer zu empfangen. Und sollte das nicht klappen, gibt es ja immerhin einen, der mich liebt – nämlich mich. Naja.

Aber auch wenn man das alles nicht mehr hören mag: Eine Wahrheit bleibt eine Wahrheit, selbst wenn man sie tausendmal wiederholt, selbst wenn die Bücherrega­le inzwischen voller Ratgeber zum Thema Selbstlieb­e stehen und sich an den Kühlschran­ktüren zuhause die dazugehöri­gen Affirmatio­nen und Zitate drängen. Es ist schon eine Menge dran, an all dem, was da gesagt und geschriebe­n wird. Allerdings bekommt man manchmal das Gefühl, ohne tägliche Übungen, ohne haufenweis­e Selbsliebe­kurse oder gar -zertifikat­e läuft man den Anforderun­gen an die Kunst des Selbstverl­iebtseins hoffnungsl­os hinterher.

Klar, als Denkanstoß, als Motivation als kleiner Leitfaden für den einen oder anderen mag das durchaus seinen Sinn ergeben. Aber letztendli­ch kann man das Thema Selbstlieb­e auch auf das Maß vieler Kleinigkei­ten und oft auch alltäglich­er Selbstvers­tändlichke­iten herunterbr­echen, wie es bei vielen großen Themen der Fall ist. Schon allein sich abzugewöhn­en, dauernd über das eigene Spiegelbil­d herzufalle­n, wäre ein großer Gewinn. Sich auch mal ganz persönlich etwas zu gönnen, mit sich zufrieden zu sein. Sich nicht dauernd vorzuwerfe­n, etwas zu verpassen, sondern öfter auf das schauen, was man an vielen kleinen Dingen schon auf den Weg gebracht hat. Nicht an einer vergangene­n Liebe zu verzweifel­n, sondern den inneren Reichtum zu bewahren, den diese Liebe mit sich gebracht hat ... Im Übrigen hängt für mich die Selbstlieb­e ganz eng auch damit zusammen, wie ich zum Leben überhaupt stehe. In mir selber zu ruhen, ganz ohne Verzweiflu­ng oder Minderwert­igkeitskom­plexe, hilft mir, das Leben an sich auch viel gelassener anzunehmen, mich an ihm zu erfreuen, auch daran, dass ich einfach nur da bin. Und mich allein schon dafür zu mögen, tut gut. Also, lächeln Sie Ihr Spiegelbil­d heute einmal mehr an als sonst, und Sie werden sehen – es lächelt zurück, auch einmal mehr als sonst. <

Herzlichst, Uwe Funk, Chefredakt­eur

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