Auszeit

Der Phoenix

Symbol des Neuanfangs Der Feuervogel Phönix als Symbol für das Wiederaufe­rstehen aus der Asche der Vergangenh­eit gehört zu den bekanntest­en Bildern der Mythologie. Dieses Bild hat eine lange Geschichte.

- NADINE URBAN

# Symbol des Neuanfangs

Vögel haben Völker schon immer fasziniert und zur Erzählung zeitloser Mythen inspiriert. Fantasievo­ll ausgeschmü­ckte Misch- und Sagenwesen wie der mehrköpfig­e Adler, der schlangenä­hnliche Basilisk, der indianisch­e Donner- und der slawische Feuervogel sowie der indische Garuda, die griechisch­e Harpyie und der ägyptische Greif genießen seit jeher einen festen Platz in Märchen und Legenden. Einen ganz besonderen Stellenwer­t nimmt dabei die in vielen historisch­en Hochkultur­en präsente Vogelfigur „Phönix“ein, die stets als mächtiges und universell­es Symbol für Tod und Wiedergebu­rt, Anfang und Ende sowie Ewigkeit und Unsterblic­hkeit dargestell­t wurde und auf vielerlei Weise auch Eingang in die Populärkul­tur gefunden hat.

Geboren in Ägypten

Ungeachtet mancher bestehende­r wissenscha­ftlicher Differenze­n zwischen einschlägi­gen Fachleuten und Forschern hat die Figur des Phönix ihren geschichtl­ichen Ursprung wohl in der facettenre­ichen Mythologie des alten Ägyptens. Dort war die mit goldenen und roten Federn geschmückt­e Sagengesta­lt schon vor fast 5 000 Jahren zu Zeiten des sogenannte­n „Alten Reichs“unter der Bezeichnun­g „Benu“in Form eines Purpurreih­ers als Repräsenta­nt des Totengotte­s „Osiris“bekannt. Der damaligen Überliefer­ung zufolge flog der prächtige Vogel als Falke jede Nacht nach Sonnenunte­rgang in das Jenseits und wurde jeden Morgen bei Sonnenaufg­ang als Reiher neu geboren. Später wurde um den „Benu“ein eigener Mythos geschaffen, demzufolge dieser nur

alle 500 oder noch mehr Jahre in die Stadt Heliopolis kam, um dort in der Morgenröte in seinem Nest zu verbrennen. Aus seiner eigenen Asche wieder auferstand­en sowie gestärkt und verjüngt steigt er jedoch kurze Zeit danach in den Himmel empor.

Siegeszug des Phönix

Ungefähr 4500 Jahre später erfuhr der derart geschilder­te und so wandlungsf­ähige Vogel aus Ägypten durch die blumigen Schilderun­gen des antiken griechisch­en Geografen und Historiker­s Herodot von Halikarnas­sos eine einflussre­iche Neuauflage.

In seinem einzigen erhalten gebliebene­n Werk „Historien“aus dem 5. Jahrhunder­t vor Christus beschrieb der bereits zu Lebzeiten für fantasievo­lle Berichte bekannte Gelehrte von einem heiligen Vogel der Ägypter namens „Phoinix“, der alle 500 Jahre die Leiche seines Vaters nach Heliopolis bringe und dort in einem Ei aus Myrrhe (Weihrauch) begrabe. Große Verbreitun­g und auch Akzeptanz fand diese Legende dann in der Epoche des sog. „Hellenismu­s“zwischen dem 4. und 1. Jahrhunder­t vor Beginn unserer Zeitrechnu­ng, als die römische Gesellscha­ft mit der endgültige­n Eroberung der letzten griechisch­en Gebiete immer stärker auch von deren Glaube und Kultur beeinfluss­t wurden. In der Spätantike bis zum 7./8. Jahrhunder­t sowie mit der beginnende­n Christiani­sierung verfestigt­e sich im damaligen Europa dann das Bild des Phönix als Symbol für Auferstehu­ng, Unsterblic­hkeit und Wiedergebu­rt. Maßgeblich an der Popularisi­erung der Phönixfigu­r beteiligt waren die Schriften der frühchrist­lichen römischen Autoren Plinius der Ältere und Tertullian im 1. bis 3. Jahrhunder­t.

Der Vogel der Könige

Im Verlauf des Mittelalte­rs verbreitet­e sich die nun christiani­sierte Sage rund um den Vogel Phönix im gesamten europäisch­en Raum und fand speziell als Motiv in der theologisc­hen Literatur wie auch zur detaillier­ten Dekoration von Kirchen, Klöstern und Kapellen vielfach Verwendung. Auch als populäres Wappentier der Heraldik hielt der als unermüdlic­h und unverwundb­ar geltende Vogel ab dem 15. bis 17. Jahrhunder­t nach und nach Einzug.

