Auszeit

„Die Angst ist nicht unser Feind“

Im Interview spricht der Experte Robert Betz über das Thema „Wie Liebe Angst verwandeln kann“. Der Bestseller-Autor, Psychologe und Seminarlei­ter gibt Tipps, wie ein liebevolle­r Umgang mit der Angst große Veränderun­gen bewirken kann.

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Herr Betz, Sie erleben als Psychologe und Seminarlei­ter regelmäßig Menschen, die unter Ängsten leiden. Wie definieren Sie eigentlich Angst und wo kommt sie her?

Angst ist ein breites Thema, von dem keiner ausgenomme­n ist. Bereits in der Kindheit entwickeln wir eine Reihe von Basis-Ängsten, z. B. Angst vor dem Alleinsein, Angst, nicht geliebt zu werden, Angst, nicht gut genug zu sein. Dazu kommen die von den Eltern übernommen­en Gedanken und Glaubenssä­tze wie „Diese Welt ist unsicher“. Kinder nehmen die Ängste der Eltern sehr intensiv wahr, da sie sehr eng mit dem Energiefel­d der Eltern verbunden sind. Je mehr wir als Kind gehört haben „Pass auf, es könnte Dir etwas passieren“, desto unsicherer werden wir und lernen nicht, uns selbst zu vertrauen.

Wenn unsere Eltern schon dem Leben ängstlich gegenübers­tanden, dann können wir verstehen, wo die Ursache unseres mangelnden Vertrauens ins Leben liegt. Als Erwachsene prägen uns diese Erfahrunge­n weiterhin, aber heute können wir uns diesen Ängsten bewusst zuwenden und sie in Vertrauen verwandeln.

Was raten Sie Menschen mit Ängsten?

Das Beste wäre, sich bewusst zu werden, dass die Angst unsere eigene, von uns erzeugte Angst ist, egal wer oder was sie in uns auslöst. Die Angst ist nicht unser Feind, sondern so etwas wie unser „Baby“, das nach Liebe und Zuwendung schreit. Je mehr wir die Angst in uns ablehnen, sie mit Tabletten wegmachen wollen oder uns von ihr ablenken, desto größer wird sie. Ich selber habe mit Anfang 40 unter nächtliche­n Panikattac­ken gelitten, da ich mir meiner Ängste nicht bewusst war und sie nie beachtet hatte.

Es gehört sicher viel Mut dazu, seiner Angst zu begegnen. Wie kann man sich das konkret vorstellen?

Hilfreich ist, sich in dem Moment des Angstgefüh­ls hinzusetze­n, die Augen zu schließen und sich zu sagen: „Alle Angst in mir darf jetzt da sein, ich bin bereit, dich meine Angst jetzt zu fühlen“. Also ich möchte die Angst vor der Angst nehmen, denn Gefühle wollen gefühlt werden. Das Wort Gefühle bedeutet ja: gehe hin und fühle. Wenn uns bewusst ist, dass die Angst aus unserer Kindheit stammt und sie uns mit alten Erlebnisse­n und Gefühlen konfrontie­rt, können wir neu damit umgehen. Es ist das innere Kind in uns, das diese Ängste hat. Wir als Erwachsene können uns in das innere Kind hineinvers­etzen und die Gefühle von damals durchfühle­n mit der Bot>

Das Beste ware, sich bewusst zu werden, dass die Angst unsere eigene, von uns erzeugte Angst ist, egal wer oder was sie in uns auslost.

schaft an das Kind: „Ich fühle es für Dich, mein Schatz“. Das heißt, die liebevolle Annahme, das bewußte Atmen und das bejahende Fühlen mit offenem Herzen ist wichtig. Angst erzeugt Enge und kann sich im Magen, in der Herzgegend oder im Hals bemerkbar machen. Auch diese Enge kann von uns bewußt und liebevoll gefühlt und angenommen werden. Wir dürfen uns bewusst machen: „Ich war und ich bin Schöpfer meiner Gefühle“.

Was geschieht durch das liebevolle Annehmen der Angst?

Die niederschw­ingende Energie der Angst verwandelt sich in die höherschwi­ngende Energie der Liebe und Freude. Durch meine Annahme wird das Enge weit und Energieblo­ckaden lösen sich auf. In meinen Seminaren und auf meinen CDs arbeite ich zusätzlich mit Farben, um den Prozeß der Transforma­tion zu verstärken.

In den Medien erfahren wir täglich Dinge, die durchaus Angst machen können. Welchen Umgang empfehlen Sie und kann man sich vor diesem Einfluss wirklich schützen?

Das ist ein sehr schönes Thema. In den Nachrichte­n erfahren wir viele schrecklic­he Dinge, die aber mit unserem eigenen Leben nichts zu tun haben. Die Bilder und Emotionen haben eine große Wirkung auf unser Energiefel­d. Ich kann bewußt entscheide­n, welchen Reizen ich mich aussetze oder nicht. Sie können eine seriöse Zeitung lesen, um sich über die Welt zu informiere­n, aber Sie müssen keine Nachrichte­n schauen. Das nennt man PsychoHygi­ene und die bewusste Auswahl ist aus meiner Sicht wichtig in dieser reizüberfl­utenden Welt mit Internet, Fernseher, Smartphone usw. Wir können aussuchen, wie oft schalte ich den Fernseher an, wie oft gehe ich ins Kino, wie oft nutze ich mein Smartphone. Ich

habe seit 35 Jahren keinen Fernseher und vermisse nichts. Meine Empfehlung ist: Ab in die Natur, denn die Natur ist noch in der Balance. Das hat einen ungeheuren Effekt auf den Körper. Es beruhigt, der Geist wird klar und man kann einfach gut abschalten und zu sich selber kommen.

Viele Menschen erleben Veränderun­gen in ihrem Leben, die zu Angst und Unsicherhe­it führen, sei es der Verlust des Arbeitspla­tzes, die Trennung vom Partner. Was raten Sie in diesem Fall?

Das ist der Moment des Vertrauens, da heißt es, ich entscheide mich jetzt für Vertrauen – und das ist ein Akt der Liebe zu mir und zum Leben selbst. Ich empfehle, sich immer wieder in Momenten des Zweifels und der Verzweiflu­ng zu sagen: „Ich vertraue der Führung meines Herzens“oder „Ich vertraue der Führung des Lebens und der Liebe“. Letztlich haben wir zwei Pole, die nicht gleichbere­chtigt sind: Der Eine ist die Angst, der andere die Liebe. Aber die Liebe ist das einzig Wirkliche. Die Angst ist unwirklich, das kann ich aber nur spüren, wenn die

Liebe zur Angst kommt. Wenn ich meiner Angst mit Liebe begegne und sie fühlend annehme, dann verwandelt die Liebe die Angst und es bleibt die Liebe. Es ist wie bei Dunkelheit und Licht. Wenn Sie einen dunklen Raum haben und zünden eine Kerze an, wird es hell und das Licht siegt über die Dunkelheit. Dunkelheit und Angst sind letztlich eine Illusion, nicht wirklich oder ein Vakuum, wo die Liebe noch nicht ist. <

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