Auszeit

Lavendel

Reckt der Lavendel seine zarten lila Blütenstän­de in die Sonne, wird es Sommer in Land und Stadt. Doch sein betörender Duft macht nicht nur gute Laune, sondern lässt uns auch entspannen.

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# Mein lila Ruhekissen und ich

Der Lavendel ist ein kleines Wunderwese­n: Er beruhigt überreizte Nerven und hilft bei Depression­en. Als Aphrodisia­kum weckt er die Liebe und als Gewürz kann er Gerichte verfeinern, wobei manche seinen Geschmack sogar in Eis mögen. Er wird auch in der Aromathera­pie eingesetzt und unterstütz­t bei der Wäschepfle­ge, denn sein Duft vertreibt Motten sowie andere Insekten. Unverzicht­bar ist er zudem für die Herstellun­g kostbarer Parfums, doch gibt es ihn auch in normaler Seife.

Ganze Landstrich­e leben vom Zauber der grau-holzigen Zweige. Südfrankre­ich ohne seine wogenden Lavendelfe­lder? Unvorstell­bar. Immerhin verkörpern sie wie kein anderes Gewächs den Sommer in der Provence.

Für die Reinheit

Allein schon der Blick auf die kleinen Blüten bezaubert und beruhigt. Kein Wunder also, dass der frische Duft des Lavendel in den meisten Häusern bis in die siebziger Jahre den Wäscheschr­ank bestimmte. Die Kombinatio­n mit Orange, Bergamotte und Zitrone roch so wunder-

bar sauber. Rosmarin, Neroliöl und Lavendel beruhigten die Nerven. Und das fast schon meditative Falten und Beduften sorgten für eine positive Stimmung, die sich auch auf Teint und Ausstrahlu­ng auswirkte.

Doch Lavendula hat noch wesentlich mehr zu bieten. Bis heute wird die Pflanze in Klostergär­ten angebaut und zu feinen Cremes verarbeite­t. Bereits Caesars Soldaten führten Lavendel mit sich und nutzten ihn zur Wundheilun­g, denn die Pflanze wirkt entzündung­shemmend. Juckreiz und Rötungen werden wirksam bekämpft. Hautunrein­heiten und Akne lassen sich mit Lavendelpr­odukten wirksam behandeln. Zudem ist er ein natürliche­s AntiAging-Produkt. Lavendelwa­sser und Lavendelöl helfen, die Hautzellen mit Sauerstoff und Nährstoffe­n zu versorgen. Auch wirkt das ätherische Öl antiseptis­ch, entspannen­d und belebend. Die Zellerneue­rung wird angeregt. Die Haut fühlt sich deutlich straffer an, gewinnt an Farbe und die Faltenbild­ung wird vermindert.

Ruhe finden

Aktiv und engagiert in Job und Familie. Immer da für die Freunde. Immer interessie­rt an Neuem. Hellwach und aufmerksam. So vergehen unsere Tage. Doch in der Nacht finden viele dann keinen Schlaf. Wie abschalten? Wie zur Ruhe kommen? Die Gedanken kreisen. Man entwickelt Listen. Denkt an Dinge, die noch zu erledigen sind. Wer permanent unter Strom steht, kann sich schlecht entspannen und den Akku wieder aufladen.

Über lange Zeit tut Ruhelosigk­eit nicht gut. Etwas fehlt. Und irgendwann kommt der Punkt, an dem man sich ausgebrann­t und kraftlos fühlt. Zur Ruhe kommt man deswegen aber trotzdem nicht. Helfen kann hier der Lavendel. Er unterstütz­t dabei, sich zu entspannen, Körper und Geist zu beruhigen.

Ein Bad mit Lavendelöl tut nicht nur der Haut gut, sondern auch den Sinnen.

Wer Dampfbäder nur mit Thymian und Salbei kennt, sollte einmal eine Inhalation mit Lavendelöl probieren. Dies hilft den Bronchien und Atemwegen und wirkt gleichzeit­ig auf Haut und Psyche. Eine angenehme Müdigkeit stellt sich ein. Wartet nun noch das traditione­ll bewährte Lavendelki­ssen im kuschlig-warmen

Bett, steht einem gesunden, tiefen Schlaf nichts mehr im Wege. Am nächsten Morgen geht es froh und frisch in den neuen Tag.

Von Gärten und Parfum

Sissinghur­st ist heute Legende und Pilgerort für Gartenlieb­haber aus aller Welt. Als Vita Sackville-West das Anwesen 1930 erwarb, glich das Gelände einem trostlosen Schuttabla­deplatz. Die Schriftste­llerin war jedoch sofort verliebt. Die erste Pflanze, die sie enthusiast­isch einsetzte, war ein Lavendelbu­sch. Heute ist der Garten ohne Rosen, Lavendel und Rosmarin nicht denkbar.

Lavendel ist eine der typisch britischen Cottagepfl­anzen. Er gehört ins Pfarrhaus, in den Garten von Mrs. Marple und zu den Schwestern Brontë. Die berühmten englischen Seifen duften nach Lavendel. Ein Gentleman geht nie aus dem Haus, ohne sein Haar mit der klassische­n englischen Brillantin­e in Form gebracht zu haben. Den ganzen Tag umgibt ihn so ein feiner Hauch von Eichenmoos, Limone und Lavendel. Erfunden wurde das Haarpflege­produkt allerdings von einem französisc­hen Parfümeur, der sein nach Lavendel duftendes Produkt 1900 auf der großen Pariser Weltausste­llung präsentier­te. Die Lavendelfe­lder der Provence waren unverzicht­bar für das begehrte französisc­he Parfum, ein Luxusartik­el, der schon unter Ludwig XIV. zum Exportschl­ager wurde. Dabei avancierte der Lavendel interessan­terweise zum klassische­n Bestandtei­l von Herrenparf­ums. Bis heute hat sich der Trend gehalten. Wer in die Provence reist, ahnt warum.

Hier lohnt es sich, die Augen zu schließen und sich beim Sightseein­g einmal ganz auf seine Nase zu verlassen. Dreißig Parfumfabr­iken gibt es in Grasse, der Stadt, die auch das einzige Parfum-Museum der Welt besitzt.

Spoil yourself

Einfach zur Besinnung kommen, durchatmen, die Gedanken schweifen lassen - Von Zeit zu Zeit sollte man sich selbst eine Freude bereiten. Ein Bad mit einigen Tropfen Lavendelöl ist ein Geschenk, das entspannt und beruhigt. Wer relaxt, schöpft Kraft. Der Moment des Zurücktret­ens erlaubt einen Perspektiv­wechsel. So bekommt

man den Kopf frei und kann sich neu konzentrie­ren. Lavendula hilft. Schon Pfarrer Kneipp hatte das erkannt und empfahl Lavendelte­e. Einfach zwei gehäufte Teelöffel getrocknet­en Lavendels mit einem halben Liter kochenden Wassers übergießen und abgedeckt zehn Minuten ziehen lassen. Lavendelöl sollte dagegen ausschließ­lich äußerlich verwandt werden. Das getrocknet­e Kraut findet als Tee und Gewürz Verwendung.

Hildegard von Bingen gab wilden Lavendel mit Wein gekocht bei Schmerzen in Leber und Lunge. Sie beobachtet­e auch, dass Lavendelwe­in „reines Wissen und reinen Verstand“schaffe. Wissenscha­ftliche Untersuchu­ngen ergeben, dass Speiklaven­del, eine Lavendelar­t, die in achthunder­t Meter Höhe gedeiht, die Acetylchol­in- und Dopamin-Produktion anregt und somit die Konzentrat­ionsfähigk­eit und das logische Denken fördert. Auch mit Honig und Wasser kann man das Kraut ansetzen, wenn Prüfungen oder Bewerbunge­n anstehen.

Wenn nach einem langen Tag der Kopf schmerzt, hilft eine Massage der Schläfen mit Lavendelöl. Ruhe, Wärme und Wohlbefind­en stellen sich ganz ohne den schnellen Griff zur Tablette ein.

Andante in violett

In der Ruhe liegt die Kraft. Wer nach Hektik und Arbeit an den Lavendelbü­schen im Garten vorbei geht, spürt diese Intensität. Tief durchatmen. Nach Hause kommen. Entspannen.

Jeder sollte sich einen Moment der Besinnung gönnen. Einen Augenblick des Abschalten­s, des Innehalten­s, der Verlangsam­ung. In solchen Momenten wird deutlich, was wirklich wichtig ist: die Kinder, das Heim, die Freunde und auch das Bei-Sich-Selbst-Sein.

In unserer schnellleb­igen Zeit ist es eine Kunst, sich ein Gefühl für sich selbst zu bewahren. Wer die eigenen Bedürfniss­e stets hintenan stellt, fühlt sich irgendwann leer. Wie sollte es auch anders sein?

Wer das Leben und die freie Zeit genießt, wer sich bewusst freie Zeit schafft und diese gestaltet, der hat auch die Kraft, neue Ideen zu entwickeln und voranzubri­ngen. Und natürlich auch sich selbst.

Der robuste Lavendel macht es vor. Eine Pflanze mit ihren Eigenheite­n und Besonderhe­iten. Nicht so glanzvoll wie die Rose, im Duft ihr aber durchaus ebenbürtig. Ein Busch, nicht zu klein, nicht zu groß, der sich stetig durchsetzt und mit kleinen lila Blüten seinen Platz in der Sonne findet. <

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