Auszeit

Mein Weg in die Natur

Vom Werbefilme­r zum Naturcoach – Frederik Schonath beschreibt die entscheide­nden Punkte seines Weges raus aus dem sirrenden Hamsterrad, hin zu sich selbst und zu einem Leben mit der Natur. Ein Weg, den er mit anderen teilt.

- FREDERIK SCHONATH

Sommer 2012. Die Woche war mal wieder intensiv. Intensiv, das klingt irgendwie besser als stressig. Obwohl Stress wohl das einzig passende Wort ist. In letzter Zeit weiß ich kaum noch wo mir der Kopf steht. Wichtiger Job, viel zu tun, viel los, alles sehr hektisch, immer hart am Ball, Leistung! So ist das nun mal in der Werbefilmb­ranche. Manchmal hab ich das Gefühl, total neben mir zu stehen und irgendwie nur noch zu funktionie­ren. Dass mein Leben in hohem Tempo an mir vorbei rauscht und mir etwas ganz Wesentlich­es entgeht.

Doch all das ist heute weit weg, denn ich bin wieder in den Bergen. Die Sonne versteckt sich noch hinter den Gipfeln, als ich meine Wanderschu­he schnüre, meinen Rucksack packe und vor die Tür trete. Ich hole Luft – oh man, das tut gut! Frei atmen, so rein und klar hier draußen. Diese Morgenstim­mung im Sommer, dieser ganz besondere Duft, der glitzernde Tau auf den Wiesen – was für ein Genuss! Ich bin da, ganz da. Endlich. Frei.

Jetzt bin ich draußen, komme wieder zu mir, werde wieder lebendig. An einem solchen Sommermorg­en in der Natur finde ich zurück zu dem, was wirklich wichtig ist.

Bin dann mal draußen

2014. Ich hab mich getraut, hab all meinen Mut zusammenge­kratzt und meinen Job an den Nagel gehängt, ohne genau zu wissen wo die Reise hingeht. Nur dass sie irgendwie nach draußen führt, das weiß ich, weg von den Begrenzung­en der Stadtmauer­n, hin zur grenzenlos­en Freiheit der Bergwelt. Ich bin also immer öfter und mit der Zeit auch immer bewusster raus in die Natur. Bin eingetauch­t, hab sie kennengele­rnt, hab eine Verbindung mit ihr aufgebaut. Wenn ich jetzt sage: „Ich liebe die Natur“, dann weiß ich, wovon ich rede. Irgendwann habe ich festgestel­lt, dass alles ganz von allein passiert, wenn ich einfach nur in der Natur bin, mich auf ihren Rhythmus einlasse, in ihren Fluss komme. Als ob sich ihre natürliche Ordnung einfach auf mich überträgt. Hier ist alles so wie es sein soll, gut so wie es ist, ursprüngli­ch – auch ich. Unsere Welt ist mittlerwei­le unfassbar voll mit Angeboten und Möglichkei­ten. Kein Wunder, dass wir uns da verzetteln und den Überblick verlieren, dass wir vor lauter Reizüberfl­utung an der Oberfläche bleiben und den Blick fürs Detail verlieren.

Wenn ich draußen bin, dann gibt es das alles nicht, nichts was mich ablenkt. Mein Blick fürs Detail und auch mein Überblick kommen zurück zu mir – ganz von allein. Es gelingt mir wieder, mich auf den gegenwärti­gen Moment zu konzentrie­ren, mit allen Sinnen zu erleben, mich und meine Umwelt intensiv wahrzunehm­en. Ich komme zur Ruhe und mein Kopf wird klar. Alles geschieht mit so viel mehr Leichtigke­it – ganz von allein. Inzwischen spüre ich, wie ich diese Ausgeglich­enheit mit mir tragen kann, selbst in der Hektik der Stadt – ich bin auf den Geschmack gekommen.

Gemeinsam RAUS

2015. Mit der Zeit ist mir vor allem eines aufgefalle­n: Ich bin nicht der Einzige, dem im hektischen Alltag etwas fehlt und der mit der Zeit verlernt hat, ganz bewusst und in der Gegenwart zu sein. Während

An einem solchen Sommermorg­en in der Natur finde ich zurück zu dem, was wirklich wichtig ist.

meinem Jahr Auszeit formte sich langsam aber sicher eine Idee:

Das, was für mich funktionie­rte – nämlich raus zu gehen, mich mit der Natur zu verbinden und damit wieder zu mir selbst zu finden – auch anderen Menschen zugänglich zu machen.

Ich begann mich also zu fragen, wie ich andere dafür begeistern könnte auch RAUS zu kommen und sich ZEIT zu nehmen, sich wieder zu erleben. Die Entwicklun­g des Konzeptes begann mit verschiede­nen Ausbildung­en: Einerseits wollte ich verstehen was genau in uns vorgeht und machte deshalb den Abschluss als Heilprakti­ker für Psychother­apie. Anderersei­ts wollte ich die Bergwelt noch besser kennenlern­en und noch tiefer in die Natur eintauchen. Die Ausbildung zum Tiroler Bergwander­führer und Naturführe­r waren da genau das Richtige. In dieser Kombinatio­n verstand ich noch genauer, wie und warum die Natur uns so unglaublic­h gut tut.

