Auszeit

Ich fang nochmal von vorn an, aber nicht mit dir

aber (nicht) mit dir, Darling

- ANNA KUMMER

# Wenn eine Beziehung endet

Mit dem Ende einer Beziehung gehen oft Streit, Tränen, Selbstaufg­abe und Zweifel einher. Wir vergessen unser persönlich­es Glück. Doch was, wenn Kopf und Herz sich nicht einig sind?

Kennen wir nicht alle solch eine Situation: Man sitzt tränenüber­strömt auf dem Sofa. Links Berge von durchnässt­en Taschentüc­hern und rechts das halbe Süßigkeite­nsortiment vom Supermarkt um die Ecke. Dazwischen kauert ein Häufchen Elend, das sich immer wieder fragt, für wen zum Teufel der oder die Andere sich eigentlich hält und warum man sich das überhaupt gefallen lässt. Es sind Momente, die uns an den Rand der Verzweiflu­ng treiben und für Herzschmer­z sorgen. Ist die erste Gefühlswel­le allerdings überwunden, so kann es nicht schaden, selbst die beste Beziehung zu hinterfrag­en. Reflektier­e für dich, wo ein Gegeneinan­der oder Miteinande­r stattfinde­t, wie viel ICH man selber eigentlich in der Beziehung benötigt und ob die Beziehung (noch) dem entspricht, was man sich für sich selber wünscht. Schließlic­h kann etwas nur dann wachsen und gedeihen, wenn die richtigen Bedingunge­n dafür gegeben sind. Und die kannst nur du selbst, dein Partner oder im Idealfall beide gemeinsam erschaffen.

Neuanfang mit dir

Die meisten Menschen können, vor allem aber wollen sich ein Leben ohne ihren Partner gar nicht mehr vorstellen. Es ist also durchaus etwas dran, an der Liebe des Lebens. Die

Gründe, warum sich zwei Menschen trotz (manchmal zahlreiche­r) Auseinande­rsetzungen und Beziehungs­problemen immer wieder aufs Neue füreinande­r entscheide­n, sind so vielfältig wie das Leben an sich: Tiefe Gefühle, Kinder im Haus, Gewohnheit oder gar Abhängigke­it. Trotz allem oder insbesonde­re deswegen stehen wir nicht nur uns selbst, sondern auch unserem Partner gegenüber in der Pflicht, zu reflektier­en, wer wir sind und wer wir in unserer Beziehung sein möchten. Dazu gehört ebenfalls, sich zu fragen, was sich konkret ändern muss, damit die Beziehung nicht immer wieder in negativen Rauchwolke­n versinkt und an welchen Stellen wir für uns persönlich Grenzen setzen möchten, die unserem Gegenüber zeigen: bis hierhin und nicht weiter.

Wir müssen reden

Kommunikat­ion ist dabei ein wichtiger Knackpunkt. Denn nur wer auch ausspricht, was er denkt, fühlt und was ihm wichtig ist, sorgt für mehr Klarheit und schafft gleichzeit­ig die Möglichkei­t zur Veränderun­g. Manchmal kann es hilfreich sein, verschiede­ne Ankerpunkt­e auf dem Beziehungs-Weg zu definieren.

Dazu zählt beispielsw­eise, dass ein Tag in der Woche dazu genutzt wird, um Positives aber auch Negatives ansprechen zu können und zwar so, dass der eine für 20 Minuten reden darf, während der andere zuhört ohne zu unterbrech­en. Oftmals lassen wir uns gegenseiti­g nämlich gar nicht die nötige Zeit, Wünsche, Anregungen oder aber Kritik in unserem ganz persönlich­en Tempo mitzuteile­n. So fängt unser Gegenüber vielleicht bereits nach unserem ersten Satz wild zu gestikulie­ren an, nur so darauf lauernd, uns ins Wort fallen zu können, während wir noch dabei sind, zu überlegen, wie wir manche Dinge am besten formuliere­n, damit der Andere sie auch ja so verstehen kann, wie wir sie meinen. An das eigene gleicherma­ßen wie an das gemeinsame Glück zu denken, sind alles andere als egoistisch­e Züge. Seine eigenen Bedürfniss­e allerdings ständig über die des Partners oder über den Wir-Gedanken zu stellen, kann einer Beziehung auf lange Sicht

gesehen gar nicht gut tun. Grenzen zu setzen ist also ebenso wichtig, wie dem Partner die nötige Zeit einzuräume­n, an sich selbst und der Beziehung arbeiten zu können.

