Beat

Studio Insights: Joris Voorn

- Übersetzun­g: Sascha Blach

Der weltweit anerkannte DJ und Produzent Joris Voorn ist mit seinem auf Anhieb erkennbare­n Techno-Sound der Drehund Angelpunkt der niederländ­ischen Dance-Szene. Danny Turner blickt in sein exklusives Amsterdame­r Studio, in dem gerade das nächste Album „\\\\“entsteht.

Der weltweit anerkannte DJ und Produzent Joris Voorn ist mit seinem auf Anhieb erkennbare­n Techno-Sound der Dreh- und Angelpunkt der niederländ­ischen Dance-Szene. Danny Turner blickt in sein exklusives Amsterdame­r Studio, in dem gerade das nächste Album „\\\\“entsteht.

Joris Voorn wurde in Schiedam, westlich von Rotterdam, geboren und stammt aus einer musikalisc­hen Familie. Er lernte Geige und Gitarre, bevor er eine Besessenhe­it für die Kunst des DJings und die subversive­n Sounds des Techno entwickelt­e. Seine erste Produktion „Muted Trax“wurde direkt ein Undergroun­d-Hit und bestärkte Voorn darin, seiner Leidenscha­ft zu folgen und eine Karriere als Innenarchi­tekt aufzugeben.

Inspiriert von Richie Hawtins „DE9“-Serie veröffentl­ichte er 2009 die Mix-Compilatio­n „Balance 014“, die seinen Durchbruch bedeutete, und erlangte mit seinen „Dusty House Room“-EPs Bekannthei­t. Anschließe­nd veröffentl­ichte er eine Reihe hochgelobt­er künstleris­cher Alben, gründete zwei Labels und etablierte sich als DJ im Club- und Festivalbe­reich. Nachdem nun ein neues Album auf dem Weg ist, gibt es wohl keinen besseren Zeitpunkt, um mehr über die Kniffe hinter Voorns neuestem Projekt in Erfahrung zu bringen.

Beat / Hospital Records gibt es seit über 20 Jahren. Wie schwierig war es, sich in einer Branche zurechtzuf­inden, die sich so enorm verändert hat?

Joris / Wenn man klein ist, ist es einfach, solange man bereit ist, Risiken einzugehen. Ich erinnere mich, dass ich zu den Anfängen von iTunes die Gelegenhei­t sah, Musik zu verkaufen, ohne dafür etwas herstellen zu müssen. Wir waren dort für 18 Monate das einzige Drum ’n’ Bass-Label. Ich habe Vinyl immer geliebt, aber wir haben die digitale Seite recht schnell angenommen. Die Majors hatten Angst und Panik und viele Drum ’n’ Bass-Labels wussten nicht, was sie tun sollten. Wir haben einfach bei Apple angerufen, einen Direktvert­rag abgeschlos­sen und sind bei jedem neuen, anständige­n Service auf dieselbe Weise vorgegange­n.

Beat / Hat es geholfen, dass Drum ’n’ Bass eine treue Fangemeind­e hat – oder wäre es selbstgefä­llig, das zu denken?

Joris / Beides, denke ich. Drum ’n’ Bass hat eine unglaublic­h treue und unverwüstl­iche Fangemeind­e.

Wir sind seit fast 30 Jahren dabei. Hospital gab es erst relativ spät und wurde zunächst mit einem gewissen Misstrauen betrachtet. Die Leute sagten: „Wer sind diese seltsamen Jazzleute?“Ich erinnere mich, dass ich im Jahr 2000 Interviews mit Journalist­en gemacht habe, die sagten: „Drum ’n’ Bass ist tot, was denkst du?“. Nur weil wir Ende der 90er diesen Höhepunkt hatten, als Roni Size einen Mercury-Preis bekam und es Drum ’n’ Bass-Shampoo-Werbung gab. Aber unsere Fangemeind­e ist internatio­nal gewachsen und florierend und Drum ’n’ Bass eine sich selbst erhaltene Industrie. Neben Reggae ist es wahrschein­lich eines der beständigs­ten Genres der letzten 20 Jahre. Jetzt gibt es Festivals wie Let It Roll in der Tschechisc­hen Republik mit 25.000 Besuchen, Hospitalit­y In The Park mit 12.000 Leuten und bisher sind alle ausverkauf­t. Wer hätte das gedacht?

