Filesharing – Label, Artist, Rezis
Ben Böhmer: Breathing
Ob man Ben Böhmer noch über 40 Millionen Streams in den letzten eineinhalb Jahren noch als hoffnungsvollen Newcomer bezeichnen kann? Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Der Berliner DJ und Produzent spielt einen atmosphärischen Mix aus Dance, Deep House und Techno mit deutlicher Electro-Pop-Schlagseite, insbesondere bei den Feature-Tracks, in denen unter anderem Monolink, Jan Blomqvist (dessen Fans insgesamt bei Ben Böhmer eine ähnliche musikalische Ausrichtung finden), Nils Hoffmann und Malou mitwirken. Schön ist die große Musikalität der Tracks, die auch mit klassischen Streicherarrangements, prägnanten Melodien und einer warmen, perfekt ausgefeilten Produktion punkten können. So ist der große Erfolg hier kein Zufall, sondern basiert auf der gebotenen Qualität.
Genre: Deep House | Label: Anjunadeep
Coma: Voyage Voyage
Irgendwo im Spannungsfeld von Electro, Dance und Pop bewegen sich Coma auf ihrem neuen Longplayer „Voyage Voyage“, der übrigens keine Coverversion des bekannten 80s-Klassikers von Desireless enthält, aber zumindest leichte Reminiszenzen an den Synth-Pop dieser Zeit. Zwischen treibenden House-Beats, groovigen Percussions, Vocoder Vocals, prägnanten Pop-Hooklines und Ambient-haften Sphären decken Georg Conrad and Marius Bubat ein weites Feld ab, das von tanzbar bis ruhig reicht. Auch produktionstechnisch griff man sich das Beste aus allen Welten und vereint analoge und digitale Klangerzeuger ebenso wie elektronische und akustische Instrumente wie ein Fender Mustang Bass oder ein Vintage Drumkit. Ein vielseitiges Album des Kölner Duos, das vor allem durch sein gelungenes Songwriting besticht.
Genre: Electro Pop | Label: City Slang
French 79: Joshua
Hinter dem Projektnamen French 79 steckt der französische Künstler Simon Henner, der seit 2014 elektronische Musik veröffentlicht. „Joshua LP“ist sein zweiter Longplayer, der einer melodischen Reise durch Electronica und Synth-Pop gleicht. Die meisten Stücke sind instrumental, basieren auf analogen Synthesizern und Henner sieht sie als Tribut an jene Bands, die ihn in den 80ern und 90ern besonders geprägt haben – namentlich Tangerine Dream, Kraftwerk und Soft Machine. Doch offeriert der 13-Tracker nicht nur ein nostalgisches Flair, sondern auch immer wieder filmische Sequenzen, die sich gut als Soundtrack machen würden. In „The Remedy“greift Simon sogar erstmals selbst zum Mikro, in „By Your Side“und „Touch The Stars“wiederum singt Sarah Rebecca und führt die Musik in verträume Dream-Pop-Gefilde. Schön!
Genre: Electronica | Label: Alter K
Gaming: Scenes From A Deserted City
Verspielte Musik zwischen Minimal Electro, Bleep und Techno liefert das Projekt Gaming des Glasgower Produzenten Alan Bryden auf seinem Debütalbum „Scenes From A Deserted City“. Die instrumentalen Tracks haben ein starkes Retro-Flair und vereinen das durch den Projektnamen bereits evozierte Feld der Games-Musik mit Sci-Fi-Soundtracks und Einflüssen aus 90s-Techno, Braindance und IDM. Trotz des teils wuseligen, maschinellen und rhythmischen Charakters der Musik, hat diese über weite Strecken einen chilligen Charakter. Entstanden mit analogen wie digitalen Geräten, Softsynths und Modulartechnik, ist „Scenes From A Deserted City“ein Album, auf dem es zwischen frickeligen Loops, computerisierten, oft abstrakten Arpeggios und allerlei Bleep-Sounds viel zu entdecken gibt.
Genre: Minimal Electro, Techno | Label: Hobbes Music
Georgia: Seeking Thrills
Die Londoner Künstlerin Georgia, die dank ihres selbstbetitelten Debüts aus dem Jahr 2015 als eine Art DIY-Pop-Star gilt, hat sich für ihren Zweitling vermehrt vom Chicago House and Detroit Techno beeinflussen lassen. Doch Pop gibt es immer noch zur Genüge auf der Scheibe, denn diese vereint analoge Clubsounds mit eingängigen Popsongs. Mal fluffig-leicht, mal treibend-clubbig und dann wieder nachdenklich-melancholisch. Auch das Klanggewand ist ständig im Wandel, denn neben typischen 80s/Early 90s-Sounds wie beispielsweise Drums aus der 909 gibt es auch zeitgemäße Klänge. Selbst ein paar Ethno-Einflüsse sind zu vernehmen. Wer ähnlich wie Georgia nach „thrills“in der Popwelt sucht, könnte hier durchaus fündig werden.
Genre: Pop, House | Label: Domino
Oliver Koletzki: Fire In The Jungle
Auf seinem achten Longplayer kredenzt Oliver Koletzki wieder eine ebenso vielseitige wie ausgefeilte Mixtur aus verschiedenen Spielarten der elektronischen Musik wie Deep House, Techno oder Trip-Hop. Immer wieder bindet der Berliner Künstler auf „Fire In The Jungle“auch Einflüsse aus dem Bereich der Weltmusik in seine Tracks ein, was dem 16-Tracker bisweilen ein exotisches Feeling verleiht. Überwiegend instrumenteller Natur, sind die Features hier quasi die Sahne auf der Torte. Dabei sind Monolink, Cioz, Temple Haze und Lisa Who. Hypnotische Beats, warme Bässe, chillige Synths und immer wieder interessante Soundeffekte sind die weiteren Zutaten einen spannenden Albums, das den Hörer wie in einen Zog zieht.
Genre: Deep House | Label: Stil vor Talent
Shed: Oderbruch
Auf seinem fünften Album, „Oderbruch“, verarbeitet der Berliner Producer Shed seine zwiespältige Beziehung zu seiner Zweitheimat, eben jenes Binnendelta der Oder in Brandenburg, wo er aufwuchs und familiär verwurzelt ist. So ist „Oderbruch“– Sheds erstes Album für Ostgut Ton seit neun Jahren – trotz fehlender Lyrics ein sehr persönliches und biografisches Werk für den Künstler, der hier Elemente aus Techno, Breakbeat, Drum’n’Bass, Ambient und Field Recordings verbindet. Schließlich gehören auch Naturklänge in diese Umgebung. Und ähnlich wie ein Leben, ist auch die Musik auf dem 9-Tracker vielfältig und umfasst ruhige, melodische und sphärische Momente ebenso wie nervöse, aufreibende und experimentelle Parts. Auch für Hörer ohne Beziehung in die Tiefen Brandenburgs eine interessante Soundreise.
Genre: Electronica, Ambient | Label: Ostgut Ton
Shkoon: Rima
Spannend: Shkoon verschmelzen auf ihrem Debütalbum House- und Techno-Sounds mit Live-Instrumenten und orientalischen und arabischen Elementen und Texten. Auch Hip-Hop-Elemente sind immer wieder zu finden und das vielfältige Einflussspektrum reicht auch in Bereiche wie Dub oder Downbeat. Die deutsch-syrische Formation präsentiert einen unterhaltsamen Brückenschlag zwischen den Kulturen und versteht es, für gute Laune zu sorgen, denn ihre Kompositionen klingen tanzbar, sonnendurchflutet und positiv. Als Live-Instrumente nebst Synths und Drummachines kommen insbesondere Percussion und Violine zum Einsatz und sorgen für folkloristisches Flair inmitten clubbiger Beats. Man kann der Band nur wünschen, dass dieser coole Mix die gewünschte Verbreitung finden wird.
Genre: Oriental Slow House | Label: Shkoon Music
Toy: Songs Of Consumption
Im letzten Januar erst erschien das vierte Toy-Album, „Happy In The Hollow“, die bisher stärkste Veröffentlichung der Briten. Knapp ein Jahr später sind die Briten nicht mit einem neuen Longplayer zurück, sondern kredenzen auf „Songs Of Consumption“einen bunten Reigen an jenen Tracks, die als Pate für ihre eigenen Sound standen. Gecovert werden unter anderem Stücke von Soft Cell, Nico, Pet Shop Boys, den Stooges, Amanda Lear oder Serge Gainsbourg. Das klingt verquer, minimalistisch und eigenwillig, aber irgendwie auch charmant. Es kommen nun vermehrt elektronische Elemente wie Drummachines und Analog-Synths statt Gitarren zum Einsatz und die Songs klingen den Originalen oft nur noch entfernt ähnlich, sodass der 8-Tracker für ungeübte Ohren nicht als Coverscheibe erkennbar sein mag. Doch wer nostalgischen Indie-Wave mag, ist hier genau richtig!
Genre: Indie | Label: Tough Love/Cargo
Twins: New Cold Dream
Unterkühlte Elektronik trifft auf 80er-Jahre-Vibes und eine Ästhetik irgendwo zwischen Cold Wave, Industrial und Synth-Pop. Ironischerweise fuhr Mastermind Matt Weiner am kältesten Tag in den USA seit 1985 nach Chicago, um dieses Album mischen zu lassen. Der Titel „New Cold Dream“stand damals schon fest, seine Spuren wird das frostige Ambiente dennoch hinterlassen haben. Das zweite Twins-Album klingt wie eine Reise in Zeiten, als Suicide, Depeche Mode, Clair Obscure oder Trisomie 21 ihre ersten Schritte wagten. Die Musik besteht aus hypnotischen Analog-Synth-Patterns, einem simpel pochenden Retro-Drumcomputer und düsteren Vocals, was in Verbindung mit viel Hall eine eigenwillige, bedrückende Stimmung erzeugt, der irgendwie auch etwas Verzaubertes anhaftet.
Genre: Cold Wave | Label: 2MR