Angst als Überlebenshelfer
Wer kennt dieses Gefühl nicht? Angst. Gesunde, uns schützenden Angst. Angst, die uns Gefahren sehen lässt. Da gibt es aber auch dieses sich anschleichende unerklärliche Gefühl. Angst, die uns hindert, im schlimmsten Fall sogar lähmt. Ich lernte, mir die Ä
Von dieser diffusen Angst werde ich ins Abseits geschoben. In meiner Kindheit habe ich meine Mutter mit ihren Ängsten beobachtet. Keine realen Ängste. Kein wildes Tier in unserem Garten, keine wirkliche Bedrohung, die ich ausmachen konnte und doch stürzte diese Angst meine Mutter in tiefe Verzweiflung. So habe ich mich auf die Lauer gelegt und meiner Mutter zugeschaut. Ich bemühte mich, ihr zu helfen, sie zu retten. Wollte alles tun, um sie stabil zu halten. Für ein Kind ein aussichtsloses Unterfangen. Wenn sie in den Abgrund stürzte, wurde ich mitgerissen. Ich lernte, mir die Ängste der Menschen vertraut zu machen, um zu verhindern, dass ich in ihrer Not ertrank.
Mit der Zeit lernte ich Ängste verschiedenster Arten und deren Besitzer kennen: Die Angst vor Trennung, die Angst ungeliebt zu sein, die Angst vor Ablehnung, die Angst vor der eigenen Unzulänglichkeit, die Angst vor der Unbegreiflichkeit, die Angst vor dem Verrat, die Angst vor der Langeweile, die Angst vor Unterlegenheit, also die Angst vor dem Verletztwerden.
Sei, wie ich dich brauche
Im Umgang mit der Angst lernen wir sehr früh einen Mechanismus, der uns unser Überleben sichern soll. So kann es sein, dass ich es für wichtig halte, mir alle Möglichkeiten offen zu halten – sicher ist sicher. Oder es scheint meine Pflicht, alles in Ordnung bringen zu müssen. Möglich, dass ich mich lieb und brav verhalte, um andere dazu zu bringen, mich zu lieben. Ist meine Grundangst die Angst vor Ablehnung, dann tue ich alles, um ein Image des Erfolges aufzubauen. Spüre ich in mir eine Angst verlassen zu werden, werde ich mich mit meinem eigenen Schmerz anfreunden und mit ihm flirten lernen.
Es gibt Menschen, die versuchen, ihre Angst über das Denken zu besiegen. Sie schlagen ihre Angst mit dem Kopf und ihrem Wissen in die Flucht. Habe ich Angst davor, Angst zu haben, bin ich misstrauisch und ständig auf der Hut. Starke Verbündete zu haben, ist dann ein willkommener Ausweg. Ich stelle mich unter den Schutz anderer Menschen, die mir vermeintlich Sicherheit geben. Wenn ich denke, es sei mein Untergang schwach und abhängig zu sein, dann spiele ich meine Macht aus und erlange Selbstsicherheit, indem ich andere einschüchtere. Diese Muster haben sich in unserer Kindheit aus verschiedenen Gründen entwickelt.
So ist das eben!
Wir alle tragen in uns Glaubenssätze und Leitbilder, die uns lenken. Die Frage ist: Machen uns diese Haltun- gen glücklich? Bauen sie das Vertrauen in unsere Fähigkeiten auf? Ist das stetige Streben nach Harmonie wirklich bereichernd, wenn ich mich dabei am Ende selbst vergesse? Wenn mich meine Angst dazu treibt immer das „Richtige“zu tun, wird mich mein Perfektionismus viel Lebensfreude und Leichtigkeit kosten. Denke ich geliebt zu werden, wenn ich anderen helfe, wird meine Angst
vor der Einsamkeit mich an den Rand meiner Kräfte bringen. Ängste können uns bis in die Isolation treiben.
Uns alle treiben Bedürfnisse, deren Erfüllung uns Glück verheißen. Doch sind diese sehr unterschiedlich. So sehnt sich einer danach, Einheit und Harmonie zu erfahren, ein anderer empfindet Glück, wenn er Recht hat. Selbstständigkeit, Geborgenheit, Liebe, Autonomie, die Welt oder sich selbst zu verstehen, sind die Flügel, auf die wir hoffen.
