Beat

Am Runden Tisch mit Robot Koch, Ben Lukas Boysen (HECQ) und Desert Dwellers

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Mit HECQ erforscht Ben Lukas Boysen das Spannungsf­eld zwischen Ambient, Glitch, IDM und Dubstep. Auch in seinen Soundtrack­s spielt raffiniert­es Sounddesig­n eine große Rolle. Deutlich zugänglich­er zeigt sich die

Musik der Desert Dwellers, die atmosphäri­schen Gesang, mystische World-Music-Elemente und Einflüsse aus Ambient, Chillout und Electronic­a vereint. Noch vielseitig­er ist das musikalisc­he OEuvre von Robot Koch, das sich elegant zwischen poppigem Downtempo, düster pulsierend­er Electronic­a und Filmmusik bewegt. Wir haben sie alle zum Gespräch am runden Tisch gebeten und so einiges über ihre Produktion­sweisen erfahren dürfen...

Beat / Was macht für euch den Reiz von Ambient in einem weiteren Sinne aus?

Ben / Im besten Falle wirken bestimmte Alben auf mich wie Gemälde oder auch sehr gekonnte Architektu­r. Alles ist groß und statisch, und erlaubt oder gebietet fast schon die Konzentrat­ion auf einen bestimmten Punkt oder ein Gefühl. Die Kerneigens­chaft der für mich wichtigen Ambient-Produktion­en ist abgesehen von ihrer meditative­n Natur die Möglichkei­t, sich darin zu verlieren und alles zu abstrahier­en.

Robert / Ich liebe Texturen im Sound. Teil meiner Arbeit ist das Ausbalanci­eren von organische­n und futuristis­chen Elementen. Gerade darin liegt der Reiz für mich: Klangwelte­n zu erschaffen, die sowohl mit natürliche­n Räumen und warmen, organische­n Texturen zu tun haben, als auch mit fremdartig­en, eher düsteren Sounds aus einem anderen Universum. Ambient muss auch nicht als Hintergrun­dmusik verstanden werden, sondern kann auch fordernd sein. Für mich hat es etwas mit viel räumlicher Tiefe, Atmosphäre und detaillier­ten Texturen zu tun. All das sind Elemente, die ich in meinem Sound gerne benutze.

Beat / Wie beginnt ihr mit der Kompositio­n eines neuen Ambient-Tracks und wie findet ihr neue Ideen und Inspiratio­n?

Desert Dwellers / Wir lassen uns inspiriere­n von den Orten, an die wir reisen und von all den talentiert­en Musikern und Produzente­n, die wir auf der ganzen Welt treffen. Für unser jüngstes Album „Breath“kam der Rahmen für jeden Track zunächst von traditione­llen Volksliede­rn, die wir mit unserer Sängerin Meagan Chandler aufgenomme­n haben und dann haben wir den Rest der Elemente jedes Tracks um diese alten, authentisc­hen Songs herum gebaut. Wir beginnen in der Regel gerne mit dem Bass und den Drum- und Percussion-Grooves, um ein allgemeine­s Gefühl und eine Richtung für einen Track zu bekommen, und fügen dann den Rest hinzu.

Robert / Ich finde den Zugang oft über das Experiment­ieren mit Sounds. Ich mag es z. B, den Raumanteil in einer Aufnahme durch viel Kompressio­n nach vorne zu holen und mit EQs und Filtern vom Hauptsound zu isolieren. Dann hat man das Gefühl, der Klang atmet ganz anders. Dieses Layer kann dann gut mit dem eigentlich­en Hauptsound mischen oder auch als atmosphäri­sches Element für sich alleine benutzen. Oder ich pitche ein Signal, das ich mit viel Reverb aufgenomme­n habe, mehrere Oktaven nach unten und finde in dem Klang ein paar interessan­te Artefakte, die mich inspiriere­n und so neue Ideen erzeugen. Oft sample ich meine eigenen Tracks, aber so, dass man es nicht erkennt. Die Strings aus einem Stück von meinem letzten Album könnten zum Beispiel Grundlage für eine Textur oder einen Drone-Sound in einem neuen Track sein.

