033 | Raus aus dem Burnout
# Mein Weg zurück ins Leben
Jedes Jahr erleben etwa vier Prozent der Deutschen eine stressbedingte Erschöpfungskrise. Jährlich sind es also etwa 2,6 Millionen Burnout-Betroffene. Viele von ihnen sind mehrere Wochen lang krank. Sie fallen im Job aus, oftmals auch im Familienleben. Manche verbringen einige Zeit in psychosomatischen Kliniken. Andere überwinden die Erschöpfung auch ohne Klinikaufenthalt. Doch allen gemeinsam ist: Nach der akuten Krise regt sich der Wunsch nach einem Neuanfang. In ihrem Alltag, in ihrer Partnerschaft und ihren Familien, im Beruf. Sie alle fragen sich: Werde ich wieder richtig gesund werden? Werde ich wieder arbeiten können? Was hilft mir bei der Genesung? Muss ich alles verändern? Oder kann ich auch zurück in mein „altes Leben“? Vielleicht sogar in meine vorige berufliche Position? Aber wie gelingt es mir dann, mich nicht wieder zu verausgaben? ...
Wie verändert die Krise mein Familienleben? ... Oder zerstört die jahrelange Überforderung, die einem Burnout vorangeht, grundlegende Kräfte in einem Menschen? Auch von solchen Beispielen hat man gehört. Probleme wie psychische Erschöpfung, Depressionen und Angststörungen sind inzwischen zum Grund Nummer eins für eine vorzeitige Berentung geworden. Was unterscheidet die Menschen, die wieder auf die Füße kommen, von denen, die immer wieder in Stresskrisen rutschen und vielleicht dauerhaft arbeitsunfähig werden?
Mut für den Neustart
Dieses Buch gibt Ihnen Einblick in das Leben der Menschen, die ein Burnout erlebten. Sie lesen, wie verschiedene Menschen ihr Leben nach der Krise meistern. Klar ist: Das Burnout ist ein Wendepunkt im Leben. Die Erschöpfungskrise ist wie ein Erdbeben der Psyche, das alles ins Wanken bringt. Die Zeitrechnung teilt sich in „vor dem Burnout“und „nach dem Burnout“. Und für viele ist die Krise tatsächlich eine Chance für den Neuanfang. Sie nutzen sie als Neustart in ein Leben, das sich stimmiger und lebendiger anfühlt. Viele berichten davon, dass sie rückblickend sogar dankbar sind für den erzwungenen Wendepunkt, weil er ihnen dabei half, alte Verhaltensmuster hinter sich zu lassen und nun ein wirklich selbstbestimmtes Leben zu führen, das von Freude, Liebe, Vertrauen, Mut und einem guten Kontakt zu sich selbst geprägt ist. Ihr voriges Leben beschreiben sie im Vergleich dazu als sehr eng, starr und geprägt von dem Wunsch, „es gut zu machen“oder „es allen recht zu machen“. Die Fallbeispiele zeigen aber auch: Ohne eine wirkliche innere Veränderung wird das Leben nach der Krise nicht besser. Und: der Umschwung erfordert Mut, Einfallsreichtum und Durchhaltevermögen. Übungen aus der Achtsamkeit haben sich dabei für Burnout-Betroffene als sehr förderlich für das Gesundbleiben herausgestellt. Wer innehalten und sich selbst und die Umwelt so wahrnehmen kann, wie sie ist – ohne sofort in Bewertungen oder Muster der Aktion einzusteigen, hat immer wieder die Chance, bewusst zu entscheiden: So nehme ich diese Situation wahr. Und so ordne ich sie für mich ein. So möchte ich jetzt handeln. Oder so. Oder vielleicht möchte ich auch gar nicht handeln und kann die Situation einfach akzeptieren, wie sie ist.
„Die Fallbeispiele zeigen aber auch: Ohne eine wirkliche innere Veränderung wird das Leben nach der Krise nicht besser.“
So unterschiedlich die Geschichten der Genesung auch sind, von denen die Protagonisten in diesem Buch berichten, so gibt es doch Gemeinsamkeiten, die zeigen, welche Hebel Burnout-Betroffene betätigen, um ihr Lebensgefühl wieder in Balance zu bringen, zu Kräften zu kommen und sich gesund zu fühlen.
