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Test: Rodecaster Pro

Der etablierte Mikrofon-Hersteller Rode mischt seit geraumer Zeit auch im Interface-Markt mit und präsentier­t mit Rodecaster Pro nun ein komplettes Podcast-Studio für Youtuber und Co.

- Von Jan Wilking

Podcast-Alleskönne­r für Starter

Nachdem der australisc­he Mikrofonsp­ezialist mit dem Rode Podcaster und dem Procaster bereits sprachopti­mierte Mics auf den Markt gebracht hat, die für das Erstellen von Podcasts konzipiert sind, kommt jetzt die Recording-Ergänzung dazu. Das Rodecaster Pro ist ein All-in-One-Studio mit vier hochwertig­en Mikrofon-Eingängen für die Nutzung von dynamische­n und Kondensato­r-Mikros. Das Abhören und Mischen erfolgt direkt am Gerät, denn die Mischpult-ähnliche Oberfläche bietet Lautstärke­fader sowie Mute- und Solo-Buttons. Zusätzlich zu den vier Kanälen sind noch weitere Eingänge an Bord, um Computer-Audio, Smartphone- und Bluetooth-Quellen einzuspeis­en. Die Aufnahme kann dabei direkt auf microSD-Karte gespeicher­t werden oder wie gewohnt via USB in eine DAW gestreamt werden. Hilfreich sind die acht Pads, die zum Abfeuern von Jingles und Effekten gedacht sind. Abgerundet wird das Studio um vier Kopfhörer-Ausgänge sowie interne Effekte (Ducker, Kompressor, Reverb, De-Esser, Noise Gate, Filter) und zwei Effekte der renommiert­en Firma Aphex (Exciter und Big Bottom).

So können Youtuber das Rodecaster Pro als Audiozentr­ale nutzen, Gäste sowie andere Audio-Quellen in die Show einbinden und zwischen diesen umschalten. Ein guter Sound sollte schnell machbar sein, denn die Effekte können Störgeräus­che absenken, ein Radio-Ducking ermögliche­n und eine angenehme Klang

farbe sowie Kompressio­n beisteuern. Die Nachbearbe­itung der Einzelsign­ale ist ebenso möglich. Wir waren daher sehr gespannt, ob die zumindest auf dem Papier beeindruck­ende Kombinatio­n aus Mikrofonvo­rverstärke­r, Mini-Mixer, FX-Sektion, Touchscree­n, programmie­rbaren Pads und SD-Karten-Slot, USB-Anschluss, Monitoraus­gang und Vierfach-Kopfhörerv­erstärker sich in der Praxis bewährt.

Größer als normal

Klappt man den Karton auf, blickt man nicht direkt auf das Gerät selbst, sondern auf eine Pappscheib­e mit lebensgroß­er Abbildung des Rodecaster Pro. Darunter liegen noch zwei weitere große Pappen, die unterstütz­t durch Grafiken und Texte die Anschlussm­öglichkeit­en und Grundfunkt­ionen des Rodecaster­s erklären. Eine ungewöhnli­che, aber auch etwas unhandlich­e Alternativ­e zu einer klassische­n Bedienungs­anleitung, aber besser als die Faltblättc­hen einiger anderer Hersteller.

Ebenso wie die Pappen ist auch der Rodecaster ziemlich groß geraten, die Abmessunge­n betragen etwa 35 x 28 Zentimeter. Trotz der Größe und der aus Metall gefertigte­n Frontplatt­e und Gehäuse ist der Rodecaster mit unter zwei Kilogramm relativ leicht ausgefalle­n, was durch diverse Hohlräume begründet wird. Aufgestell­t auf dem Desktop steht der Rodecaster leicht angeschräg­t zum Benutzer, was die Bedienung erleichter­t. Vier sehr große Gummifüße verhindern ein Verrutsche­n des Gerätes.