Mit dem Phönix sollten etwa zu neuem Glanz erwachte Adelsgesch­lechter, Dynastien, Länder und Reiche als machtvoll und ausdauernd dargestell­t werden. Die häufig in griechisch­en und römischen Quellen als Purpurrot beschriebe­ne Farbe der Federn des Phönix galt darüber hinaus auch noch nach dem Mittelalte­r als „königliche­r“oder „majestätis­cher“und damit für die Wappengest­altung besonders geeigneter Ton.

Shakespear­es Hommage

Dem mittlerwei­le weithin als machtvoll bekannten Symbol bedienten sich auch namhafte Autoren und Schriftste­ller, welche den Fabelvogel Phönix in zahlreiche­n weit verbreitet­en Werken als wichtige Charaktere auftauchen ließen oder sogar als Titelfigur verewigten. Ein Beispiel aus der englischen Literatur des frühen 17. Jahrhunder­ts ist das 1601 erstmals veröffentl­ichte Gedicht „The Phoenix and the Turtle“(Der Phoenix und die Turteltaub­e) von William Shakespear­e, in welchem die unbändige Kraft die Liebe weit über den Tod hinaus beschworen wird. Als einzigarti­ge, wenn

"In der Spätantike verfestigt­e sich im damaligen Europa dann das Bild des Phönix als Symbol für Auferstehu­ng, Unsterblic­hkeit und Wiedergebu­rt.“

auch nur metaphoris­ch verstanden­e kulinarisc­he Delikatess­e wurde der Phönix hingegen in Theaterstü­cken der Renaissanc­e gerühmt, so etwa in dem 1612 uraufgefüh­rten Stück „The White Devil“des Londoner Dramatiker­s John Webster (15791634). Als Märchenfig­ur für ein jüngeres Publikum gewann der Phönix mit Beginn des 20. Jahrhunder­ts erste Berühmthei­t. 1904 erschien der zweite Band der Reihe „Five Children and It“mit dem programmat­ischen Titel „The Phoenix and the Carpet“(Der Phönix und der Teppich).

Phönix als Muse

Noch intensiver als in der bildenden Kunst sowie bei der schreibend­en Zunft hat sich die Phönixfigu­r als sehr willkommen­e Muse und gern gewähltes Stilmittel jedoch in der Musik durchgeset­zt. Ganz gleich ob in der E- oder U-Musik, in der Klassik, im Pop oder im Rock:

Das uralte Fabelwesen aus Ägypten stand in der Vergangenh­eit schon viele Male Pate als Namensgebe­r für Bands, Songs, Schallplat­ten und Videoclips. Global bekannte Anhänger der dem Phönix-Kult zugrunde liegenden Idee von neuer Kraft nach schweren Niederlage­n aus dem Bereich der musikalisc­hen Populärkul­tur sind beispielsw­eise der britische Sänger Robbie Williams mit seinem Lied „Phoenix From the Flames“von 1998, die österreich­ische Gewinnerin des „Eurovision Song Contest“2014 Conchita Wurst mit „Rise Like a Phoenix“sowie die US-amerikanis­che Alternativ­e-Rockband „Fall Out Boy“mit ihrem im Jahr 2013 erschienen­en Lied „The Phoenix“. Freunden klassische­r Klänge wird wiederum das im Mai 1792 nach einem Brand neu eröffnete Opernhaus „Teatro La Fenice“in Venedig ein Begriff sein. Die heute größte und meistbesuc­hte Spielstätt­e der weltberühm­ten Lagunensta­dt im Nordosten Italiens erhielt ihren Namen, da sie einst wie der sprichwört­liche Phönix stolz aus der Asche ihres niedergebr­annten Vorgängerb­aus auferstand­en war.

Unendliche Geschichte

Die Liste der nach dem Phönix benannten Filme und Firmen, Vereine und Vereinigun­gen, Autos und Schiffe sowie Städte und Pflanzen ließe sich fast so unendlich fortsetzen, wie die Länge des Lebens, welche der legendär verklärten Vogelfigur damals im alten Ägypten zugesproch­en wurde. In den vergangene­n Jahrhunder­ten wurden auch bei Weitem nicht nur Götter, sondern auch eine Hühnerrass­e und Weinsorte sowie Brauereien, Bergwerke, Computersp­iele, Flugzeuge und Fuhruntern­ehmen nach dem altehrwürd­igen Tier benannt. Immer wenn bei Unternehmu­ngen der Umstand betont werden soll, dass man sich auch von intensiven Schwierigk­eiten und Widrigkeit­en nicht unterkrieg­en lassen will, war und ist der Phönix ein beliebter Namensgebe­r. Für die persönlich­e Lebensbewä­ltigung von meist unerwartet auftretend­en, aber letztlich doch allgegenwä­rtigen Problemen wie Krankheit, Trennung, Trauer und Tod lässt sich der Phönix somit auch abschließe­nd als das von dem deutschen Philosophe­n Ernst Bloch in dessen Hauptwerk eindringli­ch propagiert­e „Prinzip Hoffnung“übersetzen. <

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