Auszeit

DER STACHEL DES MISSTRAUEN­S

Eifersucht und Vertrauen sind wie Feuer und Wasser. Wo das eine ist, kann das andere nicht sein. Doch wir haben stets die Möglichkei­t, uns zu entscheide­n, welchem dieser Gefühle wir Platz in unserem Leben einräumen.

- ANNA BERGER

Unser Gehirn ist genial. Wir steuern und beeinfluss­en mit unseren Gedanken unser Leben und damit indirekt auch unser Umfeld. Nicht immer können wir unser Denken sofort kontrollie­ren. In manchen Situatione­n reagiert unser Unterbewus­stsein schneller als unser Verstand. In diesen Augenblick­en greift unser Gehirn auf Erfahrunge­n zurück, die wir in der Vergangenh­eit gemacht haben. Es sind erlernte Handlungsa­bläufe, die wir anwenden, ohne darüber nachdenken zu müssen.

Oft sind es auch die Gefühle, die unsere Vernunft ausschalte­n. Extreme Zuneigung zum Partner, vermischt mit schlechten Erfahrunge­n aus vergangene­n Beziehunge­n fördern das Gefühl der Eifersucht. Diese Sucht, die mit Eifer sucht, kann eine Liebe vernichten, wenn sie in einer Partnersch­aft die Sicht der Wahrheit versperrt und dem Vertrauen keinen Raum mehr gibt. Vertrauen hingegen ist ein gutes Gefühl. Es ist ein Stück Lebensglüc­k.

Engel und Teufel

Meine Beziehung zu meinem letzten Partner war geprägt von tiefer Zuneigung, unendliche­r Liebe und Vertrauen. So dachte ich. Ich hatte mich verliebt. Wir hatten uns verliebt. Und nichts und niemand hätte uns je auseinande­r bringen können, denn wir waren füreinande­r bestimmt. Wir waren Zwillingss­eelen. Was der eine dachte, sprach der andere aus. Was der eine wollte, das hatte der andere schon besorgt. Ging es dem einen schlecht, war der andere krank.

Wir aßen zusammen, kauten bei Gruselfilm­en gemeinsam an den Fingernäge­ln und schliefen eng aneinander­gekuschelt vor dem Fernseher ein.

Etwas alleine unternehme­n und sei es nur für eine Stunde, war für jeden für uns ein kleines Sterben. Schon nach kurzer Zeit vermissten wir einander und trauerten um die verlorenen Minuten der Zweisamkei­t. Es gab für mich nur ein „Wir“, das „Ich“war uns abhanden gekommen. Mein Partner liebte mich. Und weil er mich liebte, war er nur für mich da. Andere Frauen interessie­rten ihn nicht, da war ich mir völlig und absolut sicher.

Bis zu dem Tag, an dem ich am Morgen zum Arzt musste und auf dem Rückweg in eine Bäckerei ging. Als ich wieder heraustrat, erkannte ich meinen Freund auf der anderen Straßensei­te. Die Frau neben ihm lachte laut auf. Sie warf ihre blonden Locken nach hinten und klemmte sich an seinen Arm. Zusammen verschwand­en sie in der nächsten Seitenstra­ße. Und plötzlich waren sie wieder da. Engelchen und Teufelchen aus meiner Vergangenh­eit. Ich erstarrte und in meinem Kopf liefen ganze Filme ab. Teufelchen auf meiner linken Schulter schrie mir ins Ohr: „Geh ihm sofort nach. Stell ihn zur Rede. Was erlaubt sich dieser Kerl. Der will dich gar nicht mehr. Mißtraue ihm, aber sofort.“Engelchen flüsterte sanft von rechts: „Das stimmt doch alles gar nicht. Du liebst ihn. Er liebt dich. Geh nach Hause. Frühstücke mit ihm und frage einfach, wer das war. Vertrau ihm.“

Die nächsten Tage lag ich beständig auf der Lauer. Jede Geste von ihm legte ich auf die Goldwaage. Jeden seiner Schritte verfolgte ich mit absoluter Aufmerksam­keit. Ich las alle seine E-Mails in dem Glauben, Liebesschw­üre der Anderen zu finden. Sein Password hatte ich seit vielen Monaten. Er hatte es mir voller Vertrauen gegeben. Nachts, wenn er schlief, schaute ich sein Handy nach Anrufen durch. Teufelchen dachte sich immer neue Methoden aus, um die absolute Kontrolle über meinen Freund zu bekommen.Um jeden Preis wollte ich Indizien für seine neue Liebe

finden. Engelchen saß schamhaft auf der anderen Seite und sagte nichts mehr.

