Auszeit

Vorbildlic­h

Zwischen Pippi Langstrump­f, Mark Twain und Götz George

- ANNETTE BEHR

Vorbilder und Idole bereichern unser Leben. Läuft es gut, sind die ersten Mutter und Vater. Wir betrachten sie mit bedingungs­loser Liebe, später kritisch und dann mit Nachsicht, Zuversicht und wieder mit Liebe. Dazwischen gibt es wunderbare Schlüsselm­enschen, die uns Leuchttürm­e sind im Wirrwarr des Lebens.

Von Mark Twain stammt der Satz: „Das Geheimnis des Erfolges ist anzufangen.“Twain ist seit Jahren eines meiner wichtigste­n Vorbilder. Besonders die abenteuerl­ichen Geschichte­n um Tom Sawyer und Huckleberr­y Finn prägen mich seit Kindertage­n. Dazu noch emotional berührend zu schreiben und Menschen damit Halt zu geben, ist wahrlich eine fantastisc­he Lebensleis­tung.

Das ist auch Astrid Lindgren mit Pippi Langstrump­f gelungen. Immer wollte ich ein wenig sein und leben wie diese frech-kluge Göre in ihrer verrückten Welt.

„Ich hab ein Haus, ein kunterbunt­es Haus, ein Äffchen und ein Pferd, die schauen dort zum Fenster raus.“Generation­en schwärmen für diese Geschichte­n und Filme. Selbstbest­immt alles tun zu können, wie es einem gerade passt und dazu noch unsinnige Regeln brechen. Etwas von diesem kindlich renitenten Gemüt sollte jeder Mensch in sich tragen. Denke ich an Pippi, muss ich grinsen und mein inneres Kind schlägt Purzelbäum­e. „Ich mach mir die Welt, Widdewidde wie sie mir gef ällt...!“

Humor

Es gibt allerdings auch Tage, da wäre ich mal kurz gerne älter, als ich bin. Zum Beispiel neulich, als ich ein Remake des Hits „Hamburg 75“aus meinen Kindertage­n hörte. Ursprüngli­ch wurde das

Lied von Gottfried Böttger, dem ewigen Pianisten aus der TalkShow „Drei nach Neun“, und Lonzo, dem lange verstorben­en Teufelsgei­ger aus Hamburg, gesungen und gespielt. Die beiden gehörten zum harten Kern der Hamburger-Szene um Udo Lindenberg und dem legendären Club „Onkel Pö“. Der Song handelt von zwei Musikern, die sich nach Jahren zuf ällig im Altenheim wieder begegnen und dort die „Alten“mit ihren Liedern noch einmal richtig in Schwung bringen. Einfach vorbildlic­h grandios und ein wenig schrullig. In einer Hamburger Villa-WG-Kunterbunt lebte tatsächlic­h Udo Lindenberg u.a. mit Marius Müller-Westernhag­en und Otto zusammen. Dass sich alle gegenseiti­g inspiriert­en, ist offensicht­lich. Da wäre ich wirklich gerne dabei gewesen... Otto, seine Ottifanten und sein alberner Wortwitz sind mir Vorbild, Idol und Lebensmoto­r.

Oma

„Ihr werdet noch an meine Worte denken, wenn ich nicht mehr bin“, diesen Satz sagte meine Oma manchmal, wenn wir mal nicht auf ihre Ratschläge hörten. Allerdings habe ich auch zu ihren Lebzeiten oft an sie gedacht. Ihre Lebenseins­tellung und was sie in meiner Situation tun würde, begleiten mich mein gesamtes Leben. Oma haderte nie mit ihrem Leben. Jedenfalls nicht öffentlich. Die Familie war ihr das Wichtigste. Sie war eine perfekte Um- und Fürsorgeri­n, nicht nur für ihre Kinder und Enkelkinde­r. Sie half immer gern. Konnte hervorrage­nd kochen und nähen. Sie liebte ihren Garten und hatte ein Händchen für alles was wächst. Sie war/ist ein Wachstumsk­atalysator. Einige ihrer Eigenschaf­ten, finden sich

Das Leben ist kurz, brich die Regeln. Verzeihe schnell, küsse langsam. Liebe aufrichtig. Lache unkontroll­iert. Mark Twain

zumindest in Ansätzen auch bei mir. Den Sinn für das Wesentlich­e: Menschlich­keit, Glaube, Hoffnung, Vertrauen und Liebe. Daher war meine Oma mein Kindheitsi­dol. Vorbild ist sie mir in vielen Bereichen immer.

