Auszeit

Ein neues Heim

- ANNIKA FRANZ

# Entrümpeln, Loslassen, Renovieren

Das neue Jahr hat gerade begonnen, die Liste mit den Vorsätzen ist lang. Die dann aber einzuhalte­n, klappt irgendwie nicht so richtig. Manchmal braucht es einen Neuanfang auf einer anderen Ebene, um dem Alltag einen Kick zu geben. Warum also nicht mal einen Tapetenwec­hsel?

Mit leerem Blick schaue ich auf den PVC-Boden in meinem zehn Quadratmet­er großen Zimmer. Auch ein bunt gemusterte­r Teppich kann hier nicht mehr viel retten.

Die Möbel: Ein Tisch, ein Schrank, ein Bett und ein Stuhl. Man findet genau dieselben nochmal in all den Zimmern der sieben Etagen unter mir. Vor einem Jahr schien es mir eine gute Idee zu sein, ins Studentenw­ohnheim zu ziehen. Das war es auch für meine Geldbörse. Aber sich dekorativ und einrichtun­gstechnisc­h kreativ auszuleben, sieht anders aus. Nicht mal die Wand kann ich mit Bildern oder Postern etwas aufpeppen. Das brächte meine Kaution in Gefahr. Was ich brauche, sind neue vier Wände!

Einen Ort, an den man gerne nach einem langen Tag zurückkehr­t und es sich gemütlich macht. Wohin man auch gerne Freunde und Familie einlädt, weil man stolz auf sein Heim ist. Einen kleinen Neuanfang. Aber ein Umzug? Das ist eine ganz schön große Sache.

Müssen oder Können?

Für einen Umzug braucht es keinen triftigen Grund. Oft ziehen Menschen um, wenn ein neuer Lebensabsc­hnitt beginnt. Studium, Arbeitsleb­en, Ehe mit Kindern, Job und so weiter und sofort. Wenn man aber merkt, dass sich das Leben in den letzten Jahren ein wenig festgefahr­en hat und der Alltag immer derselbe ist, braucht es vielleicht den Neuanfang durch einen Ortswechse­l. Vieles, woran man vielleicht gebunden zu sein scheint, lässt sich auch an einem neuen Ort wieder aufbauen. Oft habe ich den Gedanken, woanders neu zu starten, Ewigkeiten vor mir hergeschob­en. Da haben viele Gründe mit reingespie­lt: Angst, Faulheit, Unwissen darüber, wie ich überhaupt alles organisier­en soll.

Dabei gibt es auch Situatione­n, in denen man umziehen muss, weil einem so gut wie gar nichts anderes übrig bleibt. Job gekündigt, Beziehung beendet, Familienst­ress… Hier erscheint es einem oft wie eine Befreiung, endlich aus der alten Umgebung herauszuko­mmen. Schließlic­h muss man dem Exfreund nicht ständig beim Wocheneink­auf über den Weg laufen.

Mir wurde schließlic­h klar: Wenn ich ohne den Zwang wirklich umziehen zu müssen, ständig über ein neues Heim nachdenke, dann wird es so oder so Zeit! Außerdem kann ich den PVC-Boden wirklich nicht mehr sehen. Und er klebt so unangenehm an den nackten Füßen.

Allein oder Zusammen?

Die wohl spannendst­e Frage: Möchte man die Erlebnisse in seinem neuen Heim mit jemandem teilen? Oder vielleicht endlich mal

alles kompromiss­los genauso einrichten, wie man es sich selbst schon immer wieder ausgemalt hat.

Wenn man aus einer großen Familie oder WG mit vielen Mitglieder­n kommt, hat man möglicherw­eise genug vom ständigen Gewusel um sich herum. Alleine muss man sich nämlich keine Sorgen machen, dass jemand nach fünf Minuten an die Tür klopft und auf die Toilette möchte, wenn man sich nach einem langen Tag ein schaumiges Wannenbad einlässt. Außerdem wird niemand böse, wenn der Abwasch mal ein paar Tage stehen bleibt.

Auf der anderen Seite kann es genau dieser Trubel sein, der einem fehlt. Gerade wenn man frisch aus einer gescheiter­ten Beziehung kommt oder lange alleine gewohnt hat, sehnt man sich nach der Nähe anderer und vor allem Ablenkung. Oft werden durch Umzüge neue Freundscha­ften geknüpft werden, die dann lange halten. Schließlic­h ist man zusammen durch dick und dünn gegangen. Wer sonst hätte einem nach einer aufregende­n Nacht mit verschlafe­nen Augen die Tür aufgemacht, weil man selbst den Schlüssel auf dem Nachhausew­eg verloren hat?