Konfrontat­ion

Es eskalierte, als mein Partner einige Wochen später morgens meinte, dass er heute etwas alleine vorhabe. Sofort brüllte das Teufelchen los: „Nein! jetzt ist Schluss! Denk doch mal nach. Ihr macht immer alles zusammen. Und nun darfst du nicht mit? Da steckt doch wieder diese Frau dahinter. Die letzte Whatsapp war eindeutig genug. Ich würde hinterher gehen. Wer weiß , was die machen.“

Verschämt flüsterte Engelchen mir kaum hörbar zu: „Frag ihn, warum Du nicht mit darfst. Oder vertrau ihm. Lass ihn gehen, er wird seine Gründe haben. Denk an eure Liebe. Erst gestern hat er dir gesagt, dass er dich sehr liebt. Er geht nicht fremd.“Und während Engelchen und Teufelchen auf meiner Schulter stritten, starrte ich meinen Partner an und sagte: „Ich komme mit.“

Wütend nahm mein Liebster seine Tasche. An der Tür sagte er zu mir, „Ich gehe jetzt. Alleine. Und wenn ich wiederkomm­e, dann reden wir“. Es wurde ein langer und intensiver Gesprächsa­bend und mit jedem Wort der Wahrheit wurde das Teufelchen kleiner und leiser. Mein Partner hatte mich mit einer Reise nach London überrasche­n wollen. Da sein Englisch schlecht war, hatte er versucht, es mit einer Tandempart­nerin zu verbessern. Beide hatte ich vorm Bäcker gesehen. Mit ihr hatte er sich am Nachmittag ein letztes Mal getroffen, um die Nachhilfe zu beenden.

Miteinande­r reden

Während unseres Gesprächs erkannte ich meine Fehler. All die Gedanken, die ich zu uns hatte, waren allein meine Vorstellun­gen einer Beziehung. Mein Partner dachte in vielen Bereichen anders. Doch ich hatte Glück, mein Freund verstand meine Reaktionen. Er sah darin meine tiefe Zuneigung, die ich ihm entgegenbr­achte. Aber er bemerkte auch die unerkannte Last, die ich seit langem mit mir trug. Gemeinsam begannen wir schließlic­h eine Paartherap­ie, in der uns klar wurde, das Vertrauen ein Geben und ein Nehmen ist und auch viel mit der eigenen Haltung zu sich selbst zu tun hat.

Schon im althochdeu­tsch gab es eine Bezeichnun­g für Eifersucht: eiver suht, die bittere Seuche. Treffender kann diese Form falscher Gefühle eigentlich gar nicht benannt werden. Besser für eine Beziehung ist es, positiv zu denken und an das Gute zu glauben, auf das Engelchen in sich selbst zu hören. Unser Gehirn ist genial, denn es ist lernfähig. Unsere Gefühle können wir durch unser Verhalten beeinfluss­en, wenn wir die Vernunft einschalte­n. Wir sollten einfach öfter unserem Verstand vertrauen.

Am Ende der Therapie hatte ich gelernt, Vertrauen zu entwickeln, in meinen Partner, in andere Menschen und vor allem in mich selbst. Die Therapeuti­n gab mir als Rat mit auf den Weg, öfter meine Vernunft einzuschal­ten und mir positiv formuliert­e Mantras zu schreiben. Das regelmäßig­e Durchlesen dieser half mir, meine Gedanken langsam aber sicher positiv zu formen.

Wir flogen nach London. Jeder alleine, jeder zu einer anderen Zeit. Am Ende dieser Beziehungs­auszeit fanden wir wieder zueinander, denn wir waren füreinande­r bestimmt. Ich weiß nun, der Glaube, etwas haben zu wollen und die Angst, es verlieren zu können, sind eine sehr schlechte Mischung für die Lebensqual­ität.

Es ist wie ein krank machendes Rezept zum Unglücklic­hsein, welches aus fehlendem Vertrauen und egoistisch­er Liebe zubereitet ist. Nimmt aber das Vertrauen viel Raum im Leben ein, hat die bittere Seuche keinen Platz mehr. Und wir werden glückliche­r sein. <

Unsere Gefühle können wir durch unser Verhalten beeinfluss­en, wenn wir die Vernunft einschalte­n.

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