Was hilft?
In meiner Beratungstätigkeit kann ich immer wieder erleben, wie sich der Teil in uns, der ängstlich und verzagt ist, erhebt und zu Kräften
kommt, wenn man ihm den Raum gibt, gehört zu werden. Es braucht Vertrauen, das in uns Menschen verschieden angelegt ist und dieses Pflänzchen darf wachsen. So ist ein ruhiger Umgang mit Aufgaben manchmal die größte Prüfung.Vertraue: Nobody is perfect! Andere halten Selbstaufgabe für den einzigen Weg. Vertraue: Kümmert jeder sich erst darum, dass seine Batterien gefüllt sind, so kann er geben ohne auszubluten. Ist mein Fokus auf mein Image gerichtet, hilft es, dies genau unter die Lupe zu nehmen. Vertraue: Du musst nichts erreichen, du bist schon gut so, wie Du bist. Wer sich in Sorgen um Besitz verstrickt, darf mit dem Wort „Genug“spielen. Vertraue: Es fehlt nichts. Für den, der dazu neigt, die Rolle des Beobachters einzunehmen: Vertraue und wirf dich hinein ins Leben. Wir alle haben großes Potential und sollten es zeigen. Wenn ich darauf vertraue auch schwach und sanft sein zu dürfen, dann kann ich Kontrolle aufgeben und werde lernen, mich selbst zu lieben.
So treffe ich mich also mit meiner Angst bei einer Tasse Tee und gehe mit ihr in einen inneren Dialog. Vielleicht kann ich herausfinden, wann ich sie zum ersten Mal spüren konnte. Welches Verhalten hat sie mir abgerungen, damit ich durchs Leben komme? Ist ihr klar, dass ich mittlerweile erwachsen bin?
Was passiert da?
Stellen wir uns das nun einmal bildlich vor: Als Kind wird mein Drang, mich für meine Wünsche einzusetzen, unterdrückt, indem man mich mit Nichtachtung straft, wenn ich eigensinnig bin. So lege ich also in mir ab: Einen eigen Willen zu haben ist gefährlich. Ich werde mich, um die Liebe meiner Bezugspersonen nicht zu verlieren, ab sofort angepasster verhalten. Der Teil in mir, der eigene Wünsche hatte und von den Eltern getadelt wurde, steht nun erstarrt da und erhält von mir gleichfalls keine Daseinsberechtigung. Jahre später stecke ich in dem Dilemma, dass ich mir selber verbiete, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Die dahinterliegende Angst, „Wenn Du so bist, wirst Du nicht geliebt“, wirkt immer noch.
Noch ein Beispiel: In einer Familie mit drei Kindern, (5,9 und 14
Jahre) gibt es einen Konflikt mit dem ältesten Kind. Diese, der Pubertät geschuldete und gesunde Auseinandersetzung, wird von den Geschwistern beobachtet. Das mittlere Kind, schon in der Lage, die Konsequenzen zu ermessen, wird den Prozess beobachten und sich vielleicht entscheiden, solche Auseinandersetzungen zu meiden. Das jüngste Kind, das das ältere Geschwister eher als erwachsenengleich abbildet, legt in sich ab: „Ah, so geht das also“und wird später ggf. eher den Kontrollverlust fürchten. Im selben Stall aufgewachsen, entwickeln sich also verschiedene Persönlichkeitstypen.
Mutig sein
Meine eigenen Strategien und Muster aufzudecken und für mich zu verändern oder ihre Energie anders zu nutzen, ist meine Aufgabe und Herausforderung gleichermaßen. Für mich selbst war es immer ein Kampf um einen brüchigen Frieden, der mich getrieben hat und mich veranlasste, mich selbst zu vergessen. Heute weiß ich, dass es für alle besser ist, wenn ich meine Meinung ausdrücke und es ggf. ein kleines Wortgefecht gibt. So weiß jeder, woran er ist und es kann offen nach einer Lösung gesucht werden. Ich handle also aus einer erwachsenen Position heraus und nicht mehr als das eingeschüchterte Kind, das Angst hat, Liebe zu verlieren. <
Uns alle treiben Bedürfnisse, deren Erfüllung uns Glück verheissen. Doch sind die sehr unterschiedlich.