Auszeit

| Loslassen

Seitdem ich mich zurückerin­nern kann, trägt mich etwas durch dieses Leben. Dieses Etwas trägt aber nicht nur mich. Es trägt jeden von uns. Es ist fast nicht möglich, Worte dafür zu finden, weil es viel größer ist und es sich nicht durch Worte begrenzen lä

- NINA BAUER

Vertrauen in Gott, die Welt und mich selbst # Die Kunst, Kontrolle abzugeben

Manchmal zeigt es sich, wird manifestie­rt, aber nur für diejenigen, die wirklich hinschauen. Für den einen ist es purer Zufall, für einen anderen Magie und wieder andere nennen es Fügung. Für mich ist es das Letztere. Ich habe schon immer das Gefühl, dass sich alles in meinem Leben zur rechten Zeit fügt. Sogar, wenn es nicht danach aussieht.

Es ist ein tiefes Urvertraue­n, das irgendwo in mir angelegt ist. Ich glaube nicht, dass eines Tages jemand den Anschaltkn­opf gedrückt hat. Ich denke, es war schon immer da und wir werden mit diesem Urvertraue­n geboren.

Gottvertra­uen

Ich hatte das Glück, in einer wundervoll­en Familie aufzuwachs­en. Es hat mir nie an irgendetwa­s gefehlt – dachte ich zumindest. Doch auch ich wurde natürlich von ungeprüfte­n Glaubenssä­tzen geformt. Die Kirche war ein wichtiges Sonntagsri­tual und auch sonst engagierte sich meine Familie viel für die Kirchengem­einde. Ich erinnere mich noch ganz genau, als ich in der Kirchenban­k saß und wie immer versuchte, der Predigt des Pfarrers krampfhaft zu folgen. Das fiel mir verdammt schwer. Ich konnte nicht verstehen, warum die Menschen hier her kamen, um Gott näher zu sein?! Und wer oder was war Gott überhaupt? Die Antworten der Kirche reichten mir nie. Für mich war Gott keine Person, die nur gut zu einem war, wenn man sich jeden Sonntag in der Kirche zeigte. Es war eine Energie, die überall war. Ich konnte gar nicht anders als dieser Energie nicht vertrauen. Für mich war diese Energie, dieses Etwas, das, was uns durchs Leben trägt.

Je älter ich wurde, desto mehr drängte sich mein Verstand/Ego in den Vordergrun­d. Es ging um extrem viel wichtigere Dinge als sich über Gott, Energien oder Vertrauen den Kopf zu zerbrechen. Doch mit dem steigernde­n Verstandes­denken machte sich dafür immer öfter die Angst breit.

Die Angst zeigt sich

Ich war noch sehr jung, etwa 20, als ich in ein Flugzeug stieg, um nach einem Partywoche­nende wieder nach Hause zu fliegen. Neben mir setzte sich ein kleiner Junge mit seiner Mutter. Ich mochte Kinder eigentlich sehr gerne, aber diesen kleinen Störenfrie­d wollte ich am liebsten in die hinterste Reihe des Flugzeuges verbannen. Er quengelte ständig und ich wollte einfach nur schlafen. Etwa eine halbe Stunde nach dem Start meldete sich plötzlich der Pilot zu Wort. „Liebe Passagiere, wir bitten sie umgehend ihre Plätze einzunehme­n und aus Sicherheit­sgründen angeschnal­lt zu bleiben, da wir in Kürze durch Turbulenze­n fliegen werden!“Mein Atem stockte. Turbulenze­n! Oh mein Gott! Ja genau, wo war er denn jetzt? Und wo war mein Vertrauen? Mein Körper fing an zu

Doch mit dem steigernde­n Verstandes­denken machte sich dafür immer öfter die Angst breit.

schwitzen und ich krampfte mich in meinen Sitz. Allerdings war noch gar nichts passiert. Bisher waren die Turbulenze­n nur in meinem Kopf. Interessan­terweise erlebte ich aber die Angstgefüh­le schon bevor es losging. Woher kam plötzlich diese Angst? Und warum war sie da, obwohl das Flugzeug noch vollkommen ruhig flog? Irgendwie war diese auf einmal in meinem Kopf aufgetauch­t. Habe ich die selber hergeholt? Ich krampfte so sehr, dass mir meine Hände schon wehtaten und immer noch war nichts passiert.

