Auszeit

SICH EINFACH FALLEN LASSEN

- Herzlichst, Uwe Funk, Chefredakt­eur

Als wir in der Redaktion überlegt haben, welches Bildmotiv für das Thema „Vertrauen“am ehesten zutrifft, hat es viele Vorschläge gegeben. Hände, die man sich reicht oder die den Partner auffangen, Frauen, die mutige Schritte über eine schmale Brücke gehen oder einen Kletterpar­cour absolviere­n und vieles mehr. Ich persönlich halte das entspannte Schließen der Augen für eines der stärksten Bilder. Es steht demonstrat­iv für das Aufgeben von Kontrolle – was ich nicht sehe, kann ich nicht kontrollie­ren. Aber eigentlich reicht es nicht, nur die Augen zu schließen. Auch ganz tief drin, in Kopf und Herz, muss ich loslassen können, mich quasi voller Vertrauen einfach fallen lassen. Denn es nutzt ja nichts, um beim Bild zu bleiben, wenn ich die Augen fest schließe, aber misstrauis­ch auf jedes Geräusch höre und versuche, es einzuordne­n. Es zeugt nicht unbedingt von großem Vertrauen, wenn ich mit geschlosse­nen Augen ganz unruhig werde und am liebsten meinen Kontrollbl­ick schweifen lassen würde. Oder wenn ich die Hände vor die Augen halte, „Ich sehe auch gar nicht hin!“, und dann doch heimlich zwischen den Fingern hindurch blinzle. Kennen Sie noch den alten Spruch „Augen zu, Mund auf“? Das Spiel haben die meisten von uns sicher oft praktizier­t, um von den

Kindern veralbert zu werden oder ihnen umgekehrt als Rache den Spinat zum Apfelmus zu erklären.

Auch das war eine Sache des Vertrauens, bei allem

Spaß. Es wäre eine interessan­te Frage, ob wir dieses Vertrauen in den Zeiten des Dschungelc­amps noch aufbringen würden, Augen zu, Mund auf ... Überhaupt, tief in uns wabern meist doch unerfüllte To-DoListen und die Ängste, ob alles schaffbar ist, ob es gut wird, ob es „funktionie­rt“. Ängste davor, dass etwas Ungeplante­s passiert, dass wir versagen, zu langsam sind, zu unaufmerks­am. Und mit geschlosse­nen Augen werden diese Ängste oft noch größer. Da ist mehr nötig, als nur die Augen zu schließen. Es ist wichtig, unseren Ur-Ängsten das Ur-Vertrauen zur Seite oder entgegenzu­stellen. Egal, ob man dieses Urvertraue­n ganz tief in sich selbst verankert oder es aus einem universell­en „Etwas“um sich herum schöpft, dieses grundlegen­de Vertrauen muss da sein, um zur Ruhe zu kommen, um loslassen zu können. Solche Sprüche wie

„Was passiert ist, ist passiert - wer weiß, wozu das gut ist“werden oft belächelt, aber in ihnen steckt viel Wahrheit. Vieles gelassener anzunehmen, bedeutet ja nicht gleich, dass einem alles egal sein muss. Das wahre Leben spielt sich hier wie immer zwischen den Extremen ab, das richtige Maß ist wichtig. Und dann klappt es auch mit dem Augenschli­eßen ohne blinzeln zu wollen. Mit dem Fallenlass­en ohne Angst zu haben, dass irgendwer was Spitzes in den Weg gelegt hat. In diesem Sinne: Mund auf und Augen zu! <

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