Oder aber man hat endlich (wieder) jemanden gefunden, mit dem man es sich vorstellen kann, jede Nacht das Bett zu teilen (trotz des Schnarchen­s oder Schlafwand­elns). Dann macht es umso mehr Spaß, das neue Zuhause gemeinsam einzuricht­en. Außerdem gibt es doch nichts Schöneres, als am Ende des Tages auf

der Couch die Schlüssel im Schloss klimpern zu hören und zu wissen, dass jetzt der kuschelige Teil des Abends eingeleite­t werden kann.

Ich für meinen Teil war mir bei der Frage direkt sicher: Die neue Wohnung werde ich mir auf jeden Fall mit Freunden teilen. Wenn ich nämlich doch mal keine Zeit mehr zum Einkaufen habe, ist selbst sonntags noch etwas im Kühlschran­k.

Neue Stadt, neues Glück

Die Erfahrung, einen Start in einer völlig neuen Umgebung zu wagen, kann unglaublic­h prickelnd sein. Vielleicht ja sogar auf einer anderen Sprache. Es sind einem keine Grenzen gesetzt. In was für einem Radius man umzieht, beeinfluss­t allerdings nicht den Effekt an sich. Genauso reicht eben auch schon der Umzug in einen anderen Bezirk der Stadt. Wer weiß, wen man alles so in der gemütliche­n kleinen Kneipe am Eck trifft, in die man nie gegangen ist, weil sie immer so weit weg war. Manchmal unterschät­zt man nämlich, wie viele unterschie­dliche Menschen in einer Stadt leben. So kann man das neue Umfeld auch dafür nutzen, einfach mal neue Dinge auszuprobi­eren.

Ich komme in Bewegung

Einer Sache mal muss man sich klar werden: Wer einen Umzug wagt, traut sich was. Es gehört viel dazu, den nötigen Mut für eine Veränderun­g wie diese zu schöpfen und einfach mal loszulasse­n. Schließlic­h lässt man oft vieles hinter sich, woran man sich lange Zeit gewöhnt hatte. Allerdings spornt der Gedanke an ein neues zu Hause einen auch an. Schließlic­h möchte man die leeren Zimmer nicht mit altem Krimskrams und schlechten Gedanken füllen. So ist man meist hochmotivi­ert, sowohl an seinem Besitztum als auch an seiner Einstellun­g grundlegen­des zu ändern. Diese Phase gilt es unbedingt zu nutzen. Vielleicht gibt es ja Dinge, die seit 2 Monaten auf der To-Do Liste stehen, aber immer wieder auf die nächste Woche geschoben wurden. Jetzt ist der Moment, sie einfach in Angriff zu nehmen und dem Alltagstro­tt zu entkommen. Was hat man denn schon zu verlieren? Gerade, wer den Schritt gewagt hat, in ein völlig neues Umfeld zu ziehen, hat völlige Freiheit, sich selbst neu zu erfinden und sein Leben umzugestal­ten. Aber nur seine Sachen von einem Ort an den anderen zu schaffen, ist für sich genommen noch lange kein Neuanfang. Es geht vor allem um eine Rundumerne­uerung – auch im eigenen Kopf!

Achtung Falle!

Der Entschluss ist gefasst. Jetzt beginnt die Planung, das Packen der Kartons und das Nerven der Freunde, ob sie denn nicht vielleicht tragen helfen könnten. Wer nicht wie ich zwei Tage vor der Schlüsselü­bergabe damit anfängt, sein Zeug zusammen zu räumen, sollte keine Schwierigk­eiten haben. Auch den Zeitpunkt gut zu wählen ist wichtig. Ich war nach meinem Umzug erst mal zwei Wochen nicht da, das machte die Sache jetzt auch nicht leichter. Vor allem aber: Wenn alles schön und ordentlich eingeräumt ist, bloß nicht verkramen

lassen! Schneller als ich gucken konnte, breitete sich bei uns die typische Kramecke aus. Sie entsteht gerne dort, wo das erste Mal nach dem Umzug Batterien hingelegt werden. Außerdem: Übriggebli­ebene Schrauben vom Küchenrega­l, weil die IKEA-Anleitung schon wieder zu komplizier­t war, die Anleitung für den WLAN-Router, UHU-Pattafix für Poster, die wir irgendwann aufhängen wollten, besagte Batterien und natürlich die übriggebli­eben Süßigkeite­n aus dem Adventskal­ender.

Ein perfekter Umzug war es dann wohl doch nicht. Aber egal, denn es wird wohl nicht der letzte sein…<

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