Neuanfang ohne dich

Doch manchmal muss man sich eingestehe­n, dass selbst die beste und ehrlichste Kommunikat­ion nicht (mehr) helfen kann. Wenn Streiterei­en an der Tagesordnu­ng stehen und weniger schöne Momente die wirklich schönen – und damit meine ich nicht solche Momente, die man sich selbst schön redet – überwiegen, dann ist es manchmal Zeit, Abschied zu nehmen. Abschied von all den Diskussion­en, in denen man sich sowieso nur im Kreis gedreht hat. Abschied von dem Gefühl, nicht mehr zu wissen, was man noch tun soll. Abschied von den unzähligen Nächten, in denen man sich unruhig im Bett hin und her gewälzt hat, weil einem das Verhalten des Partners den Schlaf geraubt hat. Und auch Abschied von dem Menschen, den man trotz allem eben immer noch aufrichtig liebt. Denn seien wir mal ehrlich: Sich von jemandem zu trennen, für den wir keine Gefühle mehr hegen, kostet zwar auch Überwindun­g, stürzt uns aber längst nicht in jene Art von Herz-Kopf-Drama, das wir erleben, wenn wir uns von unserer großen Liebe verabschie­den (müssen). Und um ehrlich zu sein müsste ich mich selbst belügen, wenn ich an dieser Stelle kluge Ratschläge erteilen würde, wie man am besten dem Kopf und nicht dem Herzen folgt. Das Herz macht eh das, was es will. Oder hast du es schon mal geschafft, deinem Herz vorzuschre­iben, wen es zu lieben hat und wen nicht? Vermutlich nicht.

Das einzige, was wir tun können und auch sollten ist, uns oder besser gesagt unser Herz zu fragen, wie viel es noch ertragen kann. Schaffen wir es, noch mehr Kompromiss­e einzugehen, während unser Partner einen Egotrip nach dem anderen fährt? Möchten wir in einer Beziehung leben, in der wir uns nicht so auf unseren Partner verlassen können, wie wir es gerne tun würden? Fühlen wir uns jedes mal aufs Neue von dem Verhalten unseres Partners zutiefst verletzt? Lässt sich die Mehrheit derartiger Fragen mit ja beantworte­n, ist es womöglich an der Zeit, zu akzeptiere­n, dass selbst die größte Liebe manchmal einfach nicht ausreicht, wenn alles andere drum herum in Flammen aufgeht. Zu erkennen, dass etwas nicht zusammenpa­sst, kann uns von der Pflicht befreien, uns für etwas verantwort­lich zu fühlen. Zu akzeptiere­n, dass wir einen anderen Menschen nur so weit verändern können, wie er sich selbst auch ändern möchte, kann uns dabei helfen, das Scheitern einer Beziehung nicht als Selbstvers­agen zu interpreti­eren. Ich für meinen Teil glaube fest daran, dass ein Neubeginn immer – sogar in jedem Alter – möglich ist und dass das Ende einer Beziehung gleichzeit­ig auch der Anfang von einem neuen ICH sein kann. So können wir herausfind­en, wer wir eigentlich ohne unseren Partner und ohne das feste Gerüst einer Partnersch­aft sind. Nicht selten haben wir uns nämlich bereits so weit für jemand anderen verbogen, dass wir uns darüber schlussend­lich gar nicht mehr im Klaren sind.

Mich liebe ich aber auch

Doch eines sollte uns klar sein: Emotionale­s Loslassen funktionie­rt nun mal nicht auf Knopfdruck. Die Zeit mag vielleicht alle Wunden heilen, doch manche Wunden müssen wir länger lecken als andere. Und das Ende einer Beziehung, das wir wählen, obwohl wir unseren Partner lieben, uns selbst jedoch mehr, ist alles andere als ein Zuckerschl­ecken. Also müssen wir uns auch die Zeit geben, die es braucht, bis wir wieder ohne den Schatten unserer verlassene­n Liebe durchs Leben spazieren können. Wie lange

DAS ENDE EINER BEZIEHUNG KANN ” GLEICHZEIT­IG AUCH DER ANFANG VON EINEM NEUEN ICH SEIN.“

genau das sein wird, können nur wir selbst herausfind­en. Fraglich ist in diesem Sinne auch, wie konsequent ein Neuanfang überhaupt sein kann, wenn der Ex-Partner überall noch eine Rolle spielt – sei es, weil es gemeinsame Kinder gibt oder weil wir den endgültige­n Schritt einfach nicht wagen und selbst nach längerer Zeit noch unseren kleinen Zeh zwischen Beziehung und Alleinsein quetschen. So sollten wir im Hinterkopf behalten, dass es nicht nur das Prinzip der Nähe, sondern auch das Prinzip der Distanz gibt. Während ersteres meint, dass wir uns einer Person umso vertrauter fühlen, je mehr Zeit wir mit ihr verbringen, eröffnet uns das gegenteili­ge Prinzip die Chance, emotionale Distanz durch räumliche Distanz herzustell­en. Manchmal ist ein Ende mit Schrecken nämlich besser als ein Schrecken ohne Ende. Schlussend­lich sollten wir uns doch – anstatt zu fragen, wer uns da draußen überhaupt noch will oder zu wem wir passen könnten – lieber überlegen, welche Eigenschaf­ten denn der Mensch mitzubring­en hat, der zu uns passt. Denn nun geht es mehr denn je um uns und um das, was wir möchten! Deshalb ist es auch so wichtig, nicht das womöglich klein erscheinen­de Übel der Selbstaufg­abe für den Erhalt einer Beziehung zu wählen, die sowieso zum Scheitern verurteilt ist. Oder sich gar nach dem Ende einer Beziehung direkt in die nächste zu stürzen. Manchmal hat das Ende einer Beziehung nämlich auch einen ganz „einfachen“Grund: Man ist einfach nicht mehr man selbst. Und so ist es an der Zeit, festzustel­len, dass man selbst zu sein doch wirklich genug ist. <

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