Die Schnittstelle zwischen Label und Musiker
Das Label Dependent steht seit 1998 für elektronische Musik zwischen Synth- und Electro-Pop, EBM, Dark Electro und Industrial-Rock. Das facettenreiche Portfolio umfasst dabei Genregrößen wie Covenant, Mesh und Front Line Assembly bis hin zu vielversprechenden Newcomern wie Our Banshee und 2nd Face. Stefan Herwig ist dabei nicht nur als A&R-Manager für das Independent-Label tätig, sondern unterstützt seine Bands bei Bedarf mit ebenso großem Enthusiasmus auch als Tourmanager. Im Interview mit Beat gibt der Label-Gründer interessante Einblicke in die Zusammenarbeit zwischen Künstler und Label. Beat / Du bist A&R-Manager bei Dependent Records. Was sind deine Aufgaben?
Stefan / A&R steht für „Artist-&-Repertoire“-Manager. Ich bin also der Typ im Label, der die Bands signed, und dafür auch „geradestehen“muss. Außerdem bin ich die Schnittstelle zwischen Label und Musiker. Also alles, was dort kommuniziert wird, geht in der Regel über meinen Tisch. Das mache ich jetzt seit gut 20 Jahren.
Beat / Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen Label, Vertrieb und Künstler konkret aus?
Stefan / Wir tüfteln mit den Künstlern die Planung und Durchführung ihrer Releases aus. Das Timing, welche Versionen es von einer Veröffentlichung gibt (CD, Vinyl, limitierte Box, Bandcamp, Spotify, etc.). Wir sagen ein paar (hoffentlich) schlaue Sachen zur Produktion und zum Songwriting, wobei immer der Künstler das letzte Wort hat. Sobald das Album fertig ist, koordiniere ich mit dem Künstler das Release. Darüber hinaus sprechen wir Marketing, Touren und Interviews miteinander ab.
Beat / Was erwartet ein Label von mir als Produzenten und von meiner Musik?
Stefan / Natürlich muss die Musik professionell produziert und verkaufbar sein, das bezieht sich auch auf das Artwork. Idealerweise gibt es auch ein grobes Konzept, mit dem wir dann an die Medien rantreten können, und das Album „erklären“können, z. B. warum es so heißt, wie es heißt, Aber auch den Künstler selbst muss man interessant präsentieren können. Mit diesem Teil des Business haben viele Künstler durchaus Probleme. Neben der bloßen Produktion von guter Musik, ist also auch viel Marketing und Hintergrundkonzept dabei. Künstler, die kein gutes Konzept haben, und keine Ahnung, wie sie sich und ihre Musik präsentieren sollen, haben (fast) keine Chance mehr, sich am Markt zu etablieren, denn der Markt ist gesättigt.
Beat / Welche Voraussetzungen muss eine Veröffentlichung erfüllen, damit ein Label und Vertrieb damit arbeiten kann?
Stefan / Die simpelste Voraussetzung in Sachen Musik ist, dass ein reproduzierbares Master und Artwork vorliegen muss - idealerweise im hochauflösenden WAV-Format. CDs werden direkt von sogenannten DDP-Files gemastert, das ist eine Art CD-Image wie bei einer CD-R, nur für die professionelle CD-Herstellung. Dasselbe brauchen wir fürs Artwork, da muss ein reproduzierbares Artwork vorliegen, also ein vernünftiges hochauflösendes PDF. In Ausnahmefällen können auch wir das Artwork erstellen, aber in der Regel produziert der Künstler sein eigenes Artwork mit einem Grafiker.
Beat / Wie mache ich ein Label auf meine Musik aufmerksam?
Stefan / Eine gute Frage! Mittlerweile gibt es viele Wege. Auf jeden Fall muss uns die Musik erreichen, da genügen meist 3-5 Tracks für einen ersten Überblick. Man kann uns auch MP3s schicken, idealerweise mit ein paar Zeilen zur Band und einem guten Bandfoto. Auch hier ist es schon von Vorteil, wenn die Band einigermaßen weiß, wie sie sich präsentieren will. Wenn das Paket stimmt, fordern wir weitere Musik an. Wichtig ist : Die „weichen Faktoren“, also Bilder, Artwork und Konzept werden genauso wichtig wie die Musik selbst. Es kann auch nicht schaden, schon einen oder mehrere erfolgreiche Social-Media-Accounts zu haben.
Beat / Welche Vorteile bietet die Zusammenarbeit mit einem Label im Vergleich zu einer Veröffentlichung in Eigenregie?
Stefan / Wir haben einen nahezu weltweiten Vertrieb, inklusive aller Digitalvertriebe, wir machen unser eigenes Marketing und können auch schon mal die eine oder andere Finanzierungslücke bei der Band überbrücken. Außerdem beraten wir Bands manchmal strategisch und helfen beim Networking. Talentierte Musiker sollten sich eben nicht mit der Produktion von Tonträgern oder Promotion auseinandersetzen müssen.
Beat / In den letzten Jahren haben Streaming-Dienste die Art, wie Musik gehört wird, von Grund auf verändert. Birgt diese Entwicklung neben Nachteilen wie geringeren Gewinnspannen auch Vorteile?
Stefan / Ja, auf den Plattformen erreicht man leichter eine gewisse Masse an Leuten, die sich sehr schnell einen Eindruck von der Band und ihrer Musik machen können. Für den Hörer macht es vieles deutlich bequemer. Problematisch wird es, wenn Streaming-Plattformen zu sehr in die physischen Verkäufe schneiden, das ist der größte Pferdefuß momentan. Wir versuchen also, den Streaming-Umsatz mitzunehmen und unseren Künstlern Breite zu vermitteln, aber gleichzeitig das physische Segment mit Sondereditionen und Vinyl-Veröffentlichungen attraktiv zu halten.
Beat / Hast du Tipps für Musiker und Bands, wie sie auch 2020 noch mit ihrer Musik Geld verdienen können?
Stefan / Prinzipiell müssen nicht alle Einnahmen direkt aus Musikverkäufen kommen, bei live aktiven Bands machen Merchandising und Liveauftritte einen großen Teil der Einnahmen aus. Das zählt aber dann für Studiomusiker natürlich kaum. In der Tat haben die ein zunehmendes Einnahmeproblem, wenn sie mit ihren Projekten nicht live auftreten können. Auch wird der Bereich Social Media immer wichtiger. Den Künstlern fallen also deutlich mehr Aufgaben zu, als noch vor etwa 10 Jahren.