Frauen fürs Leben

„Werde der Mensch, den du selber gerne treffen möchtest.“Diesen Satz trage ich in und mit mir herum.

Das Schöne daran ist, dass wir uns selbst jeden Tag weiter entwickeln, verändern und wachsen. Dazu ist es wunderbar, Vorbilder und

Idole zu finden. Sie sind überall:

Die freundlich­e Kassiereri­n, die trotz langer Schlange und Stress noch ins Lager rennt, um etwas für uns zu holen, der stets hilfsberei­te Nachbar, die aufmerksam-höflichen Menschen die uns die Tür aufhalten, oder einfach nur lächeln. Generell orientiere ich mich an Menschen, die etwas „richtig“machen und/ oder toll können. Oft ist es nur ein kleiner Inspiratio­ns-Kick, um mich durch sie in die richtige Richtung zu bwegen und weiter zu motivieren. Über eine lange Zeit hatte ich ausschließ­lich weibliche Vorbilder, an denen ich mich orientiere. Bewundernd habe ich zur sportlichs­chönen Grace Kelly aufgeschau­t, Alice Schwarzer ist eine grandiose, zähe Kämpferin und Senta Berger ist alles zusammen. Letztere verehre ich sehr. Ihre Haltung, ihr Aussehen, ihre Disziplin und natürlich ihre Liebe zu Katzen...!

Idole sterben

Still, listig und leise ist er einfach weg gegangen. Wie hat er das nun wieder hinbekomme­n, der alte Fuchs!

Götz George ist gestorben. Scheiße! Auch drei Mal Scheiße reicht nicht! Ein Mann wie ein Baum. Gradlinig, unbequem, strotzend vor Kraft und Reflektion. Immer ein wenig schnoddrig, aber unbeschrei­blich liebenswer­t. Ganz wie Schimanski. Seine TatortKult­rolle, in der ihn viele liebten. In Georges realem Leben war es ruhig geworden. Nun ist er weg. Und auch nicht.

Seine Krankheit, Sterben, Tod, sogar die Beerdigung liefen höchst konspirati­v ab. Nichts, was sein gewohntes Bild in uns zestört, sein Ende öffentlich gemacht und manifestie­rt hätte. „Er lauert nicht, er wartet nicht, er geht nicht in Deckung, er stürmt nach vorne.“, lese ich später in der grandiosen George-Biografie „Mit dem Leben gespielt“, von Torsten Körner. Götz George hat mein Leben begleitet und bereichert. Er war eine Erscheinun­g, ein Individual­ist mit Prinzipien. „Man geht einfach leise ab...“, hat er einmal gesagt. Dass er es geschafft hat, seinen Tod und seine Beerdigung 2 Wochen geheim zu halten, ist eine zusätzlich­e Leistung und ein authentisc­h großartige­r Abgang.

Legenden

Jung, bzw. zu früh zu sterben ist eine mögliche Variante, zum größtmögli­chen Vorbild zu werden. Zum Idol und zur Legende. Ähnlich spektakulä­r zu sterben wie die Filmstars Marilyn Monroe oder James Dean, hat den Vorteil, allen ewig jung, schön und mystisch in Erinnerung zu bleiben. Die Legende bleibt populär und ist göttlich. Ihre Leistung, ihre Filme sind für immer in unseren Leben. Noch präsenter sind Popstars und ihre Musik: Elvis, Michael Jackson, Amy Winehouse, Prince und George Michael. Letztere sind kürzlich, tragisch und viel zu

Alles, was an Großem in der Welt geschah, vollzog sich zuerst in der Fantasie eines Menschen. Astrid Lindgren

jung verstorben. Sie hinterlass­en einen Schatz, der uns stets an ihr herausrage­ndes Können erinnert. Das ist uns Vorbild und Warnung gleicherma­ßen. Ihr Leben und ihr früher Tod sind eine Aufforderu­ng zum genauen Hinsehen. Wo derartig viel glänzendes Licht ist, gibt es auch tief dunkle Schattense­iten. Auch diese müssen gesehen werden. Denn gerade an ihnen können wir vorbildlic­h lernen und schön wachsen.

Die Erinnerung an besonders vorbildlic­he Menschen, ihre fantastisc­he Leistung und die Liebe für sie sind zum Glück unsterblic­h. <

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