DER STACHEL DES MISSTRAUENS
Eifersucht und Vertrauen sind wie Feuer und Wasser. Wo das eine ist, kann das andere nicht sein. Doch wir haben stets die Möglichkeit, uns zu entscheiden, welchem dieser Gefühle wir Platz in unserem Leben einräumen.
Unser Gehirn ist genial. Wir steuern und beeinflussen mit unseren Gedanken unser Leben und damit indirekt auch unser Umfeld. Nicht immer können wir unser Denken sofort kontrollieren. In manchen Situationen reagiert unser Unterbewusstsein schneller als unser Verstand. In diesen Augenblicken greift unser Gehirn auf Erfahrungen zurück, die wir in der Vergangenheit gemacht haben. Es sind erlernte Handlungsabläufe, die wir anwenden, ohne darüber nachdenken zu müssen.
Oft sind es auch die Gefühle, die unsere Vernunft ausschalten. Extreme Zuneigung zum Partner, vermischt mit schlechten Erfahrungen aus vergangenen Beziehungen fördern das Gefühl der Eifersucht. Diese Sucht, die mit Eifer sucht, kann eine Liebe vernichten, wenn sie in einer Partnerschaft die Sicht der Wahrheit versperrt und dem Vertrauen keinen Raum mehr gibt. Vertrauen hingegen ist ein gutes Gefühl. Es ist ein Stück Lebensglück.
Engel und Teufel
Meine Beziehung zu meinem letzten Partner war geprägt von tiefer Zuneigung, unendlicher Liebe und Vertrauen. So dachte ich. Ich hatte mich verliebt. Wir hatten uns verliebt. Und nichts und niemand hätte uns je auseinander bringen können, denn wir waren füreinander bestimmt. Wir waren Zwillingsseelen. Was der eine dachte, sprach der andere aus. Was der eine wollte, das hatte der andere schon besorgt. Ging es dem einen schlecht, war der andere krank.
Wir aßen zusammen, kauten bei Gruselfilmen gemeinsam an den Fingernägeln und schliefen eng aneinandergekuschelt vor dem Fernseher ein.
Etwas alleine unternehmen und sei es nur für eine Stunde, war für jeden für uns ein kleines Sterben. Schon nach kurzer Zeit vermissten wir einander und trauerten um die verlorenen Minuten der Zweisamkeit. Es gab für mich nur ein „Wir“, das „Ich“war uns abhanden gekommen. Mein Partner liebte mich. Und weil er mich liebte, war er nur für mich da. Andere Frauen interessierten ihn nicht, da war ich mir völlig und absolut sicher.
Bis zu dem Tag, an dem ich am Morgen zum Arzt musste und auf dem Rückweg in eine Bäckerei ging. Als ich wieder heraustrat, erkannte ich meinen Freund auf der anderen Straßenseite. Die Frau neben ihm lachte laut auf. Sie warf ihre blonden Locken nach hinten und klemmte sich an seinen Arm. Zusammen verschwanden sie in der nächsten Seitenstraße. Und plötzlich waren sie wieder da. Engelchen und Teufelchen aus meiner Vergangenheit. Ich erstarrte und in meinem Kopf liefen ganze Filme ab. Teufelchen auf meiner linken Schulter schrie mir ins Ohr: „Geh ihm sofort nach. Stell ihn zur Rede. Was erlaubt sich dieser Kerl. Der will dich gar nicht mehr. Mißtraue ihm, aber sofort.“Engelchen flüsterte sanft von rechts: „Das stimmt doch alles gar nicht. Du liebst ihn. Er liebt dich. Geh nach Hause. Frühstücke mit ihm und frage einfach, wer das war. Vertrau ihm.“
Die nächsten Tage lag ich beständig auf der Lauer. Jede Geste von ihm legte ich auf die Goldwaage. Jeden seiner Schritte verfolgte ich mit absoluter Aufmerksamkeit. Ich las alle seine E-Mails in dem Glauben, Liebesschwüre der Anderen zu finden. Sein Password hatte ich seit vielen Monaten. Er hatte es mir voller Vertrauen gegeben. Nachts, wenn er schlief, schaute ich sein Handy nach Anrufen durch. Teufelchen dachte sich immer neue Methoden aus, um die absolute Kontrolle über meinen Freund zu bekommen.Um jeden Preis wollte ich Indizien für seine neue Liebe
finden. Engelchen saß schamhaft auf der anderen Seite und sagte nichts mehr.