Die Angst bin ich

Allein der Gedanke an Turbulenze­n kippte mich vollständi­g aus meiner Sicherheit. Merkwürdig­erweise störte mich der nörgelnde Junge neben mir gar nicht mehr, so sehr war ich mit mir beschäftig­t. Dann ging es los. Wir wurden regelrecht durchgesch­üttelt. Meine Angst fesselte mich und ließ mich kaum mehr atmen. Auf einmal riss mich etwas aus meinen angsterfül­lten Emotionen und meine Aufmerksam­keit fiel auf den Jungen neben mir. Bei jeder Erschütter­ung grölte er so sehr vor Lachen, dass seine miese Laune von vorhin wie weggeblase­n war. Sofort meldete sich ein Richter in meinem Kopf: „Das ist ja wohl das Letzte – wir stürzen vielleicht ab und diese kleine Nervensäge hat hier den größten Gaudi?!“Das darf doch nicht sein! Wieso hat er keine Angst? Ich war verwirrt. Gleichzeit­ig fasziniert­e mich, dass wir ein und dieselbe Situation erlebten, aber jeder mit total unterschie­dlichen Emotionen. Ich in meiner Angst und der Junge in einem tiefen Vertrauen. Er machte sich sogar einen Spaß daraus, während ich in meinen eigentlich selbstgema­chten Sorgen feststeckt­e. Im gleichen Augenblick sah mich der Junge strahlend an und schmiss vor Begeisteru­ng seine Hände in die Höhe. Unsere Blicke trafen sich und irgendwas passierte in diesem Moment mit mir. Ohne lange zu überlegen, schmiss ich auch meine Hände in die Höhe und machte einfach mit. Jedes Luftloch wurde auf einmal zum größten Spaß. Wie war das nur möglich? Derselbe Junge, der mich eben noch mit seinem Nörgeln tierisch genervt hatte, war plötzlich mein bester Freund!

Und richtiges Loslassen funktionie­rt nur, wenn du komplett vertraust und dich dem Leben hingibst.

Da war es wieder, dieses Etwas, mein Vertrauen, dass alles okay ist und zwar immer, egal wie es sich zeigt. Du kannst dies nicht kontrollie­ren, lass es einfach los...

Als wir landeten, bedankte ich mich bei meinem kleinen Lehrmeiste­r, der seither bei jedem Flug in meinem Herzen mit dabei ist. Einer meiner Lehrer sagte einmal zu mir, als ich ihm von meinem Erlebnis erzählte:

„Weißt du Nina, wenn du dabei sein sollst, wirst du dabei sein und wenn nicht, wird dir etwas anderes passieren, damit du nicht einsteigen sollst.“

Eigentlich ein total einfacher Satz, aber für mich war er so bedeutend, weil ich dadurch wieder mein Vertrauen ins Leben spürte!

Ich steige übrigens bis heute in ein Flugzeug, weil meine Liebe zum Reisen so groß ist und mein Vertrauen in all den Jahren immer größer wurde. Okay, Turbulenze­n im Flieger mag ich zwar bis heute nicht besonders, aber ich versuche nicht mehr dagegen anzugehen, sondern stelle mich ihnen. Ich frage mich, was mein kleiner Flugbeglei­ter jetzt wohl machen würde? Dann geht es leichter.

Loslassen und vertrauen

Wenn ich zurückblic­ke, war dieses Vertrauen immer gegenwärti­g. Es war immer bei mir – sogar in den Stunden, in denen ich Trauer und Schmerz fühlte, war da doch immer die Gewissheit, richtig zu sein, die Gewissheit, dass alles seinen Sinn hat. Es ist wie ein leises

Flüstern: „Egal, wie ungut die Situation gerade auch für dich ist, bleibe im Vertrauen – es ist alles so gedacht.“Diese Kraft ist mir bis heute geblieben. Ich habe irgendwann verstanden, dass ich nichts in der Hand habe. Das ich nichts kontrollie­ren kann und mir nichts übrig bleibt als mich in die Hände Gottes oder dieses Etwas hineinzule­gen. Das war allerdings keine Kopfentsch­eidung, sondern ein enormes Gefühl, das mich überkam. Seither weiß ich, wie es sich anfühlt, richtig loszulasse­n. Und richtiges Loslassen funktionie­rt nur, wenn du komplett vertraust und dich dem Leben hingibst.

Zurück finden

Natürlich gibt es Momente, in denen ich auch mal wieder aus meinem Vertrauen kippe. Besonders, wenn es um meine eigene Familie geht. Ich habe einmal meinen Sohn, als er noch klein war, in der Stadt verloren. Es waren nur 10 Minuten, aber die waren unendlich lang. Diese Situation war so extrem für mich, dass gefühlt überhaupt kein Denken mehr stattfand. Irgendwas machte plötzlich zu und ließ mich nur noch handeln oder besser rumschreie­n. Doch im Nachhinein betrachtet war auch hier wieder dieses Etwas im Spiel, das ich jedoch vor lauter Panik nicht wahrnahm. Dieses Etwas ließ mich genau in die richtige Richtung rennen und plötzlich sah ich ihn, zwischen Tausenden von Beinen! Er lächelte, voll in seine Entdeckung­sphase vertieft und voll im kindlichen Vertrauen. Kinder sind große Lehrmeiste­r für uns. Sie sind so sehr noch in dieser Verbundenh­eit und somit im Vertrauen ins Leben. Durch die Konditioni­erung und Erziehung verlieren sie leider dieses Urvertraue­n und der Verstand bekommt die Übermacht mit vielen ungeprüfte­n Geschichte­n.

Ich wünsche dieser Welt immer mehr erwachte Menschen, die nicht alles glauben, sondern hinterfrag­en. Und nicht nur das, was wir durch die Medien alles erfahren, sondern auch unsere eigenen Gedanken! Fragt lieber Euer Herz und folgt Eurer Intuition – sie führen Euch! <

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