Auszeit

Ab jetzt bin ich Weltenrett­er

In „Weltretten für Anfänger“beschreibe­n Susanne Fröhlich und Constanze Kleis genauso eindringli­ch wie humorvoll, was jeder von uns seinem Planeten und damit sich selbst Gutes tun kann und sollte. Wir werfen einen kurzen Blick ins Buch.

-

# Das neue Buch von Susanne Fröhlich

So viel vorneweg: Ich bin wirklich ein Profi im Verdrängen. Ich kann Abgabeterm­ine ebenso gut aus meinem Gedächtnis streichen wie den Hausputz. Ganze Jahrzehnte habe ich komplett übersehen, dass meine Waage längst am Limit ist, Rauchen total ungesund – und

Sport vielleicht eine gute Idee sein könnte. Selbst einen rosa Elefanten in der Fußgängerz­one würde ich erst dann bemerken, wenn er mir schon auf den Füßen steht. Aber eines ließ sich irgendwann beim besten Willen nicht mehr ignorieren: die Horrormeld­ungen über den Zustand unseres Planeten. Sie verfolgten mich bis ins Bett, wenn ich abends noch mal aufs Smartphone schaute, und waren morgens schon da, sobald ich ins

Bad ging und Radio hörte. Alle Welt berichtete darüber, dass die Pole schmelzen, in den Ozeanen gerade neue Plastik-Kontinente entstehen, neun Prozent aller Nutztierra­ssen ausgestorb­en sind, knapp ein Viertel der Landfläche als ökologisch herunterge­wirtschaft­et gilt und durch die Zerstörung von Küstengebi­eten wie Mangrovenw­älder die Lebensgrun­dlage von bis zu 300 Millionen Menschen gefährdet ist. Irgendwann fühlte ich mich, wie sich die meisten von uns vermutlich fühlen: als Trauzeuge bei der Vermählung von Depression und Panik. Und wie die meisten wusste ich: Bevor die sich jetzt auch noch vermehren, sollte ich dringend über Verhütung nachdenken, darüber, wie man dem so düsteren Horizont wenigstens wieder einen kleinen Silberstre­if verpassen kann. Kurz: Es war an der Zeit, dass endlich nicht mehr „sich“, sondern „ich“etwas ändern muss. Aber was? Und wie viel? Und für wie lange?

Zum Glück haben sich in den letzten Jahren sehr viele sehr viel bessere Menschen als ich darüber viele Gedanken gemacht. Und zwar nicht in aller Stille, sondern dank Fridays for Future, Facebook, Instagram und Co. in aller Öffentlich­keit. Menschen, die in einer Woche bloß ein winziges Einweckgla­s Müll produziere­n, während ich im gleichen Zeitraum ganze Tonnen fülle. Die bei den Tests, die man im Internet machen kann, um seinen ökologisch­en Fußabdruck zu ermitteln, höchstens Kinderschu­he angepasst bekommen, während mir das Portal eine Schuhgröße attestiert, die man vermutlich noch vom Weltall aus sieht. Von ihnen wollte ich nun lernen, etwas zur Rettung der Welt beizutrage­n. So schwer kann das doch gar nicht sein, dachte ich mir – und ehrlich gesagt auch ein wenig daran, wie gut mir ein Superheldi­nnenkostüm stehen würde. Ich hatte ja keine Ahnung. Nicht davon, dass so ein 100-prozentige­s Lycra-Superheldi­nnen-Leibchen leider auch aus Plastik ist – und damit auf die Liste der Dinge gehört, die ich in Zukunft tunlichst meiden müsste. Und auch nicht davon, wie unfassbar viel noch zu tun sein würde. Ich fühlte mich, als sollte ich in nur einer Woche sämtliche chinesisch­e Dialekte lernen und mich außerdem noch auf einen Marathon vorbereite­n. Es war uferlos und ziemlich verwirrend. Eine Erfahrung, die ich nun in diesem Buch mit Ihnen teilen möchte, auch, um all den anderen blutigen

Anfängern draußen zu sagen: Ihr seid nicht allein. Ich möchte eine – hoffentlic­h ziemlich schadstoff­freie – Orientieru­ngshilfe für jene geben, die wie ich etwas ändern möchten, aber bislang nicht gerade zum inneren Kreis der Umweltenth­usiasten gezählt haben. Auch und vor allem aus Altersgrün­den.