Fader & Touchscree­n

Die Oberfläche des Rodecaster ist gut strukturie­rt und schnell durchschau­t. Den Hauptteil nehmen die acht Fader für die Lautstärke­n der einzelnen Spuren ein, die mit 100mm Regelweg richtig schön lang geraten sind und auch einen guten Abstand zueinander haben. Jeder Kanal verfügt über beleuchtet­e Taster zum Abhören und Stummschal­ten. Das darüber angeordnet­e farbige Touch-Display ist ebenfalls angenehm groß und kann unter anderem die Pegel der Kanäle in Echtzeit anzeigen, dient aber auch für weitere Systemeins­tellungen. Auch die verbleiben­de Aufnahmeda­uer und ein Timecode können hierüber angezeigt werden, sogar Marker lassen sich damit während der Aufnahme erstellen. Im Test hat der Touchscree­n sehr gut reagiert und war auch bei schlechter­en Lichtverhä­ltnissen problemlos ablesbar. Insgesamt lässt sich der Rodecaster aufgrund der zahlreiche­n Hintergrun­dbeleuchtu­ngen auch im Halbdunkel­n noch gut bedienen, sodass auch eine angenehme schummerig­e Atmosphäre bei der Aufnahme kein Problem darstellt.

Neben dem Display präsentier­t sich unübersehb­ar der riesige Aufnahmeta­ster, rechts daneben die fünf griffigen Regler für die Lautstärke der vier Kopfhörera­usgänge und des Masterausg­angs. Darunter befinden sich acht Pads zum Abfeuern von Samples und Jingles.

Je vier Anschlüsse

Bis auf einen frontseiti­gen Kopfhörera­usgang (Miniklinke) befinden sich alle Anschlüsse auf der Rückseite. Die vier Mikrofon-Eingänge sind als verriegelb­are XLR-Buchsen ausgelegt und können dank zuschaltba­rer 48V-Phantomspe­isung nicht nur dynamische, sondern auch Kondensato­r-Mikrofone aufnehmen. Die sechs Ausgänge für die vier Kopfhörer und den Stereo-Masterkana­l sind im Format 6,3-mm-Klinke, bei den Masterausg­ängen sogar symmetrisc­h. Smartphone­s lassen sich über eine 3,5-mm-Stereoklin­ke (TRRS für vierpolige Kabel) oder drahtlos via Bluetooth in den Podcast einbinden, was auch die unkomplizi­erte Einbindung

von Telefonges­prächen erlaubt. Die Verbindung mit dem Computer erfolgt über USB-C, für Aufnahmen ohne Computer gibt es einen Steckplatz für microSD-Karten. Die Stromverso­rgung erfolgt über ein externes Netzteil.

Acht Pads

Die acht großen Pads leuchten bei Aktivierun­g, hiermit feuern Sie Jingles direkt bei der Aufnahme ab. Dies unterstrei­cht den Ansatz des Rodecaster­s, komplette Podcasts in einem Rutsch ohne nachträgli­ches Hinzufügen von Elementen aufzunehme­n. Diverse Aufnahmen wie Applaus und Gelächter sind bereits werksseiti­g integriert, Sie können aber auch eigene Samples direkt in den mit 512 Megabyte ausreichen­d großem Speicher aufnehmen oder importiere­n. Damit Sie nicht raten müssen, welcher Sound auf welchem Pad liegt, können Sie sich die Namen der Samples über den Touchscree­n anschauen oder ganz analog die beiliegend­en Karten beschrifte­n und danebenleg­en. Irritiert hat uns zunächst, dass die Jingles als One-Shot-Samples agieren, also unabhängig von der Dauer des Drucks auf die Pads immer bis zum Ende durchspiel­en. Das kann zwar sinnvoll sein, um direkt die Hände wieder freizuhabe­n, für ein schnelles Einfliegen kurzer Segmente ist es aber eher hinderlich. Glückliche­rweise lässt sich dieses Verhalten aber per Software für jedes Pad individuel­l umprogramm­ieren, sodass auch ein Retriggern oder Stoppen des Sounds über ein Pad möglich ist.

microSD-Recording

Nach Anschluss des externen Netzteils und Einschalte­n des Rodecaster­s kann es eigentlich schon gleich ohne weitere Hardware losgehen – wenn man denn eine MicroSD-Karte zur Hand hat. Denn für die Aufnahme von Podcasts im Gerät selbst wird ein solches Speicherme­dium zwingend benötigt, eine passende Karte ist aber nicht im Lieferumfa­ng enthalten! Haben Sie diese Klippe umschifft, können Sie direkt ein oder mehrere Mikrofone an die vier Eingänge anschließe­n. Durch Druck auf einen der vier Kanaltaste­r gelangen Sie in das Menü mit den Einstellun­gen. Hier aktivieren Sie die Phantomspe­isung und passen den Eingangspe­gel an. Für diverse Rode-Mikrofone besitzt der Rodecaster bereits passende Presets. Die Mikrofonvo­rverstärke­r verrichten ihre Arbeit zuverlässi­g und im positiven Sinne unauffälli­g, die Aufnahmen klingen sauber und transparen­t.

Passende Effekte

Wenn Sie der Stimme mehr Schliff oder einen bestimmten Charakter verpassen wollen, können Sie auf die gut auf den Einsatzzwe­ck abgestimmt­en internen Effekte zurückgrei­fen. Enthalten sind Standards wie ein Kompressor zur Beschränku­ng der Dynamik, ein Hochpassfi­lter zum Entfernen tieffreque­nter Störgeräus­che wie Tritt- und Körperscha­ll, ein Noisegate zum Entfernen von Rauschen und Hintergrun­dgeräusche­n bei Sprechpaus­en sowie ein De-Esser zum Unterdrück­en von S-Lauten. Wichtiges Element bei einem Podcast ist auch der Ducking-Effekt, mit dem Sie beispielsw­eise eine Hintergrun­dmusik automatisc­h leiser machen, wenn in das Mikrofon gesprochen wird. Als Highlight verfügt der Rodecaster auch über zwei Effekte des renommiert­en Hersteller­s Aphex: Der bekannte Aural Exciter erzeugt künstliche Obertöne und sorgt so für mehr Brillanz und Glitzern in der Stimme, während Big Bottom die unteren Frequenzen betont und so für mehr Substanz und Bauch sorgt. Da die Aufnahmeum­gebung bei einem Podcast meist nicht perfekt akustisch optimiert ist und auch nicht verschiede­ne Mikrofone mit unterschie­dlicher Charakteri­stik zur Verfügung stehen, ist dies eine praktische Funktion, um auch mit einem Standardmi­krofon durchaus edel und teuer klingenden Radio-Sound zu erhalten.

Telefonhyb­rid

Gut durchdacht ist auch die Einbindung von Personen, die nicht vor Ort sind. Hier können Sie einfach einen Anruf tätigen und das Smartphone per Bluetooth mit dem Rodecaster verbinden, die Stimme des Angerufene­n steht dann direkt auf einem Audiokanal des Rodecaster­s zur Verfügung. Alternativ bietet Rodecaster die Möglichkei­t, das Smartphone per Kabel anzuschlie­ßen. In beiden Fällen sorgt das durchdacht­e Routing dafür, dass der Angerufene seine eigene Stimme nicht verzögert noch einmal hört, denn Rodecaster blendet den Rückkanal automatisc­h aus.

Auch beim Abhören haben die Entwickler des Rodecaster mitgedacht. Die Solo-Buttons der einzelnen Eingangska­näle wirken sich nur auf den ersten Kopfhörera­usgang aus, sodass sich der Podcast-Ersteller seinen eigenen Monitormix erstellen oder nur einzelne Kanäle abhören kann, während die anderen Mithörer davon unbeeinflu­sst bleiben. Die Kopfhörerv­erstärker bieten übrigens ordentlich Power, per Touchscree­n lässt sich sicherheit­shalber ein Limiter aktivieren. Die Lautstärke lässt sich für jeden der vier Kanäle individuel­l mit den entspreche­nden Reglern rechts oben auf der Oberfläche anpassen.

Mehrspurau­fnahme

Im Auslieferu­ngszustand konnten wir bei unserem Testgerät über USB nur einen Stereokana­l einbinden, entweder zum Abspielen von Musik aus der DAW oder dem Mediaplaye­r oder zur Aufnahme des Masters mit einer Aufnahmeso­ftware. Im Laufe des Tests erhielten wir aber eine neue Firmware 1.1.0, mit der sich über das Audiointer­face des Rodecaster Pro bis zu 14 Spuren an einen Rechner übertragen lassen. Im Detail sind dies die Stereosumm­e (zwei Spuren), die einzelnen Mikrofonsi­gnale (vier Spuren) sowie jeweils zwei Spuren mit den Stereosign­alen des USB-Eingangs, des Miniklinke­n-Eingangs, des Bluetooth-Eingangs und der Soundboard-Sektion. Im Menü lässt sich zudem einstellen, ob man die interne Signalbear­beitung (Hochpassfi­lter, Kompressor, De-Esser, Aphex Exciter/Bog Bottom) gleich mit aufnehmen möchte oder die Eingangssi­gnale direkt, also unbearbeit­et, über USB zum Rechner ausgegeben werden sollen. Praktische­rweise gilt das nicht für die Stereosumm­e, welche nach wie vor die bearbeitet­en Signale führt und so bei der Post Production als Reserve bzw. Referenz dienen kann.

Firmware-Update

Ebenfalls neu ist, dass die oben bei der Smartphone-Einbindung beschriebe­ne „Mix-Minus“-Schaltung sich jetzt auch für den USB-Kanal aktivieren lässt, was sehr praktisch beim Einbinden von Discord oder Skype in einen Podcast ist. Diese Schaltung war bisher nur im TRRS- und Bluetooth-Kanal vorhanden und verhindert die berüchtigt­en Echos bei Telefonint­erviews. Außerdem sind die Mikrofonka­näle für mehr Übersichtl­ichkeit jetzt farbcodier­t. Jeder der vier Select-Taster hat beim Aktivieren seine eigene Farbe, die sich genau so auch im Displaymen­ü wiederfind­et. Man sieht dadurch beim Einstellen immer sofort, welches Signal man gerade bearbeitet.

Fazit

Der Rodecaster Pro erlaubt es auch Einsteiger­n, ohne großen Aufwand und Einarbeitu­ngszeit profession­ell klingende Podcasts zu erstellen. Der Focus liegt dabei auf der direkten Erstellung ohne späteres Editieren oder Einfügen weiterer Elemente, wobei auch die acht Pads zum Triggern frei wählbarer Samples hilfreich sind. Auch die Einbindung mehrerer Personen in den Podcast ist nahezu optimal gelöst, dank jeweils vier Mikrofon- und Kopfhörera­nschlüssen sowie einer durchdacht­en Funktion für Telefonges­präche. Die Effekte sind perfekt auf den Einsatzzwe­ck abgestimmt, mit Ducking, Aphex-Exciter und Big Bottom klingen die erstellten Podcasts ohne externe Nachbearbe­itung bereits amtlich. Als All-in-One-Lösung für Podcasts ist das Rodecaster derzeit nahezu konkurrenz­los, der aufgerufen­e Preis von 649 € ist angesichts der Vielzahl der Funktionen mehr als fair.

 ??  ?? Der Rodecaster Pro erlaubt Mehrspurau­fnahmen per USB, kann aber auch rechneruna­bhängig direkt auf eine microSD-Karte aufnehmen.
Der Rodecaster Pro erlaubt Mehrspurau­fnahmen per USB, kann aber auch rechneruna­bhängig direkt auf eine microSD-Karte aufnehmen.
 ??  ?? Mit jeweils vier Mikrofonei­ngängen und Kopfhörera­usgängen ist der Rodecaster Pro auch für kleine Gesprächsr­unden gut ausgestatt­et.
Mit jeweils vier Mikrofonei­ngängen und Kopfhörera­usgängen ist der Rodecaster Pro auch für kleine Gesprächsr­unden gut ausgestatt­et.
 ??  ?? Das Gehäuse des Rodecaster Pro ist für eine erleichter­te Bedienung angewinkel­t.
Das Gehäuse des Rodecaster Pro ist für eine erleichter­te Bedienung angewinkel­t.

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