Konfrontation
Es eskalierte, als mein Partner einige Wochen später morgens meinte, dass er heute etwas alleine vorhabe. Sofort brüllte das Teufelchen los: „Nein! jetzt ist Schluss! Denk doch mal nach. Ihr macht immer alles zusammen. Und nun darfst du nicht mit? Da steckt doch wieder diese Frau dahinter. Die letzte Whatsapp war eindeutig genug. Ich würde hinterher gehen. Wer weiß , was die machen.“
Verschämt flüsterte Engelchen mir kaum hörbar zu: „Frag ihn, warum Du nicht mit darfst. Oder vertrau ihm. Lass ihn gehen, er wird seine Gründe haben. Denk an eure Liebe. Erst gestern hat er dir gesagt, dass er dich sehr liebt. Er geht nicht fremd.“Und während Engelchen und Teufelchen auf meiner Schulter stritten, starrte ich meinen Partner an und sagte: „Ich komme mit.“
Wütend nahm mein Liebster seine Tasche. An der Tür sagte er zu mir, „Ich gehe jetzt. Alleine. Und wenn ich wiederkomme, dann reden wir“. Es wurde ein langer und intensiver Gesprächsabend und mit jedem Wort der Wahrheit wurde das Teufelchen kleiner und leiser. Mein Partner hatte mich mit einer Reise nach London überraschen wollen. Da sein Englisch schlecht war, hatte er versucht, es mit einer Tandempartnerin zu verbessern. Beide hatte ich vorm Bäcker gesehen. Mit ihr hatte er sich am Nachmittag ein letztes Mal getroffen, um die Nachhilfe zu beenden.
Miteinander reden
Während unseres Gesprächs erkannte ich meine Fehler. All die Gedanken, die ich zu uns hatte, waren allein meine Vorstellungen einer Beziehung. Mein Partner dachte in vielen Bereichen anders. Doch ich hatte Glück, mein Freund verstand meine Reaktionen. Er sah darin meine tiefe Zuneigung, die ich ihm entgegenbrachte. Aber er bemerkte auch die unerkannte Last, die ich seit langem mit mir trug. Gemeinsam begannen wir schließlich eine Paartherapie, in der uns klar wurde, das Vertrauen ein Geben und ein Nehmen ist und auch viel mit der eigenen Haltung zu sich selbst zu tun hat.
Schon im althochdeutsch gab es eine Bezeichnung für Eifersucht: eiver suht, die bittere Seuche. Treffender kann diese Form falscher Gefühle eigentlich gar nicht benannt werden. Besser für eine Beziehung ist es, positiv zu denken und an das Gute zu glauben, auf das Engelchen in sich selbst zu hören. Unser Gehirn ist genial, denn es ist lernfähig. Unsere Gefühle können wir durch unser Verhalten beeinflussen, wenn wir die Vernunft einschalten. Wir sollten einfach öfter unserem Verstand vertrauen.
Am Ende der Therapie hatte ich gelernt, Vertrauen zu entwickeln, in meinen Partner, in andere Menschen und vor allem in mich selbst. Die Therapeutin gab mir als Rat mit auf den Weg, öfter meine Vernunft einzuschalten und mir positiv formulierte Mantras zu schreiben. Das regelmäßige Durchlesen dieser half mir, meine Gedanken langsam aber sicher positiv zu formen.
Wir flogen nach London. Jeder alleine, jeder zu einer anderen Zeit. Am Ende dieser Beziehungsauszeit fanden wir wieder zueinander, denn wir waren füreinander bestimmt. Ich weiß nun, der Glaube, etwas haben zu wollen und die Angst, es verlieren zu können, sind eine sehr schlechte Mischung für die Lebensqualität.
Es ist wie ein krank machendes Rezept zum Unglücklichsein, welches aus fehlendem Vertrauen und egoistischer Liebe zubereitet ist. Nimmt aber das Vertrauen viel Raum im Leben ein, hat die bittere Seuche keinen Platz mehr. Und wir werden glücklicher sein. <
Unsere Gefühle können wir durch unser Verhalten beeinflussen, wenn wir die Vernunft einschalten.