Lachen im Wandel der Zeit
Lachen ist eine natürliche Reaktion auf komische, erheiternde Situationen. Lachen wir, fühlen wir uns wohl und sind glücklich. Worüber gelacht wird, hat sich im Laufe der Jahrhunderte jedoch gewandelt.
Wann das erste Mal ein Mensch gelacht hat, ist nicht überliefert. Wir dürfen aber davon ausgehen, dass dies schon vor sehr langer Zeit war. Bereits in der Antike machten sich die Gelehrten Gedanken über das Lachen. Die alten Griechen waren der Überzeugung, dass das Lächeln von den Göttern stamme. Bei ihnen war ein feiner, höflichfreundlicher Gesichtsausdruck gern gesehen. Lautes Gelächter galt jedoch als unbeherrscht und wurde als tierisches Verhalten abgetan.
Die antiken Griechen übten sich in Zurückhaltung. In der Öffentlichkeit zu Lachen, galt als unedel. Der
Philosoph Platon (428-348 v. Chr.) hatte es sogar seinen Wächtern verboten. Spaßvögel gelten heute als talentierte Menschen. Zu jener Zeit wurden sie als bemitleidenswerte Kreaturen betrachtet. Nicht alle antiken Philosophen teilten diese Meinung. So sieht etwa Aristoteles, ein Schüler Platons, das Lachen als etwas Positives und erkennt es als eine körperliche Übung von größtem Wert für die Gesundheit.
Humor in der Antike
Heute wissen wir, dass die Antike keineswegs eine mürrische Zeit war. Man erachtete Witze sogar als so wichtig, dass man sie aufgeschrieben und so der Nachwelt erhalten hat. Die Witzsammlung Philogelos zeigt uns noch heute, worüber man im antiken Griechenland und im alten Rom gelacht hat. Im alten Rom erfand man in den Saturnalien sogar einen Vorläufer des Karnevals. Sie wurden um die Wintersonnenwende von allen Gesellschaftsschichten gemeinsam gefeiert und beinhalteten bereits viele Elemente, die wir auch noch heute von der fünften Jahreszeit kennen.
Ernstes Mittelalter
Lachen war im tiefen Mittelalter verpönt. Der Erzbischof von Konstantinopel Johannes Chrysostomus behauptete im 5. Jhdt. n. Chr., Jesus habe Zeit seines Lebens nie gelacht. Womit Lachen als unchristlich, ja sogar als ein Werk des Teufels, betrachtet wurde. Wer zu viel lachte, war mit dem Teufel im Bunde. Wen wundert es da, wenn eine der ersten Mönchsregeln besagte, dass das Lachen neben der Eitelkeit der zweite große Feind eines Mönchs ist? Dennoch waren unter Ordensleuten erheiternde Frage- und Antwortspiele weit verbreitet. Womit auch ihnen das Lachen, wohl zuwider der Kirchenobrigkeit, nicht fremd war. Allgemein wurde Lachen als etwas betrachtet, was nur dem niederen Volk, also Bauern und Betrunkenen zu Eigen war. Aber auch Wandermönche sollen oft heitere Gesellen gewesen sein. Wohl, weil sie fern der Klostermauern unbeaufsichtigt tun und lassen konnten, was sie wollten.
Beschädigte Gemüter
Im 12. Jahrhundert sah die universalgelehrte Benediktinerin Hildegard von Bingen lautes Lachen als einen Hinweis auf ein beschädigtes Gemüt, des sie ihren Ursprung dem Sündenfall Adams und Evas zuschrieb. Aus ihrer Sicht war es der Teufel, der den Ausdruck der Freude zu einem rohen Gewieher verkommen ließ. Weiter war sie von der Schädlichkeit des Lachens für die Gesundheit überzeugt. So
könne maßloses Gelächter die Milz verletzen und den Magen ermüden. Erst ab dem 11. Jahrhundert begann man, die Welt allmählich wieder fröhlicher zu sehen. Was man an Bildern ab dem 14. Jahrhundert sieht, die durchaus einen lachenden Jesus zeigen. Gleichzeitig änderte sich die Einstellung der Kirche zum Lachen, indem sie zwischen gutem und schlechtem Humor zu unterscheiden begann. Guter Humor durfte folglich nichts mit Glaube und Religion zu tun haben.
Anlässe zur Heiterkeit
Die humorfeindliche Haltung der katholischen Kirche wurde erst 1965 aufgegeben. Womit erst den Päpsten der letzten 50 Jahren Humor nachgesagt wird und werden darf. Reste der mittelalterlichen Betrachtung haben sich bis in unsere Gegenwart gehalten. Etwa, indem man nach wie vor nicht in Kirchen zu lachen hat. Den Witz, so wie wir ihn heute kennen, war im Mittelalter übrigens noch unbekannt. Vielmehr lachte man über sich zufällig ergebende Situationskomik. Für Anlass zur Heiterkeit sorgte etwa, wenn einem Priester während der Fastenzeit der Magen knurrte.
Der Name der Rose
Umberto Ecos Roman von 1980 „Der Name der Rose“, beschreibt, wie sehr man das Lachen im tiefen Mittelalter seitens der Kirche fürchtete. In einer Benediktinerabtei bewahrte ein blinder Mönch das womöglich letzte noch erhaltene Exemplar des fiktiven „Zweiten Buchs der Poetik“des griechischen Philosophen Aristoteles auf. Dieser behandelte in ihm die Komödie und die positive Einstellung zur Heiterkeit. Dies wurde von dem Mönch als derart gefährlich eingestuft, dass er jede Seite dieses Buchs mit tödlichem Gift versah. Zuletzt steckte er die Bibliothek, in der das Buch versteckt war, in Brand.
