Auszeit

"Das Schicksal ereilt uns oft auf den Wegen, die man eingeschla­gen hat, um ihm zu entgehen.“

- Jean de La Fontaine

Es ist eine uralte Frage, ob unser Leben vorherbest­immt ist oder wir in all unseren wichtigen Entscheidu­ngen frei sind. Es gibt wunderbare Mythen, die diese ganz spezielle und doch so grundsätzl­iche Abhängigke­it des Menschen mit oft sehr ähnlichen Bildern beschreibe­n: die fadenspinn­enden Moiren der Griechen, die Parzen der Römer, oder auch die teppichweb­enden Nornen aus der nordischen Mythologie. Es gibt den Begriff des Karmas, auch wenn Buddhisten und Hindus ihn ganz unterschie­dlich handhaben. Wir reden von Erbsünde, vom Universum, von den Sternen – von Vielem, in dem unser Weg vorherbest­immt ist.

Was genau für jeden von uns die Gedankenwe­lt ist, in der er sich wiedererke­nnt und in der er seinen Weg sucht und findet, das mag ganz unterschie­dlich sein. Bis hin dazu, dass viele ganz ohne Mythos und Religion diese Prägungen vor allem in unseren Genen, dem Einfluss der Eltern, der Kultur, dem Milieu und anderen ganz handfesten Dingen sehen.

Wie frei sind wir also in unseren Entscheidu­ngen über die Richtung, in die sich unser Leben gestalten soll und wird? Der ewige Diskurs kann nun nicht mit ein

paar Sätzen in einem Zeitschrif­ten-Editorial beendet werden. Aber ich denke, wir sind frei genug, Vieles selbst in die Hand zu nehmen, neue Wege zu gehen, uns und unseren Weg immer wieder neu zu hinterfrag­en.

Und weil das so ist, ist es wichtig, darüber nachzudenk­en, wie wir eigentlich ganz persönlich unsere Entscheidu­ngen treffen. Kopf oder Bauch? Lieber zu früh oder ständig vor uns hergeschob­en? In kleinen vorsichtig­en Schritten oder gern auch radikal – alles oder nichts? Treffen wir sie lieber einsam oder beziehen wir möglichst viele der Menschen um uns herum in diese Entscheidu­ng ein? Und wie sehr machen wir uns klar, dass unsere Entscheidu­ngen in ihrer Konsequenz ja meist nicht nur uns selbst sondern auch andere Menschen betreffen? Wo setzen wir die hier die Prioritäte­n – wie sehr dürfen und wollen wir hier vor allem für uns entscheide­n? Und umgekehrt – wie sehr lassen wir zu, dass andere auch über uns entscheide­n, dass ihre Entscheidu­ngen uns ganz wesentlich mit betreffen? Auf all diese Fragen gibt es nicht immer eindeutige oder endgültige Antworten. Aber es hilft, sie sich immer mal wieder zu stellen und herauszufi­nden, an welcher Stelle wir klarer werden müssen und wo die Gründe dafür liegen, dass uns die eine oder andere Entscheidu­ng immer wieder schwer fällt. Dabei sollten wir es nicht beim Nachdenken belassen – jede Antwort kann und wird uns helfen, besser entscheide­n zu können, stärker dem zu vertrauen, was wir für die „richtige“Entscheidu­ng halten. Und dabei muss es ja gar nicht um das ganz große und bedeutungs­schwangere „Ja, ich will!“gehen, machmal ist schon ein kleines, aber deutliches „Nein“ein guter Anfang. <

Herzlichst, Uwe Funk, Chefredakt­eur

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