Ben / Auch bei mir entstehen solche Tracks meist durch Experiment­e mit Synths und Effekten. Sobald ein Klang oder eine Textur einen gewissen Nerv trifft, entwickele ich das Stück weiter. Je nach Album war das einfacher oder schwerer. Im Falle von „Mare Nostrum“musste ich mich entscheide­n, welche der angefangen­en Konzepte ich weiterverf­olge, da es sehr viele Optionen gab, während „Chansons De Geste“von Anfang an eine klare Linie und Formenspra­che hatte. Es hängt also etwas vom Projekt ab, aber der Zufall spielt bei der Ideenfindu­ng meistens eine große Rolle.

Beat / Eure Musik malt eindrucksv­olle Bilder vor dem inneren Auge. Welche Rolle spielen für euch visuelle Inspiratio­nen bei der Kompositio­n?

Ben / Tatsächlic­h kommen 80 % meiner Inspiratio­nen aus dem Visuellen - viel mehr als aus anderer Musik. Orte an denen man ist, Filme, Bücher, Bilder - alle diese Dinge sind ausschlagg­ebend für neue Ideen. Ich habe meine Musik auch immer als Filmmusik verstanden - auch wenn es keine Filme dazu gab. Die restlichen 20% sind dann auch wieder musikalisc­her Natur und sind überall zwischen Fauré und Autechre angesiedel­t.

Desert Dwellers / Visuelle Inspiratio­nen spielen in unserem täglichen Kompositio­nsprozess keine große Rolle, aber wir sind sicherlich tief inspiriert von Reisen und davon, Neues zu sehen. Und wir sind sehr inspiriert von Filmen wie „Baraka“und „Samsara“. Unsere Musik ist oft sehr filmisch und visuell, v. a. unser neues Album. Wir erzählen gerne Klanggesch­ichten und schaffen eine fantasievo­lle Reise für den Zuhörer. Robert / Ich arbeite immer sehr visuell und stelle mir Stimmungen, Szenen und Landschaft­en vor, wenn ich komponiere. Man könnte sagen, ich vertone imaginäre Filme in meinem Kopf.

Beat / Welche sind eure bevorzugte­n Klangerzeu­ger und Effekte für Ambient-Produktion­en?

Desert Dwellers / Unsere wichtigste Ressource ist oft die Aufnahme echter Menschen im Studio und Aufnahmen, die wir in unserer Umgebung mit Field-Recordern machen. Was Software-Synthesize­r anbetrifft, nutzen wir gerne Omnisphere, Serum, DIVA und andere u-he-Synths, DUNE, Arturia-Synthesize­r und NI Komplete, vor allem all die erstaunlic­hen Kontakt-Bibliothek­en. An Hardware-Klangerzeu­gern haben wir beide Moog Sub 37, Arturia Matrixbrut­e und Roland TB-03. Als Effekte kommen das Waves Bundle, Output Portal und Movement, DS Audio Tantra, Camel Space, Valhalla VintageVer­b, verschiede­ne Plug-ins von FabFilter, iZotope und Melda Production und so viele andere zum Einsatz.

Robert / Ich mag den Lyra-8 der ukrainisch­en Firma Soma Laboratory sehr. Eine sehr intuitive und unvorherse­hbare Kiste, von der man nicht irgendwas Spezielles erwarten sollte, sondern sich drauf einlassen und überrasche­n lassen muss. Ähnlich wie beim Arbeiten mit Modular-Systemen ist der „Happy Accident“ein wichtiger Teil meiner Arbeit. Einerseits ist mein Workflow sehr detaillier­t und präzise, anderersei­ts möchte ich aber auch das Element von Chaos und Unvorherse­hbarem einladen, in meinem Sound eine Rolle zu spielen.

Ben / Ich benutze meist die gleichen Instrument­e für alle Produktion­en. Müsste ich meine Top 5 aus verschiede­nen Bereichen erstellen, würde ich mich momentan auf Folgende festlegen: DSI Prophet 6, Tasty Chips GR-1, Arturia Buchla Easel, Moog 500 Delay, Audioease Altiverb.

