Der Phoenix
Symbol des Neuanfangs Der Feuervogel Phönix als Symbol für das Wiederauferstehen aus der Asche der Vergangenheit gehört zu den bekanntesten Bildern der Mythologie. Dieses Bild hat eine lange Geschichte.
# Symbol des Neuanfangs
Vögel haben Völker schon immer fasziniert und zur Erzählung zeitloser Mythen inspiriert. Fantasievoll ausgeschmückte Misch- und Sagenwesen wie der mehrköpfige Adler, der schlangenähnliche Basilisk, der indianische Donner- und der slawische Feuervogel sowie der indische Garuda, die griechische Harpyie und der ägyptische Greif genießen seit jeher einen festen Platz in Märchen und Legenden. Einen ganz besonderen Stellenwert nimmt dabei die in vielen historischen Hochkulturen präsente Vogelfigur „Phönix“ein, die stets als mächtiges und universelles Symbol für Tod und Wiedergeburt, Anfang und Ende sowie Ewigkeit und Unsterblichkeit dargestellt wurde und auf vielerlei Weise auch Eingang in die Populärkultur gefunden hat.
Geboren in Ägypten
Ungeachtet mancher bestehender wissenschaftlicher Differenzen zwischen einschlägigen Fachleuten und Forschern hat die Figur des Phönix ihren geschichtlichen Ursprung wohl in der facettenreichen Mythologie des alten Ägyptens. Dort war die mit goldenen und roten Federn geschmückte Sagengestalt schon vor fast 5 000 Jahren zu Zeiten des sogenannten „Alten Reichs“unter der Bezeichnung „Benu“in Form eines Purpurreihers als Repräsentant des Totengottes „Osiris“bekannt. Der damaligen Überlieferung zufolge flog der prächtige Vogel als Falke jede Nacht nach Sonnenuntergang in das Jenseits und wurde jeden Morgen bei Sonnenaufgang als Reiher neu geboren. Später wurde um den „Benu“ein eigener Mythos geschaffen, demzufolge dieser nur
alle 500 oder noch mehr Jahre in die Stadt Heliopolis kam, um dort in der Morgenröte in seinem Nest zu verbrennen. Aus seiner eigenen Asche wieder auferstanden sowie gestärkt und verjüngt steigt er jedoch kurze Zeit danach in den Himmel empor.
Siegeszug des Phönix
Ungefähr 4500 Jahre später erfuhr der derart geschilderte und so wandlungsfähige Vogel aus Ägypten durch die blumigen Schilderungen des antiken griechischen Geografen und Historikers Herodot von Halikarnassos eine einflussreiche Neuauflage.
In seinem einzigen erhalten gebliebenen Werk „Historien“aus dem 5. Jahrhundert vor Christus beschrieb der bereits zu Lebzeiten für fantasievolle Berichte bekannte Gelehrte von einem heiligen Vogel der Ägypter namens „Phoinix“, der alle 500 Jahre die Leiche seines Vaters nach Heliopolis bringe und dort in einem Ei aus Myrrhe (Weihrauch) begrabe. Große Verbreitung und auch Akzeptanz fand diese Legende dann in der Epoche des sog. „Hellenismus“zwischen dem 4. und 1. Jahrhundert vor Beginn unserer Zeitrechnung, als die römische Gesellschaft mit der endgültigen Eroberung der letzten griechischen Gebiete immer stärker auch von deren Glaube und Kultur beeinflusst wurden. In der Spätantike bis zum 7./8. Jahrhundert sowie mit der beginnenden Christianisierung verfestigte sich im damaligen Europa dann das Bild des Phönix als Symbol für Auferstehung, Unsterblichkeit und Wiedergeburt. Maßgeblich an der Popularisierung der Phönixfigur beteiligt waren die Schriften der frühchristlichen römischen Autoren Plinius der Ältere und Tertullian im 1. bis 3. Jahrhundert.
Der Vogel der Könige
Im Verlauf des Mittelalters verbreitete sich die nun christianisierte Sage rund um den Vogel Phönix im gesamten europäischen Raum und fand speziell als Motiv in der theologischen Literatur wie auch zur detaillierten Dekoration von Kirchen, Klöstern und Kapellen vielfach Verwendung. Auch als populäres Wappentier der Heraldik hielt der als unermüdlich und unverwundbar geltende Vogel ab dem 15. bis 17. Jahrhundert nach und nach Einzug.