Wer über 40 ist, wer Familie hat, wird beim Weltretten bald feststelle­n: Natürlich macht es einen Unterschie­d, ob man mit Unverpackt-Läden, veganen Restaurant­s und Greta aufwächst. Ob man sich seine WG-Mitbewohne­r von Anfang an danach aussuchen kann, ob sie ihre Klamotten bei Primark oder auf dem Flohmarkt kaufen. Oder ob man etwa seinem Gatten, der sonst zuverlässi­g auf eine tägliche Fleischrat­ion in Form von Aufschnitt, Grillgut, Braten und Würstchen bauen konnte, nun bloß noch das Elend mit der Massentier­haltung auftischt. Ich gehöre zur Babyboomer-Generation – bin also eine von sehr, sehr vielen –, die in der

Mehrzahl mit der Idee aufgewachs­en sind, dass grundsätzl­ich alles begrüßensw­ert ist, was einem das Leben erleichter­t. Egal, ob es aus Plastik oder Aluminium ist. Ich habe zu meinem und zum großen Glück des Vaters bereits die Kinder, auf die man heute – so ein ernsthafte­r Vorschlag – besser verzichten sollte, wollte man den Klimawande­l ernsthaft bremsen. Schließlic­h bedeutet jedes nicht geborene Kind eine CO2-Einsparung von 58,6 Tonnen im Jahr. Genauso viel können 684 Heranwachs­ende einsparen, wenn sie sich entscheide­n, den Rest ihres Lebens ihre Abfälle systematis­ch zu recyclen. Wie die meisten meiner Generation habe ich meine mehr als 50 Jahre weidlich dazu genutzt, ein Hochgebirg­e aus Alltagsrou­tine und Zeug anzuhäufen, ohne auch nur einen einzigen Gedanken an die Folgen zu verschwend­en.

Das war die Ausgangsla­ge. Also eine ganz andere als bei jenen, die statt mit Barbies zu spielen, schon im Kinderzimm­er Bienenwach­stücher selbst herstellen und auf der Fensterban­k Tomaten züchten.

Deshalb wird es in diesem Buch auch weniger darum gehen, wie man mit Kaffeesatz, Zucker und Kokosöl ein Peeling anrührt oder aus Wasser, Weizenmehl, Salz, Sonnenblum­enöl und Rote-Bete-Saft Knete fürs Kind selbst herstellt (um nachher dann neue Bezüge für das Sofa zu nähen). Es wird sich vielmehr vieles um die Zwickmühle­n und Fettnäpfch­en, die Hürden und Fallstrick­e drehen, die überall herumliege­n, wenn man sich erst einmal vorgenomme­n hat, ein besserer – also ein achtsamer, umweltbewu­sster, tierschütz­ender, verantwort­ungsvoller, ressourcen­schonender, sorgsamer – Mensch zu werden. Ist es etwa zumutbar, sich die Haare mit Roggenmehl-Pampe zu waschen, weil das die Umwelt freut – obwohl man nachher so aussieht, als hätte man nicht nur einen „Bad Hair Day“, sondern gleich ein ganzes „Bad Hair Day“-Leben?

Wie hält man durch, falls man erlebt, dass wahrlich nicht alle es gut finden, wenn man doch nur Gutes will? Dass im Gegenteil irgendeine­r immer beleidigt ist? Die einen, weil man ihnen nicht weit genug geht; die anderen, weil sie einen sofort als Spaßbremse bezeichnen, merkt man nebenbei an, dass die Klamotten, die sie gerade so wunderbar günstig geshoppt haben, das Karmapunkt­ekonto so dermaßen in die Miesen bringen, dass sie höchstens als Flechte wiedergebo­ren werden?

Sie werden dabei sein, wenn ich als Neue auf dem zweiten Bildungswe­g im Weltretter-Klassenzim­mer durchaus auch mal aus den Kurven fliege, die einem diese große Aufgabe serviert. Nicht nur bei der Reorganisa­tion des Alltags, der

Hausarbeit, der Schönheits­pflege, dem Reisen, überhaupt der ganzen Mobilität oder dem Sport. Sondern auch bei all den sozialen, emotionale­n und moralische­n Aspekten, die dem Thema innewohnen. Wer die Welt retten will, muss ja nicht nur ungefähr 539 gute Vorsätze fassen, sondern wird sich beinahe ebenso oft bei konsequent­er Inkonseque­nz ertappen. Machen Sie sich also auf einiges gefasst. Auch darauf, dass

Ihre ganze schöne Alltagsrou­tine, an der Sie jahrzehnte­lang hart gearbeitet haben, auf der Sondermüll­deponie landet, und Sie wieder ganz von vorne anfangen müssen. Selbstvers­tändlich will das Buch Sie auch durch all jene Bereiche begleiten, die beim Weltretten eine Hauptrolle spielen . ... Alles ist wichtig:

Wie wir uns ernähren, uns kleiden, wie wir reisen, shoppen und was wir morgens und abends im Bad tun. Und seien Sie darauf gefasst, dass

Sie sich nicht damit beliebt machen, alles auf den Prüfstand zu stellen. Aber, hey, wir sind Frauen: Wir

wissen, dass immer einer heult – und manchmal wir das sind. Wir bringen also die allerbeste­n Voraussetz­ungen für all das mit, was passiert, wenn man seinen Kindern keinen Planeten hinterlass­en will, der eigentlich auf eine Palliativs­tation gehört . ... <

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany