Auszeit

Lachen im Wandel der Zeit

Lachen ist eine natürliche Reaktion auf komische, erheiternd­e Situatione­n. Lachen wir, fühlen wir uns wohl und sind glücklich. Worüber gelacht wird, hat sich im Laufe der Jahrhunder­te jedoch gewandelt.

- THOMAS RIEGLER

Wann das erste Mal ein Mensch gelacht hat, ist nicht überliefer­t. Wir dürfen aber davon ausgehen, dass dies schon vor sehr langer Zeit war. Bereits in der Antike machten sich die Gelehrten Gedanken über das Lachen. Die alten Griechen waren der Überzeugun­g, dass das Lächeln von den Göttern stamme. Bei ihnen war ein feiner, höflichfre­undlicher Gesichtsau­sdruck gern gesehen. Lautes Gelächter galt jedoch als unbeherrsc­ht und wurde als tierisches Verhalten abgetan.

Die antiken Griechen übten sich in Zurückhalt­ung. In der Öffentlich­keit zu Lachen, galt als unedel. Der

Philosoph Platon (428-348 v. Chr.) hatte es sogar seinen Wächtern verboten. Spaßvögel gelten heute als talentiert­e Menschen. Zu jener Zeit wurden sie als bemitleide­nswerte Kreaturen betrachtet. Nicht alle antiken Philosophe­n teilten diese Meinung. So sieht etwa Aristotele­s, ein Schüler Platons, das Lachen als etwas Positives und erkennt es als eine körperlich­e Übung von größtem Wert für die Gesundheit.

Humor in der Antike

Heute wissen wir, dass die Antike keineswegs eine mürrische Zeit war. Man erachtete Witze sogar als so wichtig, dass man sie aufgeschri­eben und so der Nachwelt erhalten hat. Die Witzsammlu­ng Philogelos zeigt uns noch heute, worüber man im antiken Griechenla­nd und im alten Rom gelacht hat. Im alten Rom erfand man in den Saturnalie­n sogar einen Vorläufer des Karnevals. Sie wurden um die Wintersonn­enwende von allen Gesellscha­ftsschicht­en gemeinsam gefeiert und beinhaltet­en bereits viele Elemente, die wir auch noch heute von der fünften Jahreszeit kennen.

Ernstes Mittelalte­r

Lachen war im tiefen Mittelalte­r verpönt. Der Erzbischof von Konstantin­opel Johannes Chrysostom­us behauptete im 5. Jhdt. n. Chr., Jesus habe Zeit seines Lebens nie gelacht. Womit Lachen als unchristli­ch, ja sogar als ein Werk des Teufels, betrachtet wurde. Wer zu viel lachte, war mit dem Teufel im Bunde. Wen wundert es da, wenn eine der ersten Mönchsrege­ln besagte, dass das Lachen neben der Eitelkeit der zweite große Feind eines Mönchs ist? Dennoch waren unter Ordensleut­en erheiternd­e Frage- und Antwortspi­ele weit verbreitet. Womit auch ihnen das Lachen, wohl zuwider der Kirchenobr­igkeit, nicht fremd war. Allgemein wurde Lachen als etwas betrachtet, was nur dem niederen Volk, also Bauern und Betrunkene­n zu Eigen war. Aber auch Wandermönc­he sollen oft heitere Gesellen gewesen sein. Wohl, weil sie fern der Klostermau­ern unbeaufsic­htigt tun und lassen konnten, was sie wollten.

Beschädigt­e Gemüter

Im 12. Jahrhunder­t sah die universalg­elehrte Benediktin­erin Hildegard von Bingen lautes Lachen als einen Hinweis auf ein beschädigt­es Gemüt, des sie ihren Ursprung dem Sündenfall Adams und Evas zuschrieb. Aus ihrer Sicht war es der Teufel, der den Ausdruck der Freude zu einem rohen Gewieher verkommen ließ. Weiter war sie von der Schädlichk­eit des Lachens für die Gesundheit überzeugt. So

könne maßloses Gelächter die Milz verletzen und den Magen ermüden. Erst ab dem 11. Jahrhunder­t begann man, die Welt allmählich wieder fröhlicher zu sehen. Was man an Bildern ab dem 14. Jahrhunder­t sieht, die durchaus einen lachenden Jesus zeigen. Gleichzeit­ig änderte sich die Einstellun­g der Kirche zum Lachen, indem sie zwischen gutem und schlechtem Humor zu unterschei­den begann. Guter Humor durfte folglich nichts mit Glaube und Religion zu tun haben.

Anlässe zur Heiterkeit

Die humorfeind­liche Haltung der katholisch­en Kirche wurde erst 1965 aufgegeben. Womit erst den Päpsten der letzten 50 Jahren Humor nachgesagt wird und werden darf. Reste der mittelalte­rlichen Betrachtun­g haben sich bis in unsere Gegenwart gehalten. Etwa, indem man nach wie vor nicht in Kirchen zu lachen hat. Den Witz, so wie wir ihn heute kennen, war im Mittelalte­r übrigens noch unbekannt. Vielmehr lachte man über sich zufällig ergebende Situations­komik. Für Anlass zur Heiterkeit sorgte etwa, wenn einem Priester während der Fastenzeit der Magen knurrte.

Der Name der Rose

Umberto Ecos Roman von 1980 „Der Name der Rose“, beschreibt, wie sehr man das Lachen im tiefen Mittelalte­r seitens der Kirche fürchtete. In einer Benediktin­erabtei bewahrte ein blinder Mönch das womöglich letzte noch erhaltene Exemplar des fiktiven „Zweiten Buchs der Poetik“des griechisch­en Philosophe­n Aristotele­s auf. Dieser behandelte in ihm die Komödie und die positive Einstellun­g zur Heiterkeit. Dies wurde von dem Mönch als derart gefährlich eingestuft, dass er jede Seite dieses Buchs mit tödlichem Gift versah. Zuletzt steckte er die Bibliothek, in der das Buch versteckt war, in Brand.

Worüber man lachte

Worüber man lachte, änderte sich im Laufe der Zeit. Bis in die Neuzeit waren es meist derbe Späße, die in den unteren Gesellscha­ftsschicht­en für Heiterkeit

Im 12. Jahrhunder­t sah Hildegard von Bingen lautes Lachen als einen Hinweis auf ein beschädigt­es Gemüt.

sorgten. Aber selbst der Adel schätzte durchaus rohe Belustigun­gen. Opfer waren üblicherwe­ise benachteil­igte Gesellscha­ftsgruppen. Im Spätmittel­alter und der Renaissanc­e sah man als Objekte der Belustigun­g meist Behinderte und blinde Menschen. Eine aus heutiger Sicht barbarisch­e Belustigun­g jener Zeit war das Schweinest­echen. Dazu wurden mehrere Blinde, ausgestatt­et mit rostigen Harnischen und Knüppeln gemeinsam mit einem Schwein eingesperr­t. Aufgabe der Blinden war, das Schwein zu erlegen. Da sie es aber nur schwer orten konnten, schlugen sie sich unter dem Gelächter der Zuschauer gegenseiti­g.

Lachen war gefährlich

Wer in der grauen Vergangenh­eit lachte oder dafür sorgte, lebte durchaus gefährlich. Scherze, die die Kirche und ihre Vertreter auf Erden zum Inhalt hatten, galten als tabu. Ebenso durften keine Witze über Adelige, Fürsten und allgemein hochgestel­lte Personen gemacht werden. Sie fühlten sich ausgelacht, beleidigt und in ihrer Autorität untergrabe­n. Das sollte nicht sein, das durfte nicht sein. Also wusste man, derlei Scherzbold­e entspreche­nd hart bis drakonisch zu bestrafen. Nur Hofnarren konnten es sich meist erlauben, über alles und jeden Witze zu reißen.

Spaßmacher von Beruf

Die Hofnarren sorgten im Mittelalte­r und der frühen Neuzeit für die Unterhaltu­ng an Fürsten- und Herscherhö­fen. Man erkannte sie an ihren bunten, oft mit Glöckchen versehenen Gewändern und sie waren fester Bestandtei­l des Hofstaates. Ursprüngli­ch war es nicht ihre Aufgabe, ihre Herren zu belustigen, sondern ihn daran zu erinnern, dass auch er der Sünde des Lachens verfallen könne. Hofnarren hatten Narrenfrei­heit. Sie erlaubte es ihnen, ungestraft Kritik,

Scherze, die die Kirche und ihre Vertreter auf Erden zum Inhalt hatten, galten als tabu. Ebenso Witze über Adlige, Fürsten und Hochgestel­lte.

sowohl an ihren Herrn, als auch an den herrschend­en Verhältnis­sen zu üben oder diese zu parodieren. Hofnarren waren alles andere als geachtete Menschen. Man sah in ihnen negative Gestalten, die man am unteren Ende der gesellscha­ftlichen Rangordnun­g, gemeinsam mit Blinden, Räubern und sonstigen zwielichti­gen Gestalten sah. Hofnarren betrachtet­e man zudem als gottlos mit einem Naheverält­nis zum Teufel. Weiter wurden sie mit der Vergänglic­hkeit und dem Tod in Verbindung gebracht.

Im Wandel der Zeit

Wie viel während der einzelnen Epochen seit dem Mittelalte­r gelacht werden durfte, wurde auch von den gesellscha­ftlichen und politische­n Verhältnis­sen beeinfluss­t. Während stabiler Zeiten mit gemäßigten Regierunge­n durfte über mehr gelacht werden, als während schwierige­r Perioden. Dies gilt nicht nur für die Jahrhunder­te seit dem Mittelalte­r, sondern zieht sich weiterhin fort, bis in die jüngere Vergangenh­eit. Gerade in der heutigen Zeit durchleben wir erneut eine Phase, in der wir wieder mehr aufpassen müssen, über wen und worüber wir denn lachen. Dank der modernen Kommunikat­ionsmittel werden unsere Scherze in die ganze Welt hinaus getragen und erreichen damit auch Gesellscha­ftsgruppen, die unsere Witze ganz und gar nicht amüsant finden. Immer wieder fassen sie sie als Beleidigun­g auf und glauben, sich zur Wehr setzen zu müssen. Das mag wohl nur ein Zeichen dafür sein, dass nicht alle Kulturen gegenüber anderen gleicherma­ßen tolerant sind.

Meister des Humors

Jede Epoche hatte ihre Meister des Humors. Viele von ihnen waren nicht nur Spaßvögel, sondern verstanden es auch, mit viel Fingerspit­zengefühl dem Alltäglich­em eine humoristis­che Note zu verleihen. Womit sie stets ein Spiegel ihrer Zeit waren. Darin liegt aber auch der Grund, weshalb viele Humoristen schon sehr bald wieder vergessen wurden. Ihre Witze wirken heute oft nicht mehr, weil uns die darin geschilder­ten Umstände und Personen, und somit ihre Eigenheite­n, nicht mehr bekannt sind. Dennoch sind es die Meister des Humors vergangene­r Zeiten wert, sich ihrer zu erinnern. Wie etwa an Karl Valentin und Liesl Karlstatt, Loriot, Heinz Erhardt, Herricht & Preil, Hans Moser, Maxi Böhm,…Wenn wir wollen, können wir auch heute noch ihre Witze verstehen und uns über sie krumm lachen.

Gerade in der heutigen Zeit durchleben wir erneut eine Phase, in der wir wieder mehr aufpassen müssen, über wen und worüber wir denn lachen

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