Worüber man lachte
Worüber man lachte, änderte sich im Laufe der Zeit. Bis in die Neuzeit waren es meist derbe Späße, die in den unteren Gesellschaftsschichten für Heiterkeit
Im 12. Jahrhundert sah Hildegard von Bingen lautes Lachen als einen Hinweis auf ein beschädigtes Gemüt.
sorgten. Aber selbst der Adel schätzte durchaus rohe Belustigungen. Opfer waren üblicherweise benachteiligte Gesellschaftsgruppen. Im Spätmittelalter und der Renaissance sah man als Objekte der Belustigung meist Behinderte und blinde Menschen. Eine aus heutiger Sicht barbarische Belustigung jener Zeit war das Schweinestechen. Dazu wurden mehrere Blinde, ausgestattet mit rostigen Harnischen und Knüppeln gemeinsam mit einem Schwein eingesperrt. Aufgabe der Blinden war, das Schwein zu erlegen. Da sie es aber nur schwer orten konnten, schlugen sie sich unter dem Gelächter der Zuschauer gegenseitig.
Lachen war gefährlich
Wer in der grauen Vergangenheit lachte oder dafür sorgte, lebte durchaus gefährlich. Scherze, die die Kirche und ihre Vertreter auf Erden zum Inhalt hatten, galten als tabu. Ebenso durften keine Witze über Adelige, Fürsten und allgemein hochgestellte Personen gemacht werden. Sie fühlten sich ausgelacht, beleidigt und in ihrer Autorität untergraben. Das sollte nicht sein, das durfte nicht sein. Also wusste man, derlei Scherzbolde entsprechend hart bis drakonisch zu bestrafen. Nur Hofnarren konnten es sich meist erlauben, über alles und jeden Witze zu reißen.
Spaßmacher von Beruf
Die Hofnarren sorgten im Mittelalter und der frühen Neuzeit für die Unterhaltung an Fürsten- und Herscherhöfen. Man erkannte sie an ihren bunten, oft mit Glöckchen versehenen Gewändern und sie waren fester Bestandteil des Hofstaates. Ursprünglich war es nicht ihre Aufgabe, ihre Herren zu belustigen, sondern ihn daran zu erinnern, dass auch er der Sünde des Lachens verfallen könne. Hofnarren hatten Narrenfreiheit. Sie erlaubte es ihnen, ungestraft Kritik,
Scherze, die die Kirche und ihre Vertreter auf Erden zum Inhalt hatten, galten als tabu. Ebenso Witze über Adlige, Fürsten und Hochgestellte.
sowohl an ihren Herrn, als auch an den herrschenden Verhältnissen zu üben oder diese zu parodieren. Hofnarren waren alles andere als geachtete Menschen. Man sah in ihnen negative Gestalten, die man am unteren Ende der gesellschaftlichen Rangordnung, gemeinsam mit Blinden, Räubern und sonstigen zwielichtigen Gestalten sah. Hofnarren betrachtete man zudem als gottlos mit einem Naheverältnis zum Teufel. Weiter wurden sie mit der Vergänglichkeit und dem Tod in Verbindung gebracht.
Im Wandel der Zeit
Wie viel während der einzelnen Epochen seit dem Mittelalter gelacht werden durfte, wurde auch von den gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen beeinflusst. Während stabiler Zeiten mit gemäßigten Regierungen durfte über mehr gelacht werden, als während schwieriger Perioden. Dies gilt nicht nur für die Jahrhunderte seit dem Mittelalter, sondern zieht sich weiterhin fort, bis in die jüngere Vergangenheit. Gerade in der heutigen Zeit durchleben wir erneut eine Phase, in der wir wieder mehr aufpassen müssen, über wen und worüber wir denn lachen. Dank der modernen Kommunikationsmittel werden unsere Scherze in die ganze Welt hinaus getragen und erreichen damit auch Gesellschaftsgruppen, die unsere Witze ganz und gar nicht amüsant finden. Immer wieder fassen sie sie als Beleidigung auf und glauben, sich zur Wehr setzen zu müssen. Das mag wohl nur ein Zeichen dafür sein, dass nicht alle Kulturen gegenüber anderen gleichermaßen tolerant sind.
Meister des Humors
Jede Epoche hatte ihre Meister des Humors. Viele von ihnen waren nicht nur Spaßvögel, sondern verstanden es auch, mit viel Fingerspitzengefühl dem Alltäglichem eine humoristische Note zu verleihen. Womit sie stets ein Spiegel ihrer Zeit waren. Darin liegt aber auch der Grund, weshalb viele Humoristen schon sehr bald wieder vergessen wurden. Ihre Witze wirken heute oft nicht mehr, weil uns die darin geschilderten Umstände und Personen, und somit ihre Eigenheiten, nicht mehr bekannt sind. Dennoch sind es die Meister des Humors vergangener Zeiten wert, sich ihrer zu erinnern. Wie etwa an Karl Valentin und Liesl Karlstatt, Loriot, Heinz Erhardt, Herricht & Preil, Hans Moser, Maxi Böhm,…Wenn wir wollen, können wir auch heute noch ihre Witze verstehen und uns über sie krumm lachen.
Gerade in der heutigen Zeit durchleben wir erneut eine Phase, in der wir wieder mehr aufpassen müssen, über wen und worüber wir denn lachen