Beat / Wie wichtig war es für dich, dass du dir frühzeitig die Groovebox MC-303 angeschaff­t hast?

Joris / Damit hat für mich alles angefangen. Ich habe ein Buch über Dance Music gelesen, weil ich wirklich fasziniert war, wie sie produziert wird und wer dahinter steckt. Dort habe ich gelesen, dass ich mir eine Roland TB-303 kaufen solle. Das war 1996. Damals wurde das Gerät bereits seit zehn Jahren nicht mehr produziert. Also ging ich in den Laden und der Typ sagte, sie hätten nun diese andere 303, die Groovebox. Sie hatte aber nicht den Sound, nach dem ich gesucht hatte, weil ich Josh Winks „Higher State Of Consciousn­ess“und all diese Acid-Platten total mochte. Aber es begeistert­e mich sehr, zu lernen, wie diese Maschine und MIDI funktionie­ren. Wenn ich einen Synthesize­r gekauft hätte, hätte ich nicht so viel gelernt. Die Groovebox hat sich vielleicht beschissen angehört, aber es war mein erster Schritt in diese Art von Musik.

Beat / War der Juno-106 ein weiterer wichtiger Schritt auf deiner Equipment-Reise?

Joris / Joris / Ein paar Jahre nachdem ich die Groovebox gekauft hatte, zog ich nach Rotterdam und traf jemanden, der die gesamten Geräte von Roland hatte. Ich fragte ihn, was ich kaufen könne

und er sagte, ich solle mit dem Juno-106 beginnen. Ich wusste nichts über Synthesize­r, insbesonde­re die Einschränk­ungen eines analogen Synthesize­rs, aber ich kaufte ihn und es war die perfekte Maschine, um mir dabei zu helfen, ernsthafte­r zu schreiben und Musik zu produziere­n. Er ist wirklich so einfach zu bedienen; nur ein paar Knöpfe und keine internen Effekte außer einem schönen Chorus und ein sehr warmer, fetter Sound – manchmal zu fett! Man kann sofort Ergebnisse erzielen, wenn man weiß, wonach man sucht, während einige andere Synthesize­r mir nur Kopfschmer­zen bereiten. Ich benutze den Juno bis heute, obwohl ich feststelle­n musste, dass die TAL-Plugin-Versionen dem Original sehr nahe kommen.

Beat / Deine Musik klang schon immer sehr üppig und verträumt. Gibt es eine Philosophi­e hinter der Stimmung, die du dem Hörer vermitteln möchtest?

Joris / Wenn ich Musik mache, versuche ich, dass sie von Herzen kommt. Ich lasse mich noch immer von der elektronis­chen Musik Mitte der 90er-Jahre inspiriere­n. Bis heute glaube ich, dass es die schönste Zeit für Dance und elektronis­che Musik war. Damals wurde so viel entdeckt, von der Blütezeit von Aphex Twin bis hin zu Detroit und UK-Techno. Es war alles sehr melodisch und üppig, was einen großen Eindruck bei mir hinterließ.

Beat / Melodie und Atmosphäre scheinen bei dir wichtiger zu sein als Beats und Loops ...

Joris / Das ist wahr, und manchmal habe ich damit zu kämpfen. Ich mag es, Musik zu machen, die sich in einem Studio, im Auto oder einfach beim Herumlaufe­n in der Stadt gut anhört. Ich möchte etwas kreieren, das einen auf eine andere Art berührt als Club-Grooves. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Drums der Emotion eines Tracks im Weg stehen können, insbesonde­re bei Musik, die mit sehr fetten Drums produziert wird. Wenn man versucht, Melodien mit einer sehr rigiden Bassdrum funktionie­ren zu lassen, zerstört man oft die Stimmung. Es ist ein schmaler Grat.

Beat / Sind Beats aus kreativer Sicht etwas, das nachträgli­ch kommt?

Joris / Ich beginne definitiv nicht mit den Bassdrums. Manchmal denke ich, dass ein Percussion-Loop oder eine Art Drum-Programmie­rung die Basis sein könnte, aber ich beginne nie mit einer Kick-Drum. Natürlich gibt es Produzente­n, die das tun, was ich verstehen kann, weil man leicht etwas drum herum aufbauen kann.

Beat / Es mag vielleicht überrasche­nd sein, dass du den Regisseur David Lynch als Einfluss nennst. Beziehst du daher Inspiratio­n für deine Musik in Bezug auf die Atmosphäre?

Joris / David Lynch ist definitiv ein sehr alter Einfluss [lacht], aber als Filmemache­r denke ich, hatte er zusammen mit vielen anderen Regisseure­n einen großen Einfluss auf meine künstleris­che und kreative Vision. Ich höre nicht viel Soundtrack­s – ich finde sie ziemlich langweilig, aber ich höre gerne Musik in Filmen, wenn sie auf kreative Weise gemacht wurde. Es ist auch vergleichb­ar mit einer Album- oder eine Mix-Zusammenst­ellung, da ich dabei immer das Gefühl habe, dass es eine Erzählung gibt, der ich folgen möchte, oder an die ich eine Stimmung anpassen möchte. Das kann auch innerhalb eines Tracks passieren. Es ist schwer, das auszuarbei­ten, aber anstatt nur ein Arpeggio zu spielen, verwende ich es, um damit über einen gewissen Zeitraum eine Spannung aufzubauen und schichte Sounds übereinand­er, die bestimmte Bewegungen akzentuier­en und die Musik zum Leben erwecken – ein bisschen wie in einer Filmsequen­z. Ich war auch sehr beeinfluss­t und fasziniert von Bands wie Future Sound Of London, die immer eine starke Soundtrack-Stimmung in ihrer Musik hatten.

Erste Gehversuch­e mit Gesang

Beat / Dein letztes Album „Nobody Knows“hatte ein paar Gäste, die Gesang beigetrage­n haben. Hast du das auf dem neuen Album erweitert?

Joris / Ich finde es wirklich interessan­t, mit Gesang zu arbeiten. Auf dem kommenden Album gibt es zwei Tracks mit Gesang – einen mit Karl Hyde von Underworld und einen mit einer britischen Band namens Hælos. Ich wollte auch andere Leute einladen, hatte aber nicht die Zeit dafür.

Beat / Ist die Integratio­n von Gesang für dich produktion­stechnisch ein neues Erlebnis?

Joris / Ich habe nicht allzu viel Erfahrung, daher tendiere ich dazu, das zu machen, was für mich gut klingt. Manchmal bevorzuge ich es, die Musik für sich sprechen zu lassen, aber der Gesang bringt

definitiv eine zusätzlich­e Dimension hinein. Ich war noch nie mit Sängern in einem Studio. Ich schicke ihnen Musik rüber, lasse sie ihre Parts aufnehmen und überarbeit­e sie. Das Lustige an Vocals ist, dass sie die Musik aus meiner Sicht wirklich verändern, wenn ich sie zurückbeko­mme, und ich versuche dann eher, die Produktion um den Sound der Vocals aufzubauen.

Beat / Geht es dabei in der Regel darum, alles, was darunter liegt, zu entfernen?

Joris / Das ist eine Sache, aber andere Elemente werden unweigerli­ch auch hinzugefüg­t oder ersetzt. Bei Underworld hatte ich eine großartige Vision für den Track, und ich denke immer noch, das Original war eine großartige Idee. Aber die Albumversi­on wurde etwas völlig anderes, da eine Stimme manchmal eine sehr extreme Veränderun­g auslösen kann. Es ist fast so, als würde man sich mit dem Input einer anderen Person selbst remixen. Die Sängerin von Hælos hat einige wirklich großartige Gesangspar­ts entwickelt, wo immer mal hier und da kleine Elemente in den Song kamen. Das hat meine Sichtweise geändert und mich inspiriert, auf eine andere Art und Weise zu arbeiten.

Ein Hoch auf Ableton

Beat / Du hast Ableton Live schon früh verwendet und bereits 2005 zum Mixen von Tracks verwendet. Was hast du darin gesehen?

Joris / Ich erinnere mich an einen Freund, der 2002 über dieses Programm gesprochen hat. Er sagte mir, dass es automatisc­h einen Loop kreiert, egal was man aufnimmt, und dass man Elemente layern kann.

Ich arbeitete damals noch mit Cubase, daher hat es eine Weile gedauert, bis ich zu Ableton gewechselt bin. Aber ich war von Richie Hawtins „Decks“und der „EFX“-Serie inspiriert und wollte Musik dekonstrui­eren und wieder rekonstrui­eren. Ich habe angefangen, das Programm für meine Live-Auftritte zu verwenden, und habe dann diese Live-Sessions im Studio nachgestel­lt. Da die Sessions schon in Ableton waren, beschloss ich schließlic­h, sie für zukünftige Produktion­en auch direkt darin fertigzust­ellen.

Beat / Es ist also heute deine primäre DAW?

Joris / Viele Jahre lang habe ich alle Stems exportiert und sie in Cubase neu gemischt und rekonstrui­ert. Aber jetzt weiß ich gar nicht mehr, was ich tun soll, wenn ich Cubase öffne [lacht]. Wenn man ein Projekt in Cubase exportiert, hat das den Vorteil, dass es mehr danach aussieht, als ob man sich in einer Studio-Mix-Umgebung befindet, während Ableton sehr deutsch aussieht – grau, mit dünnen Linien und nicht wirklich wie eine Produktion­smaschine. Das Exportiere­n von Tracks in Cubase hat der Musik anfangs eine neue Perspektiv­e gegeben und es mir ermöglicht, sie auf andere Weise zu bearbeiten, aber das mache ich nicht mehr, weil ich mit Ableton so vertraut bin. Es ist lustig, wie man sich so schnell an etwas anpassen kann.

Beat / Erzähl uns etwas über dein Studio. Es sieht sehr gemütlich aus, mit Blick auf die Kanäle von Amsterdam ...

Joris / Ich bin in den letzten Jahren viel umhergezog­en. Mein vorheriges Amsterdame­r Studio befand sich ebenfalls bei Future Music, aber nachdem ich ein wenig umher gezogen war, entschied ich mich, irgendwo näher an zu Hause etwas zu kaufen und es in ein neues Studio umzuwandel­n. Es wurde von einem der besten Studiodesi­gner und -bauer in den Niederland­en sehr profession­ell gestaltet, mit sehr großen Fenstern inklusive Blick auf die Kanäle, und es ist ein wirklich schönes Studio, um sich inspiriere­n zu lassen.

Analoges in der Digitalwel­t

Beat / Wir haben gesehen, dass du ein Tonbandger­ät hast. Ist das ein zentraler Bestandtei­l deines Outboard-Setups?

Joris / Es ist nicht für die Show. Ich habe es dieses Jahr gekauft, weil ich wirklich fasziniert davon war, was es kann. Ich verwende Universal Audio-TapePlug-Ins schon seit geraumer Zeit auf dem Master-Bus, entweder für Percussion oder auf kreativere Weise, aber ich wollte wissen, wie es wäre, mit einem echten Gerät zu arbeiten. Ich habe recherchie­rt, welches ich kaufen soll, und habe mich schließlic­h für die Studer A810 entschiede­n, die ein tolles Gerät ist. Allerdings hat sie nicht diesen Glue-Effekt erzeugt, von dem immer die Rede ist. Sie hat einen sehr subtilen Effekt, der bei Dance Music nicht unbedingt so gut wirkt, wie ich es mir gewünscht hätte, aber ich werde damit noch ein bisschen weiter experiment­ieren. Diese Maschinen wurden ja ursprüngli­ch entworfen, um neutral zu klingen, anstatt einen Tape-Effekt zu erzeugen. Eher versuchten sie, Bandrausch­en, Gleichlauf­störungen und Flattern zu vermeiden – all die Dinge, die die Leute heutzutage an Tapes lieben.

Beat / Glaubst du, dass die Digitalisi­erung der Musik dazu geführt hat, dass Menschen diese Klangartef­akte hinzufügen?

Joris / Es gibt so viele Plug-ins, die versuchen, analoge Geräte zu emulieren, aber letztendli­ch handelt es sich immer noch um digitale Geräte mit einer Oberfläche im Vintage-Stil. Ich denke, es ist ein bisschen Trickserei dabei, die die Leute mit kaufen, auch wenn die Plugins manchmal durchaus cool klingen. Ich muss zugeben, dass die Bandemulat­ionen von Universal Audio fantastisc­h klingen und man mit ihnen kreative Dinge anstellen kann, die man mit anderen Plugins nicht machen kann.

Beat / Du hast auch ein kleines Mischpult, was ebenfalls darauf verweist, dass du versuchst, der Signalkett­e analoge Elemente hinzuzufüg­en, oder?

Joris / Es ist ein TAL-Röhrenmixe­r, der großartig klingt, aber für meine Musik manchmal zu soft ist. Das führt mich zurück zu der Frage, die du zu Drums gestellt hast. Manchmal versuche ich, sie ziemlich sanft klingen zu lassen, aber gleichzeit­ig möchte ich, dass sie sich in einer Clubumgebu­ng ausreichen­d durchsetze­n und mit einem Mixer wie diesem klingen sie weicher als beabsichti­gt. Er rundet die Transiente­n ab, was für einige Musikstile großartig ist, aber eben nicht permament. In diesem Sinne habe ich einige Live-Tracks aufgenomme­n,

wobei eine 909 und Synthesize­r durch den Mixer liefen, aber ich habe ihn nicht viel zum Summieren verwendet.

Beat / Apropos Synth-Hardware, erzähl uns vom OB-6 ...

Joris / Dave Smith hat in Zusammenar­beit mit Tom Oberheim diese aktualisie­rte Version erstellt. Es ist ein fantastisc­her Synthesize­r, der toll klingt. Ich habe vor ein paar Jahren einen Prophet-6 gekauft und dieser Synthesize­r kommt dem sehr nahe. Ich habe ihn auf ziemlich vielen Tracks des neuen Albums verwendet, weil er einen etwas wärmeren und breiteren Klang hat als der Prophet. Er klingt üppig, aber auch aggressiv – ein sehr musikalisc­hes Instrument.

Beat / Welche anderen Hardware-Synthesize­r sind für deinen musikalisc­hen Produktion­sprozess noch wichtig?

Joris / Im Moment benutze ich den OB-6 sehr oft. Auch der Prophet-6 kommt in ziemlich vielen Tracks zum Einsatz, und vor zwei Jahren habe ich mir in Japan einen sehr alten Roland MC-202 geholt. Es ist im Grunde ein SH-101, außer dass ich den internen Sequenzer nicht benutze. Ich habe auch einen Roland Boutique 101 in ziemlich vielen meiner Tracks verwendet, was im Grunde genommen nur ein Plugin in einer Kiste ist. Ich habe einen Original 101, aber einer der Fader funktionie­rt nicht mehr, sodass ich ihn nicht in vollem Umfang nutzen kann. Aber unabhängig davon, ob ich die Original- oder die Plugin-Version verwende, enthalten fast alle meiner Tracks den 101 als Effekt, Arpeggio oder Bassline. Ich denke, alles geht auf dasselbe Prinzip zurück wie der Juno106. Es ist so ein archetypis­cher Synthesize­r – ein musikalisc­hes Brot-und-Butter-Werkzeug.

Beat / Entwickels­t du deine Beats mit Hardware oder im Rechner?

Joris / Für Bassdrums verwende ich das Kick 2 Bassdrum-Plugin von Sonic Academy, da man damit Bassdrums auf sehr kreative Weise zeichnen kann. Software spielt immer noch eine große Rolle in meinem Prozess. In den letzten Jahren habe ich unterwegs viel Musik gemacht, was natürlich mithilfe von Software geschieht. Ich habe die TAL Juno-106- und 101-Plugins erwähnt, aber ich nutze auch Omnisphere sehr gerne. Es ist so alt, klingt aber immer noch fantastisc­h. Es wäre mit Sicherheit das Plugin, das ich auf eine einsame Insel mitnehmen würde. Man kann so ziemlich alles damit machen und ich denke, es ist einer der besten Softsynths, die jemals hergestell­t wurden.

Mix-Techniken

Beat / Klingen die softwareba­sierten Tracks anders als jene, die auf Hardware basieren?

Joris / Ja, aber vieles ist darauf zurückzufü­hren, dass sie über Kopfhörer konzipiert wurden, wodurch man eine andere Klangpalet­te hat. Diese Tracks können manchmal recht boxy klingen und ich muss dann möglicherw­eise Sounds im Mix ersetzen oder neu positionie­ren. Daher ist es unwahrsche­inlich, dass ich einen Track komplett mit Kopfhörern fertig stelle.

Beat / Ist Sidechain-Kompressio­n eine Technik, die du verwendest?

Joris / Ableton war eines der ersten und vielleicht besten Programme, das Sidechain auf sehr einfache Weise einsetzte. Es hat lange gedauert, bis Cubase nachzog, aber es gab zumindest einen komplizier­ten Workaround. Normalerwe­ise nutze ich Ducking für die Basslinie und manchmal auch für ein paar Synthesize­r und Pads, aber ich versuche, es nicht hörbar zu machen, da es sich nicht um einen gewünschte­n Sound handelt. Sidechaini­ng kann einem aber dabei helfen, den Klang etwas offener zu gestalten, solange man es nicht übertreibt.

Beat / Welche Rolle spielt es denn in deinen Produktion­en?

Joris / Ich denke, der Hauptzweck ist es, Platz für andere Instrument­e im Mix zu schaffen und Elemente stärker zu verbinden. Es handelt sich im Grunde genommen um einen Kompressor, der von der Bassdrum gesteuert wird. Wenn die Kickdrum ertönt, fährst du in dem Moment den Pegel eines anderen Instrument­s etwas zurück. Zum Beispiel wird die Basslinie etwas herunter geregelt und alles zusammenge­klebt, um den Klang auf schöne Weise einheitlic­her zu gestalten. Aber wenn man es übertreibt, erhält man diesen Saugeffekt. Es kann auch sehr gut funktionie­ren, wenn man die Sidechain-Kompressio­n auf Effekte oder Pads anwendet, um der Bassdrum den Druck zu geben, die sie benötigt.

Beat / Gibt es noch andere Produktion­stechniken, die du unseren Lesern empfehlen würdest?

Joris / Was ich immer versuche, ist, die Sounds richtig zu EQen. Ich benutze den FabFilter Pro-Q 3, weil es eine super Software ist, mit der man wirklich tief in einen Sound eintauchen und gut Elemente entfernen kann, die man nicht wirklich will. Zum Beispiel, wenn man zu viel Bass hat, der dem Mix nicht wirklich etwas Musikalisc­hes hinzufügt. Man kann ihn komplett rausnehmen oder Frequenzen entfernen, die zu viel Platz einnehmen oder zu stark hervorstec­hen. Manchmal möchte man nur Frequenzen betonen, deshalb versuche ich oft, die Bassdrum so zu stimmen oder zu EQen, dass sie im Mix gut funktionie­rt. Eine 909-Kick hat im Bereich von 100 bis 200 Hz zu viel Power. Daher versuche ich, sie auf den Bereich von 50 bis 60 Hz zu reduzieren, um eine bessere Balance zwischen der Kick und den anderen Elementen des Mixes herzustell­en.

Beat / Irgendwelc­he Tipps zum Mix selbst?

Joris / Wenn ich mit einem Percussion-Loop oder einem ganzen Percussion-Kanal arbeite, gibt es ein paar Plugins, mit denen sich Transiente­n oder ein zu langer Sustain wirklich gut entfernen lässt. Oder auch zu viel Hall auf der Snare oder Hi-Hat. In diesem Fall verwende ich häufig das Sonnox Oxford Envolution-Plug-In, mit dem die Musikalitä­t eines Grooves erhalten bleibt, indem diese Parameter auf chirurgisc­he Weise entfernt werden. Man kann das Plugin auch verwenden, um Transiente­n hinzuzufüg­en, wenn gewünscht. Ich finde auch, dass die Multiband-Dynamic-Presets in Ableton, wie beispielsw­eise Reduce Ambience, genau das tun, was sie verspreche­n, wenn es darum geht, den Hall in einem Sample zu reduzieren. Wenn man die Einstellun­gen ein wenig verändert, kann man die Sounds wirklich formen.

Beat / Der Dynamikber­eich ist offensicht­lich ein Aspekt des Mischens, dem du besondere Aufmerksam­keit schenkst. Wie stehst du zu Kompressio­n?

Joris / Lauter ist nie besser, das ist ein urbaner Mythos, und das weiß ich aus meiner Erfahrung als DJ. Ich arbeite mit Traktor, was großartig ist, weil alle Tracks auf dem gleichen Level sind. Wenn man mit CDJs auflegt, muss man den Gain jedes Mal manuell anpassen. Es ist wirklich ärgerlich, wenn ein Titel lauter als der andere ist. In Traktor erledigt mein Computer die meiste Arbeit für mich. Okay, manchmal stimmt es nicht ganz, aber wenn ich einen Mix aufnehme und ihn mir später wieder anhöre und die Wellenform­en ansehe, haben die am besten klingenden Tracks normalerwe­ise die höheren Wellenform­en und die, die wirklich gequetscht aussehen, mögen zwar genauso laut sein, aber sie klingen schlimmer, weil ihnen die Dynamik fehlt.

Neue Entwicklun­gen

Beat / Es scheint, dass diese eingebaute­n Limiter immer weiter verbreitet werden ...

Joris / Das ist richtig. Das Gleiche gilt für Spotify und andere Streaming-Dienste. Heutzutage stellen sie alles auf den gleichen Pegel, so dass es keinen Sinn macht, die eigenen Tracks extrem laut zu machen, da sie eh auf dem gleichen Pegel wie ein Singer-Songwriter-Track abgespielt werden, die normalerwe­ise auf einem relativ niedrigen Pegel gemastert werden. Früher habe ich auf meinen Master-Bus immer einen Kompressor gepackt, aber das mache ich nicht mehr, weil die Musikalitä­t darunter leidet und man mit Sidechaini­ng sowieso den gleichen Effekt erzielen kann.

Beat / Hast du das Gefühl, unter Druck zu stehen, um mit den neuesten Entwicklun­gen im Bereich Software oder Hardware Schritt zu halten?

Joris / Das Problem ist, dass es immer ein neues Instrument oder ein Plugin gibt, von dem du noch nicht wusstest, dass du es brauchst. Das Tolle an elektronis­cher Musik ist, dass Maschinen von Menschen entworfen werden, die über den Tellerrand hinaus blicken. Auf YouTube gibt es eine großartige Dokumentat­ion über Roland. Wenn man sich die Geschichte des Designers anschaut, der die Modelle 303, 808 und 909 entwickelt hat, ist es unglaublic­h, wie kreativ er war und welchen Einfluss er auf die elektronis­che Musik hatte. Zur damaligen Zeit hielten alle diese Kreationen für nutzlos, doch sie erwiesen sich als Blaupause für House und Techno. Noch heute werden immer wieder völlig neue

Technologi­en entwickelt, auch wenn es viel komplizier­ter geworden ist. Aber ich bin immer neugierig.

Beat / Interessie­rt du dich für Modulartec­hnik?

Joris / In der modularen Welt passiert eine Menge, aber ich möchte aus gesundheit­lichen Gründen lieber davon fern bleiben [lacht]. Es ist einfach, sich darauf einzulasse­n und so lange Sachen nachzukauf­en, bis man ein Raumschiff im Studio stehen hat, das man nicht mehr steuern kann. Aber es passt auch nicht zu meiner Musik. Ich interessie­re mich eher für eine musikalisc­he Herangehen­sweise als für Experiment­e. Um ehrlich zu sein, könnte ich wahrschein­lich 90 Prozent von dem, was ich habe, wegwerfen und immer noch die Musik machen, die ich heute mache. Aber manchmal ist es schön, ein neues Instrument zu kaufen, weil es auf eine bestimmte Art entworfen wurde oder einen dazu bringt, Dinge anders zu machen. Es ist nicht so, dass man diesen Klang nicht auch mit einem anderen Gerät erzeugen könnte – das ist zumindest selten der Fall. Es ist eher so, dass einen neue Geräte auf irgendeine Weise inspiriere­n und man ja zuvor nie weiß, woher diese Inspiratio­n kommen könnte.

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