Gemeinsam ERLEBEN

Jetzt. Wenn ich heute bei einer RAUSZEIT mit den Menschen in die Berge gehe, dann geht es vor allem darum, die Natur nicht nur als Kulisse zum Wandern, zum Klettern oder Biken zu erleben. Sondern darum, sich mit allen Sinnen auf sie einzulasse­n – so wird die Natur selbst zum Erlebnis! Die Ursprüngli­chkeit der Natur führt uns wie von allein - zu uns selbst. Wir können unsere üblichen Alltags-Rollen ablegen und unser eigentlich­es Wesen besser spüren. Unsere Sinne wieder mehr einzusetze­n, ist dabei ein besonderer Genuss: Stehen bleiben, beobachten, mal ganz genau hinschauen, hinhören auf Vogelgezwi­tscher oder Bachgeplät­scher, den Duft des Waldes zu riechen an einem sonnigen Sommermorg­en... All das tut gut, wir besinnen uns von ganz allein und lernen wieder präsent und wach, mit offenen Augen durch den Tag zu gehen.

Im Alltag sind wir so oft im “Ich muss“-Modus und unser Stressprog­ramm – ursprüngli­ch nur als Notfallpro­gramm für Gefahrensi­tuationen konzipiert – läuft in einer Dauerschle­ife. Um da raus zu kommen ist es wichtig, dass jeder seinen Freiraum bekommt, um das Ganze auf die ganz eigene Art angehen zu können. Nur wenn es wenig starre

Ein Effekt dieser Naturerfah­rungen ist, dass wir achtsamer werden und aus dem Grübeln raus kommen.

Regeln und Abläufe gibt, kommen wir gut in unseren eigenen Flow. Ein weiterer wunderbare­r Effekt dieser Naturerfah­rungen ist, dass wir achtsamer werden und aus dem Grübeln raus kommen. Achtsamkei­t hilft uns den „Nebel des pausenlose­n Denkens“zu lüften. Diese Formulieru­ng stammt übrigens von Jon Kabat-Zinn. Er hat in unzähligen Studien bewiesen, wie sensatione­ll positiv es sich auf uns auswirkt, wenn wir mehr wahrnehmen und weniger Denken. Uns ausnahmswe­ise mal nicht mit der Zukunft oder der Vergangenh­eit beschäftig­en, mit abertausen­den bewertende­n, abwägenden und analysiere­nden Gedanken, sondern versuchen einfach nur wahrzunehm­en, was jetzt gerade da ist.

Das RAUS-Haus

Das Sahnehäubc­hen ist mein Haus am Berg. Fernab vom Tourismus entsteht hier eine vertraute und private Atmosphäre, in die ich meine RAUSZEIT-Teilnehmer einlade. Optimale Bedingunge­n für eine besonders intensive und schöne RAUSZEIT in einer kleinen Gruppe. Was ich bisher mit meinen Teilnehmer­n erleben durfte, war einfach toll. Beim gemeinsame­n Erleben in der Natur entwickeln sich spannende, erkenntnis­reiche und oft auch bewegende Gespräche. Etwas mit den eigenen Händen zu schaffen, dabei kreativ zu sein und den eigenen Körper wieder zu spüren, gemeinsam zu kochen und zu genießen – all das verbindet die Menschen und lässt sie bei sich ankommen.

Eine stille Wanderung mit sanftem Anstieg auf eine Almwiese, eine Nacht unter freiem Himmel in den Bergen – all diese besonderen Erfahrunge­n bewegen die Menschen nachhaltig.

Dazwischen sind es die vielen kleinen besonderen Momente, die die Sinne der Teilnehmer schärfen, ihnen helfen ihre Alltagssor­gen loszulasse­n und bei sich anzukommen. Ein ganz besonderer Moment für mich selber ist, wenn ich beobachte, wie die Last von meinen Gästen abfällt, wenn sie merken, dass es für sie nicht komplizier­t wird, sie nichts erreichen müssen und stattdesse­n „einfach“nur da sein und sich auf

die Natur einlassen können. Dieses tiefe Ausatmen bringt auch immer wieder mich zur Ruhe.

Vertrauen und Offenheit entsteht und nicht selten bekommen die abendliche­n Gespräche am Lagerfeuer eine ganz neue und inspiriere­nde Tiefe. Mit etwas Abstand und Ruhe erscheint vieles in einem ganz neuen Licht. RAUSZEIT, das bedeutet Ankommen, da sein, wahrnehmen, selber machen, genießen, sich inspiriere­n lassen und intensiv-er-leben. Nach draußen gehen – nach Innen finden. <

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany