Porträt: Ben Böhmer
Ben Böhmer kommt scheinbar aus dem Nichts, doch konnte der deutsche Producer mit seinen warmweich produzierten Electro/House-Tracks und Remixen schnell ein Millionenpublikum begeistern. Dieser Tage erscheint nach erfolgreichen Singles wie „Rye“oder „Flug & Fall“endlich sein Debütalbum „ Breathing“, das für Clubs und die heimische Stereoanlage gleichermaßen eine Ohrenweide ist. Wir trafen Ben in seinem Berliner Studio zum persönlichen Gespräch und entlockten ihm einige Produktionsgeheimnisse.
Ben Böhmer kommt scheinbar aus dem Nichts, doch konnte der deutsche Producer mit seinen warmweich produzierten Electro/House-Tracks und Remixen schnell ein Millionenpublikum begeistern. Dieser Tage erscheint nach erfolgreichen Singles wie „Rye“oder „Flug & Fall“endlich sein Debütalbum „Breathing“, das für Clubs und die heimische Stereoanlage gleichermaßen eine Ohrenweide ist. Wir trafen Ben in seinem Berliner Studio zum persönlichen Gespräch und entlockten ihm einige Produktionsgeheimnisse.
Beat / Über 40 Millionen mal wurden deine Tracks in den letzten Monaten laut des Presseinfos gestreamt. Wahnsinn! Kommt die Zahl hin?
Ben / Ja, das kommt hin. Es hat mich selbst auch überrascht. Aber in Zeiten von Spotify-Playlisten ist das möglich.
Beat / Wie fühlst du dich damit? Musst du dich manchmal kneifen, ob du nicht träumst?
Ben / Das ist eine Zahl, die man sich gar nicht vorstellen kann. Das klingt erst mal toll, wenn man „Streaming-Millionär“ist, aber so ganz richtig sind die Zahlen womöglich auch nicht, denn man weiß ja nicht, ob auch Songs gezählt werden, die nur wenige Sekunden lang angeklickt werden. Zumindest kann ich mir nicht vorstellen, dass die Songs 40 Millionen mal durchgehört wurden.
Beat / Wie kam es zu diesen Zahlen? Hast du es forciert oder war es ein Selbstläufer?
Ben / Ich habe immer viel Zeit in Soundcloud gesteckt. Dort kann man mit etwas Nachdruck die Streams auf Vordermann bringen, wenn man ständig die Links postet und die Tracks umher schickt. Früher gab es auch noch Gruppen. Bei Spotify dagegen war es ein Selbstläufer. Ich habe nie Wert drauf gelegt und es hat sich von alleine entwickelt, dass ich nun zwei Millionen monatliche Streams und 600.000 Hörer habe, ohne dass ich jemals einen Spotify-Link gepostet habe.
Ich habe das Glück, dass ich in viele Spotify-Playlisten aufgenommen wurde, die durchaus mal 100.000 bis eine Millionen Hörer haben, die die eigene Musik dann automatisch auch hören. So kann es schnell exorbitant nach oben gehen. Ein ähnliches Prinzip gibt es glaube ich bei Youtube. Seit es Youtube Music gibt, ist es dort auch in die Höhe geschossen. Bei Soundcloud dagegen gar nicht.
Beat / Sind das nur abstrakte Zahlen oder hat sich in deinem musikalischen Leben auch viel verändert?
Ben / Eigentlich mache ich weiter wie bisher, aber ich merke einen stärkeren Druck, dass ich bei jedem neuen Song immer die bestmögliche Nummer schreiben möchte. Das hatte ich früher nicht. Da habe ich einfach nur Musik gemacht und was schön war, war schön. Der innere Anspruch wächst mit der Zahl der Hörer.
Beat / Bekommst du viele Reaktionen oder bleiben die meisten Hörer anonym?
Ben / Ich bekomme natürlich keine 40 Millionen Nachrichten [lacht], aber auf Facebook und Instagram bekomme ich viele schöne Nachrichten und ständig neue Follower. Ende 2017 hatte ich um die 2.000 Facebook-Follower und seitdem sind etwa 22.000 dazu gekommen. Diese kommentieren viel und freuen sich über neue Veröffentlichungen.
Beat / Diese Kommentare sind ja in der heutigen Zeit eher das tägliche Brot des Musikers als tatsächliche Einnahmen.
Ben / Genau. Man denkt, mit 40 Millionen Streams könnte man endlich sorgenfrei leben, aber das ist nicht der Fall [lacht].
Beat / Du bist beim britischen House-Label Anjunadeep unter Vertrag. Hatte dieses einen großen Einfluss auf deinen Erfolg?
Ben / Ja, durchaus. Ich bin kurz nach meiner ersten Veröffentlichung deren Management beigetreten. Sie haben nur einen recht kleinen Managementflügel. Mit ihnen arbeite ich eng zusammen.
Beat / Du hast zugleich aber auch ein eigenes Label.
Ben / Genau. Das ist 2011 aus einer Partylaune heraus entstanden. Ich komme aus Göttingen und es gab dort nicht so viele Partys. Deswegen haben wir unsere eigene gestartet und sie ganz pfiffig Ton Töpferei genannt. Daraus entstand 2016/2017 das Label, weil ich seinerzeit keines gefunden hatte und es sehr anstrengend fand, nirgends Gehör zu finden. Wir waren ein Kollektiv aus Musikern und dachten uns, dass wir doch auch unser eigenes Label gründen können. Mittlerweile haben wir mehr als 100 Titel veröffentlicht.
Beat / Alles rein digital, oder?
Ben / Ja, alles digital. Es sind auch physische Produkte in Planung, aber das wird wohl nichts vor Ende 2020.
Beat / Du bist gefühlt aus dem Nichts gekommen. Was kannst du über dein musikalisches
Vorleben erzählen?
Ben / Ich komme aus einer sehr musikalischen Familie und habe im Alter von sechs Jahren begonnen, Klavier zu spielen. Ich war dann in Musik- und Orchesterklassen und habe Trompete gespielt. Außerdem war ich Mitglied diverser Bands. Mein älterer Bruder, mit dem ich das Label betreibe, war schon länger in der „Szene“und hat mir ein paar Sachen gezeigt, als ich 16 war. Deshalb kam ich in der Zeit zum Produzieren, nachdem ich den Film „Berlin Calling“von Paul Kalkbren
ner gesehen habe und mir klar wurde, dass es möglich ist, nur mit dem Rechner Musik zu machen. Dann habe ich das auch ausprobiert und fand das spannender als Schule [lacht].
Beat / Das ist nun zehn Jahre her. Hast du seitdem regelmäßig veröffentlicht?
Ben / Das hat lange auf sich warten lassen. Ich habe mit 18 und 19 Jahren meine ersten Live-Sets gespielt, aber ich veröffentlichte erst seit 2014. Vor dem aktuellen Debütalbum waren das diverse Singles, EPs und Remixe.
Beat / Welche Musik hat dich geprägt?
Man denkt, mit 40 Millionen Streams könnte man endlich sorgenfrei leben, aber das ist nicht der Fall.
Ben / In den Anfangszeiten definitiv Paul Kalkbrenner. Ihn fand ich wahnsinnig faszinierend und das ist für mich immer noch die Musik „von morgen“. Ich habe seine Musik gehört und dachte mir, das will ich auch machen. Auch Künstler wie Stephan Bodzin oder Gui Boratto finde ich großartig.
Beat / Deine Musik klingt sehr ausgereift. Hattest du Hilfe bei der Produktion und beim Mix?
Ben / Ich habe alles alleine produziert, aber ich habe es mir mischen lassen von Chris Allen, einem Producer aus Brighton. Das habe ich erstmalig so gemacht, denn zuvor hatte ich alles selbst gemischt. Aber ich wollte mir mal was gönnen. Die Tracks waren jedoch fertig inklusive allen Effekten. Er hat im Grunde nur noch den Feinschliff gemacht, da er ein sehr gutes Gehör für Frequenzen hat. Außerdem hat er mit den Vocals und dem Subbass noch magische Sachen gemacht. Er hat den Bass superbreit und warm gemacht, sodass es auf Kopfhörern gigantisch gut klingt.
Beat / Gibt es Produktionskniffe, die bei dir immer zum Einsatz kommen und deinen Sound prägen?
Ben / Ich bin sehr festgefahren auf meine typischen Synthesizer und Effektketten, die diesen warmen Sound ausmachen. Ich bin großer Fan der Diva von u-he. Damit mache ich so ziemlich alle elektronischen Sounds wie Bässe, Leads und Pads. Ich finde das Tool von Natur aus irre gut, denn es hat so einen warmen, druckvollen Klang. Es wird ja auch oft gleichgesetzt mit dem Moog. Zusätzlich benutze ich diverse Plugins, um den Sound etwas dicker zu machen, und plötzlich hat man einen fast analog klingenden Bass. Zusätzlich benutze ich gerne Omnisphere oder viele Sachen aus der Kontakt-Serie von Native Instruments für organische Sounds.
Beat / Welche Effekte nutzt du primär?
Ben / Ich bin ein großer Fan der Distortion-Einheit von Rob Papen. Da gibt es viele Modi, in denen man diverse Zerrstufen oder Amps auswählen kann. Das Plugin kann den ursprünglichen Sound extrem verändern. Ich mag digitale Verzerrungen eigentlich nicht so gerne, aber das Tool löst es wundervoll. Außerdem nutze ich gerne diverse Filter und ein Widening-Tool, das die Signale im Mix genau dort platziert, wo noch Platz ist.
Beat / Mit welcher DAW arbeitest du?