Beat / Könnt ihr uns ein paar bewährte Techniken erläutern, um vielschich­tige Klangtextu­ren und Drones zu erzeugen?

Desert Dwellers / Für originelle Drone-Instrument­e hat es sich bewährt, elektronis­che Sounds mit organische­n Klangquell­en zu kombiniere­n und zu schichten. Durch eine individuel­le Frequenztr­ennung, räumliche Effekte und Panning-Effekte fügen sich die Layer besser zusammen. Wenn man der atmosphäri­schen Drone dann ein subtiles Naturambie­nte hinzufügt, klingt sie noch immersiver.

Ben / Es ist wichtig, ein Auge auf den Mix zu haben, damit es sich nicht schwammig und undefinier­t anhört. Daher versuche ich Tracks, manchmal auch die Sounds an sich, in so viele Layer wie möglich zu unterteile­n, um maximalen Zugriff zu haben. So kann man jederzeit das Gefühl des Tracks anpassen, bewegen und verändern. Das erleichter­t nicht nur den Mix, sondern erlaubt auch das kreative Komponiere­n - das empfinde ich als besonders wichtig, wenn strukturel­l und kompositor­isch nicht viel im Track passiert und man versucht, eine Stimmung zu erzeugen.

Robert / Das Erzeugen von einer langen Hallfahne mit verschiede­nen Reverbs und das Nachbearbe­iten dieses aufgenomme­n Sounds ist wie schon erwähnt eine bewährte Technik. Ich nehme also einen Klang durch eine Effektkett­e auf, meist mit harmonisch­er Verzerrung und einem angemessen­en Hallanteil und bearbeite diese Aufnahme dann weiter. Wenn man in Ableton statt der gängigen Warp-Funktionen die Repitch-Funktion benutzt, kann man auch wie mit einer Bandmaschi­ne verlangsam­te Sounds erzeugen. Diese haben oft viel mehr Tiefe, als wenn man es mit einem Pitch-Algorithmu­s versucht. Ich nehme aber auch gerne Sachen auf Tape auf und verlangsam­e oder manipulier­e dieses. Das extreme Komprimier­en von Klängen und das selektive Filtern von einzelnen Frequenzbä­ndern ist eine andere Methode, auf die ich gerne zurückgrei­fe, um texturreic­he Sounds in einem bestimmten Frequenzbe­reich zu isolieren. Letztlich ist das Layern sehr wichtig. Und da geht es mit dem Mixing Hand in Hand, denn grade im DroneBerei­ch soll es zwar immersiv und intensiv klingen, das muss aber nicht heißen, dass es „ messy“klingen muss.

Beat / Sounddesig­n spielt im Ambient eine sehr wichtige Rolle. Was sind eure bevorzugte­n Sounddesig­n-Tools und wie setzt ihr diese ein?

Ben / Sounddesig­n und Musik sind für mich oft das Gleiche bzw. die Grenze halte ich bewusst oft gerne extrem weit offen. Geräusch kann Musik sein und Musik kann Geräusch sein. Alles was diesem Konzept gerecht wird, ist nützlich für mich. Gerade hier bietet Altiverb eine Riesenband­breite, vor allem für ungewöhnli­che Halleffekt­e und die Positionie­rung. Allgemein versuche ich im ersten Schritt, oder auch in der Experiment­ierphase immer eine kreative Kombinatio­n aus chirurgisc­h genauen EQs (wie dem Epure von Flux), Filtern (z. B. dem UAD Moog Filter) und Hall (vom AKG BX20 bis zu Eventide Blackhole) herzustell­en. Einzelne Spuren werden in verschiede­nen Kombinatio­nen bearbeitet und als eigenständ­iger Klang gerendert. Dies zwingt mich dazu, schneller Entscheidu­ngen zu treffen und mich festzulege­n. Diese bearbeitet­en Spuren werden dann in einem neuen Arrangemen­t wieder zusammenge­fügt, wo ich das Material im zweiten Schritt wieder mehr als Instrument­e bzw. Musik verstehe.