Mit dem Phönix sollten etwa zu neuem Glanz erwachte Adelsgeschlechter, Dynastien, Länder und Reiche als machtvoll und ausdauernd dargestellt werden. Die häufig in griechischen und römischen Quellen als Purpurrot beschriebene Farbe der Federn des Phönix galt darüber hinaus auch noch nach dem Mittelalter als „königlicher“oder „majestätischer“und damit für die Wappengestaltung besonders geeigneter Ton.
Shakespeares Hommage
Dem mittlerweile weithin als machtvoll bekannten Symbol bedienten sich auch namhafte Autoren und Schriftsteller, welche den Fabelvogel Phönix in zahlreichen weit verbreiteten Werken als wichtige Charaktere auftauchen ließen oder sogar als Titelfigur verewigten. Ein Beispiel aus der englischen Literatur des frühen 17. Jahrhunderts ist das 1601 erstmals veröffentlichte Gedicht „The Phoenix and the Turtle“(Der Phoenix und die Turteltaube) von William Shakespeare, in welchem die unbändige Kraft die Liebe weit über den Tod hinaus beschworen wird. Als einzigartige, wenn
"In der Spätantike verfestigte sich im damaligen Europa dann das Bild des Phönix als Symbol für Auferstehung, Unsterblichkeit und Wiedergeburt.“
auch nur metaphorisch verstandene kulinarische Delikatesse wurde der Phönix hingegen in Theaterstücken der Renaissance gerühmt, so etwa in dem 1612 uraufgeführten Stück „The White Devil“des Londoner Dramatikers John Webster (15791634). Als Märchenfigur für ein jüngeres Publikum gewann der Phönix mit Beginn des 20. Jahrhunderts erste Berühmtheit. 1904 erschien der zweite Band der Reihe „Five Children and It“mit dem programmatischen Titel „The Phoenix and the Carpet“(Der Phönix und der Teppich).
Phönix als Muse
Noch intensiver als in der bildenden Kunst sowie bei der schreibenden Zunft hat sich die Phönixfigur als sehr willkommene Muse und gern gewähltes Stilmittel jedoch in der Musik durchgesetzt. Ganz gleich ob in der E- oder U-Musik, in der Klassik, im Pop oder im Rock:
Das uralte Fabelwesen aus Ägypten stand in der Vergangenheit schon viele Male Pate als Namensgeber für Bands, Songs, Schallplatten und Videoclips. Global bekannte Anhänger der dem Phönix-Kult zugrunde liegenden Idee von neuer Kraft nach schweren Niederlagen aus dem Bereich der musikalischen Populärkultur sind beispielsweise der britische Sänger Robbie Williams mit seinem Lied „Phoenix From the Flames“von 1998, die österreichische Gewinnerin des „Eurovision Song Contest“2014 Conchita Wurst mit „Rise Like a Phoenix“sowie die US-amerikanische Alternative-Rockband „Fall Out Boy“mit ihrem im Jahr 2013 erschienenen Lied „The Phoenix“. Freunden klassischer Klänge wird wiederum das im Mai 1792 nach einem Brand neu eröffnete Opernhaus „Teatro La Fenice“in Venedig ein Begriff sein. Die heute größte und meistbesuchte Spielstätte der weltberühmten Lagunenstadt im Nordosten Italiens erhielt ihren Namen, da sie einst wie der sprichwörtliche Phönix stolz aus der Asche ihres niedergebrannten Vorgängerbaus auferstanden war.
Unendliche Geschichte
Die Liste der nach dem Phönix benannten Filme und Firmen, Vereine und Vereinigungen, Autos und Schiffe sowie Städte und Pflanzen ließe sich fast so unendlich fortsetzen, wie die Länge des Lebens, welche der legendär verklärten Vogelfigur damals im alten Ägypten zugesprochen wurde. In den vergangenen Jahrhunderten wurden auch bei Weitem nicht nur Götter, sondern auch eine Hühnerrasse und Weinsorte sowie Brauereien, Bergwerke, Computerspiele, Flugzeuge und Fuhrunternehmen nach dem altehrwürdigen Tier benannt. Immer wenn bei Unternehmungen der Umstand betont werden soll, dass man sich auch von intensiven Schwierigkeiten und Widrigkeiten nicht unterkriegen lassen will, war und ist der Phönix ein beliebter Namensgeber. Für die persönliche Lebensbewältigung von meist unerwartet auftretenden, aber letztlich doch allgegenwärtigen Problemen wie Krankheit, Trennung, Trauer und Tod lässt sich der Phönix somit auch abschließend als das von dem deutschen Philosophen Ernst Bloch in dessen Hauptwerk eindringlich propagierte „Prinzip Hoffnung“übersetzen. <