SICH EINFACH FALLEN LASSEN
Als wir in der Redaktion überlegt haben, welches Bildmotiv für das Thema „Vertrauen“am ehesten zutrifft, hat es viele Vorschläge gegeben. Hände, die man sich reicht oder die den Partner auffangen, Frauen, die mutige Schritte über eine schmale Brücke gehen oder einen Kletterparcour absolvieren und vieles mehr. Ich persönlich halte das entspannte Schließen der Augen für eines der stärksten Bilder. Es steht demonstrativ für das Aufgeben von Kontrolle – was ich nicht sehe, kann ich nicht kontrollieren. Aber eigentlich reicht es nicht, nur die Augen zu schließen. Auch ganz tief drin, in Kopf und Herz, muss ich loslassen können, mich quasi voller Vertrauen einfach fallen lassen. Denn es nutzt ja nichts, um beim Bild zu bleiben, wenn ich die Augen fest schließe, aber misstrauisch auf jedes Geräusch höre und versuche, es einzuordnen. Es zeugt nicht unbedingt von großem Vertrauen, wenn ich mit geschlossenen Augen ganz unruhig werde und am liebsten meinen Kontrollblick schweifen lassen würde. Oder wenn ich die Hände vor die Augen halte, „Ich sehe auch gar nicht hin!“, und dann doch heimlich zwischen den Fingern hindurch blinzle. Kennen Sie noch den alten Spruch „Augen zu, Mund auf“? Das Spiel haben die meisten von uns sicher oft praktiziert, um von den
Kindern veralbert zu werden oder ihnen umgekehrt als Rache den Spinat zum Apfelmus zu erklären.
Auch das war eine Sache des Vertrauens, bei allem
Spaß. Es wäre eine interessante Frage, ob wir dieses Vertrauen in den Zeiten des Dschungelcamps noch aufbringen würden, Augen zu, Mund auf ... Überhaupt, tief in uns wabern meist doch unerfüllte To-DoListen und die Ängste, ob alles schaffbar ist, ob es gut wird, ob es „funktioniert“. Ängste davor, dass etwas Ungeplantes passiert, dass wir versagen, zu langsam sind, zu unaufmerksam. Und mit geschlossenen Augen werden diese Ängste oft noch größer. Da ist mehr nötig, als nur die Augen zu schließen. Es ist wichtig, unseren Ur-Ängsten das Ur-Vertrauen zur Seite oder entgegenzustellen. Egal, ob man dieses Urvertrauen ganz tief in sich selbst verankert oder es aus einem universellen „Etwas“um sich herum schöpft, dieses grundlegende Vertrauen muss da sein, um zur Ruhe zu kommen, um loslassen zu können. Solche Sprüche wie
„Was passiert ist, ist passiert - wer weiß, wozu das gut ist“werden oft belächelt, aber in ihnen steckt viel Wahrheit. Vieles gelassener anzunehmen, bedeutet ja nicht gleich, dass einem alles egal sein muss. Das wahre Leben spielt sich hier wie immer zwischen den Extremen ab, das richtige Maß ist wichtig. Und dann klappt es auch mit dem Augenschließen ohne blinzeln zu wollen. Mit dem Fallenlassen ohne Angst zu haben, dass irgendwer was Spitzes in den Weg gelegt hat. In diesem Sinne: Mund auf und Augen zu! <