Ben / Mit Ableton Live, weil ich damit auch live spiele. Ich habe Logic, Cubase, FL Studio und Pro-Tools ausprobiert, aber ich habe in Ableton das beste Handling, da ich meine Vorstellungen sehr akkurat umsetzen kann. Aber das kommt sicher auch daher, dass ich seit acht Jahren jeden Tag mit dem Programm arbeite. Dann wechselt man nicht mehr so einfach.
Beat / Es gibt aber viele Producer, die mit Ableton nur arrangieren und in einer anderen DAW mischen.
Ben / Ich habe mit FL Studio angefangen und hatte keine Ahnung von Reverb, Kompressoren und EQs. Damals war ich 16 oder 17. Wenn ich mir die Tracks heute anhöre, denke ich, „wow, das klingt irre gut“. Auch in Logic oder Cubase klingt die Sound Engine deutlich besser. In Ableton muss man länger drehen, bis alles sitzt. Leider. Aber ich ziehe es durch, denn ich liebe das Programm und mit etwas mehr Zeit bekommt man es dann doch hin.
Beat / Deine Songs klingen für elektronische Tracks sehr „musikalisch“. Wie gehst du beim Songwriting vor?
Ben / In der Regel fange ich immer mit einem Thema oder einer Akkordfolge an und baue darauf den Rest auf. Es entsteht jede Melodie erst mal auf dem Klavier. Dann nehme ich sie per MIDI auf und weise dann erst die passenden Sounds der Plugins von Diva oder Omnisphere zu.
Beat / Du hast Feature-Tracks mit Monolink, Jan Blomqvist, Nils Hoffmann und Malou aufgenommen. Wie kamen diese zustande?
Ben / Meist habe ich mich mit den Künstlern hier getroffen und wir haben zusammen aufgenommen. Im Grunde ist alles ausschließlich in diesem Raum entstanden. Glücklicherweise sind alle Feature-Artists Freunde von mir und kommen aus Berlin. Ich finde es einfach schöner, zusammen an etwas zu arbeiten, als in getrennten Zimmerchen.
Beat / Deine Tracks haben etwas Hoffnungsvolles und Optimistisches, gleichsam sind sie aber auch sehr melancholisch und nachdenklich. Spiegelt dich das als Mensch wider?
Ben / Definitiv. Ich habe oft das Feedback bekommen, dass meine Musik melancholisch und happy zugleich ist. Klar bin das ich, denn was ich fühle, fließt in die Musik. Ich bin kein tieftrauriger Mensch, aber habe schon eine gewisse Melancholie in mir und im gleichen Zug eine große Fröhlichkeit.
Beat / In Clubs gehen die Leute zum Feiern. Wie funktioniert deine Musik dort?
Ben / Ich bekomme viel positives Feedback und denke, es funktioniert gut. Es ist eine schöne Reise, die teilweise passiert. Aber das ist eine interessante Frage, weil ich ja nicht diesen typischen funktionalen Tanz-Beats habe und die Emotion mehr mit Melodien als mit Rhythmus erzeuge.
Beat / Du spielst auch live. Wie sieht dein Live-Setup aus?
Ben / Genau. Ich bin alleine auf der Bühne und nutze drei Controller – die Xone k2-Controller von Allen & Heath, die ursprünglich für DJs konzipiert waren. Ich habe drei in Reihe geschaltet, sodass ich zwölf Kanäle, jeweils mit Potis darüber, habe. Damit ich die Möglichkeit habe, alle Stems des Tracks separat zu bearbeiten und live umzuarrangieren. Dazu benutze ich den Korg Minilog XD, allerdings nur als MIDI-Controller für die Diva. Ich finde, dass ein Synthesizer ein besserer Controller für einen Synth ist als ein echter Controller, da ich alles direkt mappen kann. Mein Set-up ist recht spartanisch, aber es läuft gut.
Beat / Passiert bei deinen Sets viel spontan oder legst du das meiste vorher fest?
Ben / Sowohl als auch. Mittlerweile lege ich nicht mehr so viel Wert darauf, alles umzuarrangieren. Mit ist es nun wichtiger, mehr richtig live zu spielen, da das Arrangieren ja vorher im Studio stattfand und aus einem Grund so gemacht wurde. Daher ist es nicht zwingend notwendig, einen Track komplett umzugestalten, wie Paul Kalkbrenner das zum Beispiel macht. Dennoch gibt es auch bei mir immer mal neue Melodien, Hi-Hats oder Drumgruppen.
Beat / In welchem Kontext spielst du?
Ben / Überwiegend auf Festivals, aber wir planen auch mehr eigene Clubshows. Es sind eher Konzerte als DJ-Sets, da ich seit jeher ausschließlich eigene Tracks spiele und als DJ keinerlei Erfahrung habe.
Beat / Was steht bei dir nun an?
Ben / Eine relativ große Tour im Frühjahr, die mich unter anderem durch Europa, Indien, Australien und Nordamerika führt. Ansonsten nehme ich alles, wie es kommt, mache die Dinge, wie ich möchte, und schaue, was dann passiert.