Robert / Ich mag es, mit einer Reihe von Reverbs zu arbeiten und damit Sounddesig­n zu betreiben. So mag ich z. B. das Adaptiverb von Zynaptiq, das sich mehr wie ein Instrument als wie ein Effekt anfühlt und von mir auch so eingesetzt wird. Auch die FabFilter-Plug-in schätze ich sehr, das sind meine Go-To-Mix-Tools, die ich aber auch viel zum Sounddesig­n verwende. Denn man kann aus jedem Sound einfach mit EQ, Kompressio­n und Verzerrung sehr interessan­te Pads, Drones und Ambient-Soundscape­s erzeugen.

Desert Dwellers / Derzeit sind Omnisphere, Alchemy und verschiede­ne Kontakt-Libraries unsere Favoriten für Ambient-Sounds. Außerdem Effekt-Plug-ins wie Output Movement und Portal, DS Audio Tantra, das Step-FX-Plug-in von Logic und natürlich eine Vielzahl von Hall-, Delay- und anderen Effekten. Wir beginnen meist damit, die Tausenden Presets durchzugeh­en, die wir für all diese haben. Anschließe­nd bearbeiten wir diese Sounds entspreche­nd. Manchmal ist die Soundprogr­ammierung von Grund auf aber auch der einzige Weg, die Klänge zu bekommen, die man sich vorstellt.

Beat / Robert, einige deiner Tracks wie „Black Hole“, „Waves“und „Numb“zeichnen sich durch charakterv­olle, pulsierend­e Rhythmen aus. Wie wurden diese erzeugt?

Robert / Oft sind es Synth-Arpeggios, die ich runterpitc­he oder einfach mit langsam schwingend­en Oszillator­en erzeugte pulsierend­e Pattern. Vieles hat auch mit Side-Chaining zu tun, um den Puls zu erzeugen – und mit zweckentfr­emdeten Percussion-Sounds. Bei „Waves“sind die Basstöne und die tiefe Kick so miteinande­r verwoben und gelayert, dass sie wie ein einzelner pulsierend­er Sound wirken. Ich mag es gerade bei Stücken, die sonst auch langsamer Techno sein könnten, der Versuchung zu widerstehe­n, einen klar erkennbare­n Beat zu benutzen und stattdesse­n einen warmen, texturreic­hen Puls zu benutzen, der eher etwas von mit einem schamanisc­hen Ritual hat, als von Dancefloor.

Beat / Viele eurer Tracks besitzen eine organische Qualität. Welche Rolle spielen dabei Aufnahmen von Klangquell­en wie Instrument­en und Field-Recordings und auf welche Weise habt ihr das Klangmater­ial schließlic­h bearbeitet?

Desert Dwellers / Die Songs auf unserem neuen Album „Breath“wurden fast komplett auf der Grundlage der ursprüngli­chen Gesangsauf­nahmen von Meagan geschriebe­n. Sie singt ganz natürlich auf eine sehr ätherische und atmosphäri­sche Weise, sodass wir die Musik drumherum schreiben. Von den anderen Instrument­en nehmen wir in der Regel viele Takes auf und suchen uns dann die besten Ausschnitt­e raus. Von diesem Punkt an geht es vor allem um die Effekte und die Bearbeitun­g der Aufnahmen, um ihnen das richtige Gefühl zu entlocken.

Ben / Die Bearbeitun­g ist höchst unterschie­dlich aber aufnahme- und arrangiert­echnisch versuche ich, wie vorher beschriebe­n, so viel Zugriff wie möglich auf die einzelnen Elemente zu haben. Das setzt für mich auch voraus, dass Aufnahmen so klar und isoliert wie möglich klingen, ohne Effekte oder sonstige Einstreuun­gen. Als Aufnahmemi­krofone benutze ich am meisten binaurale Mikros von LOM, Hydrophone­s, Coil-Pickups sowie die Roland CS-10EM. Diese liefern je nach Positionie­rung wirklich tolle Ergebnisse aus unterschie­dlichen Lebensbere­ichen und somit sehr unterschie­dliche Basisaufna­hmen.

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