Achtsam ins neue Leben
„Momente der Achtsamkeit stärken die Selbststeuerung und damit das Gefühl von Selbstwirksamkeit“, weiß die Yogalehrerin und Therapeutin Nicole Plinz. „So entsteht eine Flexibilität, aus einer inneren Verankerung heraus. Menschen mit dieser Fähigkeit können durchaus einmal entscheiden, dass sie in einer Woche sehr viel arbeiten, weil sie ein Projekt fertig machen möchten. Aber sie sorgen genauso selbstbewusst in der nächsten Woche dafür, dass wieder Platz ist für Ruhe und Sozialleben.“Dabei findet es Plinz nicht wichtig, ob man nun Achtsamkeit oder eine andere Methode lebt, die einen im Hier und Jetzt verankert und dabei hilft, immer wieder ein Stück zurückzutreten und bewusst statt automatisch und gewohnheitsmäßig zu handeln. Der Grafiker Achim übt Achtsamkeit im Rahmen seiner bioenergetischen Übungen, die Markenfachfrau Maren schult sich jeden Freitag beim Malen in Achtsamkeit, indem sie ihre Aufmerksamkeit ganz ins Hier und Jetzt lenkt. Manche machen Yoga, andere gehen achtsam spazieren. Wichtig ist offensichtlich, dass man dranbleibt. Zumindest zeigen die ersten Evaluationen von Burnout-Therapien, dass vor allem diejenigen dauerhaft gesund bleiben, die zum einen die erwähnte Fehlerfreundlichkeit mit sich und anderen entwickeln und zum anderen ihren achtsamen Lebensstil aktiv durch Yoga, Achtsamkeit oder andere Übungen weiter pflegen. Zusammengefasst könnte man neun Eckpunkte beschreiben, die Burnout-Betroffene im Rückblick als besonders wichtig für ihre Genesung beschreiben:
1. Sie wollen wirklich etwas verändern. Und sie suchen sich dafür gute Partner aus dem Bereich von Therapie, Medizin, Coaching oder psychologischer Beratung.
2. Sie sehen die Belastung von außen – aber sie sind auch bereit, ihren persönlichen Umgang mit Anforderungen und Stress kritisch zu hinterfragen.
3. Sie lernen, sich selbst, ihr Denken, Fühlen und Handeln mit etwas Distanz zu betrachten. Übungen der Achtsamkeit, Qi-Gong oder andere Körperübungen helfen dabei.
4. Sie lassen sich auch von Ängsten oder Zweifeln nicht davon ab-
„Nach der akuten Krise regt sich der Wunsch nach einem Neuanfang.“
bringen, die Wahrheit über sich herausfinden zu wollen.
5. Sie wagen Neues: Was passiert, wenn ich Nein sage? Was passiert, wenn ich mir Zeit für mich nehme, meine Wünsche und Bedürfnisse ernst nehme? Wie wird mein Arbeitsergebnis, wenn ich geschickt abkürze? Wie sieht mein Leben aus, wenn ich meine Gefühle ernst nehme?
6. Sie üben sich auch nach der Zeit in Klinik oder Tagesklinik in einer achtsamen Lebenshaltung, die ihnen ermöglicht, zwischen typischen Schlüsselreizen, die ihr Leistungs-Ich ansprechen, und der Reaktion auf diese Reize eine Lücke zu schaffen. So entsteht Freiheit. Und sie können in vielen Situationen bewusst entscheiden, wie sie als freie, erwachsene Menschen handeln möchten, statt in alte Muster zu rutschen.
7. Sie entwickeln Fehlerfreundlichkeit und Mitgefühl sich selbst und anderen gegenüber. Das ermöglicht ihnen, mit den Unberechenbarkeiten des Lebens, mit Kränkungen, enttäuschten Erwartungen, ihren Belastungsgrenzen und gescheiterten Vorhaben gelassener umzugehen. Ihr Repertoire, mit dem sie ihren Selbstwert regulieren können, wächst und beruht nicht mehr ausschließlich auf Anpassung und Leistung.
8. Sie setzen ihre neuen Erkenntnisse beherzt um und entwickeln einen Lebensstil, der wirklich zu ihnen passt – auch wenn sie sich dafür gegenüber ihren Partnern und Familien, Arbeitgebern und Freunden durchsetzen müssen. Oftmals sortieren sie Freundeskreise ebenso wie ihre tägliche Arbeit oder sogar das gesamte Jobleben neu.
9. Sie kümmern sich in ihrem Leben nicht mehr nur um die Seite „Leistung und Umgang mit Herausforderungen“, sondern auch um andere wichtige Säulen des Wohlbefindens wie „Verbindung mit anderen“, „Ruhe“, „Sinn“und „Körper“. Lebensfreude, Genuss und Lebendigkeit sind nicht mehr das, was man sich so viele Jahre vergeblich als Belohnung für seine Leistung erhoffte, sondern wird zu etwas Selbstverständlichem, das es völlig umsonst gibt. <