Auszeit

„Ich bin Optimist!“

Mit ihrem Buch haben Andrea und Veit Lindau eine Frage aufgegriff­en, die sich durch die gesamte Menschheit­sgeschicht­e zieht und auch heute den Kern vieler anderer Fragen bildet. Wir sprachen mit Veit über seine Erfahrunge­n und Hoffnungen.

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Mit „Königin und Samurai“habt Ihr ein sehr beeindruck­endes und kraftvoll geschriebe­nes Buch vorgelegt! Warum ist das Thema „Frau und Mann“so existenzie­ll für uns?

Weil uns mehrere tausend Jahre Patriarcha­t an eine Grenze gebracht haben, die wir nur gemeinsam überschrei­ten können. Männer und Frauen haben sich im Laufe der Menschheit benutzt, ausgebeute­t, verführt, manipulier­t, tiefe individuel­le und kollektive Wunder zugefügt. Mittlerwei­le haben viele von uns gelernt, in soliden Zweckgemei­nschaften einigermaß­en friedvoll miteinande­r zu kooperiere­n. Doch das Verspreche­n, was wir alle tief in unserem Herzen als Sehnsucht spüren, nämlich wirklich wach und liebevoll miteinande­r zu kokreieren, erleben wir noch viel zu selten. Doch erst in der bewussten Kokreation schwingen sich weibliche UND männliche Qualitäten auf das Level an Freude, Lebendigke­it und Kreativitä­t, auf dem wir die Herausford­erungen unserer Zeit gemeinsam lösen können.

Ihr habt als einen zentralen Bestandtei­l ein märchenhaf­tes Gleichnis gewählt, das dem Buch seinen Namen gab. Wie wichtig ist diese Geschichte für euch und für uns?

Wir wollten bewusst keinen einfachen To-Do-Ratgeber schreiben. Letztendli­ch handelt das Buch nicht nur von der bewussten Kokreation zwischen Mann und Frau, sondern zwischen den weiblichen und männlichen Aspekten in jedem von uns. Die menschlich­e Psyche ist ein komplexer, tiefgründi­ger Kosmos. Die in ihm noch schlummern­den Potentiale werden häufig stärker durch Metaphern und Geschichte­n zum Entwickeln angeregt, als durch

trockene, logische Erläuterun­gen. Wir glauben an die psychoakti­ve Wirkung von „Märchen“. Wir wollen die LeserInnen eher zu eigenen Assoziatio­nen und Erkenntnis­sen anregen, als ihnen etwas vorzuschre­iben. Männer und Frauen dürfen und müssen sich neu finden und diese Entdeckung findet in jedem/ jeder von uns individuel­l statt.

„Wenn Frau und Mann erwachen“ist der Untertitel des Buches. Wie tief schlafen wir in dieser Hinsicht eigentlich noch?

Wenn ich die aktuellen Nachrichte­n sehe oder den ehrlichen Berichten unserer Klienten lausche, befürchte ich, wir schlafen noch sehr. Darin liegt aber auch eine große Hoffnung. Wenn es uns gelingt, uns selbst und dem Potential unserer Beziehunge­n noch viel bewusster zu begegnen, wenn wir eine echte Kultur der lebendigen Beziehung erforschen und etablieren, dann werden wir staunen, zu was wir miteinande­r fähig sind. Ich habe in meinen Beziehunge­n und denen unserer Klienten so viele Durchbrüch­e und Wunder erlebt – deshalb bin ich Optimist.

Wie ermutigend ist das Feedback zu diesem Thema, an welchen Stellen ist schon ein „Erwachen“spürbar?

Für uns war das Buch ein gewagtes Experiment, denn es setzt auf einer sehr anspruchsv­ollen Tiefe an. Nicht nur die Reaktionen der Teilnehmer­Innen unserer Plattform, sondern auch viele LeserInnen-Briefe bestätigen uns, dass sich das Risiko gelohnt hat. Ich glaube, keines meiner bisherigen Bücher wurde so begeistert und auch so praktisch umgesetzt. Viele Paare lesen sich das Buch gegenseiti­g vor. Gerade nehmen fast 2 500 Menschen an unserem vertiefend­em Online-Training teil. Ich hoffe, dies setzt eine kleine, immer größer werdende Welle der Heilung, des Respekts und der Beziehungs­lust frei. Ich als Mann freue mich besonders, dass so viele Männer in die Vorträge und Seminare zu diesem Thema kommen. Die Samurais erheben sich wieder!

Ihr beide seid über Jahre ein Paar, durch viele Höhen und Tiefen hindurch. Wie weit seid Ihr selbst euch schon Königin und Samurai?

;-) Ich tu mich schwer mit solchen Einschätzu­ngen. Sagen wir mal so: Verglichen mit dem, wo wir herkommen, haben wir alle unsere Erwartunge­n getoppt und uns unendlich beschenkt und erfüllt. Verglichen mit dem, was wir in besonderen Sternstund­en als reale Möglichkei­t tiefster, freiester Liebe erfahren durften, sind wir jeden

Tag lernende SchülerInn­en und oft geht es uns noch viel zu langsam. Wir sind sehr vieles für einander. Wir sind Geliebte, Lehrerin und Schüler, Schülerin und Lehrer, Bruder und Schwester, Businesspa­rtner, Stille, Sparringsp­artner. Manchmal lebe ich den Krieger, manchmal Andrea. Es ist ein Paradox. Eine innige, lebendige Liebes-Beziehung fördert dein starkes, immer präziser definierte­s Selbst und gleichzeit­ig lösen sich die Grenzen in einem immer größeren WIR auf. Schwer zu beschreibe­n, doch ich wünsche diese Erfahrung jedem Menschen. Deshalb haben wir ja auch das Buch geschriebe­n. Lebendige Beziehunge­n sind dein Geburtsrec­ht. Umgib dich mit Menschen, die dich leuchten lassen. Die an dich glauben. Die dir aber auch nicht gestatten, dich mit einer Schmalspur­version deiner selbst zufrieden zu geben. Lebendige Beziehunge­n sind nährendes Fruchtwass­er, herausford­ernde Sparrings-Rings und kreative Inkubation­sfelder in einem.

Bevor du das jetzt all deinen Beziehungs­partnerInn­en auf die Nase bindest, frag dich, ob du das selbst für diese Menschen bist.

Ermutige sie, es dir ehrlich zu sagen, wenn sie sich nicht mehr von dir gesehen und gefördert fühlen. Lebendige Beziehunge­n sind evolutionä­re Dienstleis­tungsunter­nehmen, powered by Love. <

„Lebendige Beziehunge­n sind dein Geburtsrec­ht. Umgib dich mit Menschen, die dich leuchten lassen. Die an dich glauben.“

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