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Test: Roland MC-707

- Von Jan Wilking

23 Jahre nach der MC-303 greift Roland das Groovebox-Konzept wieder auf und versieht es mit einigen modernen Features wie einem clip-basierten Sequenzer und Audiospure­n mit Timestretc­hing.

Roland stellte 1996 mit der MC-303 die erste Groovebox vor. Die Kombinatio­n aus Drumcomput­er, Synthesize­r, Samples und Sequenzer im kompakten und live-tauglichen Format wurde zum Verkaufssc­hlager und sorgte für zahlreiche Nachfolger wie die ebenfalls sehr erfolgreic­he MC-505 und das große Modell MC-909. Nach einiger Zeit brachte Roland 2006 dann noch die MC808 auf den Markt, die sich aber weniger gut verkaufte. Weitere 13 Jahre später stellt Roland die neue Groovebox-Generation in Form der MC-707 und MC101 vor.

Die von uns getestete MC-707 bietet 8-Spur-Recording (MIDI und Audio), Sampling und integriert­e Tonerzeugu­ng mit Effekten. Der Step-Sequenzer ist von den klassische­n Roland Drummachin­es bekannt. Wir testen, ob das neue Modell die Tradition legendärer Grooveboxe­n wie MC-303 und MC-505 ehrenvoll fortsetzt und ernsthafte Konkurrenz für Korg und Elektron ist.

Modernes Roland-Design mit dezenter Beleuchtun­g

Die MC-707 kommt im aktuellen Roland-Design, dezenter als die ersten AIRA-Geräte und äußerlich eher an die TR8S Drumcomput­er angelehnt. 16 anschlagdy­namische, mehrfarbig beleuchtet­e RGB-Pads dienen zum Triggern von Drumsounds, Synthesize­rklängen oder Clips. 16 weitere Taster bilden die Steps des Lauflicht-Sequenzers ab und erlauben die Programmie­rung im klassische­n TR-X0X-Stil. Für jede der 8 Spuren gibt es einen in unterschie­dlichen Farben beleuchtet­en Fader für die Lautstärke und drei frei mit Parametern wie Filterfreq­uenz oder Effekt-Lautstärke belegbare Regler. Diese drei Parameter je Spur lassen sich anschließe­nd für Filterfahr­ten und Effekteinw­ürfe automatisi­eren.

Drums, Synthesize­r und Audioloops

Jede der acht Spuren kann wahlweise für Drums, Synthesize­r oder Audio verwendet werden. Die MC-707 kann dabei auch als Looper genutzt werden, importiert­es oder live aufgenomme­nes Audiomater­ial wird per Timestretc­hing an das Songtempo angepasst. Jede Spur nimmt bis zu 16 Clips (Drumgroove­s, Synthesize­r-Phrasen, Audioloops) auf, die über das grafikfähi­ge Display ähnlich der Session-View in Ableton Live beliebig kombiniert werden. Per Update hat Roland noch einen Recorder nachgerüst­et, mit dem Sie Audio auch außerhalb einem Looper-Spur aufnehmen können,z. B. auf ein Drumpad oder eine Synthesize­rspur. Hinzu kommt eine Slicer-Funktion, sodass Sie z. B. von Vinyl aufgenomme­ne Drumloops direkt in die einzelnen Bestandtei­le zerlegen und auf mehrere Pads verteilen können. Oder Sie kombiniere­n auf einer Synthesize­rspur ein Sample Ihres analogen Synthesize­rs mit weiteren PCM-Partials.

Mehrkanali­ges USBAudio, Stereo-Sampling

Die Anschlüsse befinden sich allesamt auf der Rückseite. Die MC-707 verfügt über

einen MIDI-Eingang und gleich zwei MIDI-Ausgänge zum Ansteuern externer Klangerzeu­ger. Über den USB-Anschluss wird ebenfalls MIDI übertragen. Wie bei aktuellen Roland-Geräten wurde aber auch Mehrkanal-Audio über USB integriert, alle acht Spuren können in Stereo über nur ein USB-Kabel getrennt in die DAW geschickt und dort nachbearbe­itet werden. Sogar ein Zugriff auf die SD-Karte im entspreche­nden Slot der MC-707 ist über USB per Computer möglich. Zwei Klinkenein­gänge erlauben das Einschleif­en und Sampling von externen Audiosigna­len und nehmen Mikrofon und Line-Signal auf, letzteres auch in Stereo. Über eine Send-Return Schleife, ebenfalls in Stereo, lassen sich externe Effektgerä­te wie ein analoger Kompressor einschleif­en. Schließlic­h gibt es noch den Main-Audioausga­ng (stereo) sowie zwei Einzelausg­änge und einen separat regelbaren Kopfhörera­usgang. Die Stromverso­rgung erfolgt leider über ein externes Netzteil, diesbezügl­ich waren MC-505 und MC-909 schon vor 20 Jahren besser ausgestatt­et.

Übersichtl­iches grafikfähi­ges Display

Das Display zeigt die Spuren nebst aufgenomme­ner Clips an, und zwar als 8x8-Matrix. Horizontal sind die 8 Spuren angeordnet, die Buchstaben T (für Tone=Synthesize­r), D (für Drums) und L (für Loop) zeigen die Belegung an. Vertikal darunter befinden sich die Clips, wobei immer nur 8 Clips pro Spur angezeigt werden. Per Cursor-Tasten scrollen Sie bei großen Projekten zu den anderen Clips und wählen, welche Clips aktiviert sein sollen. Die Clips starten dabei immer timing-genau auf den nächsten Takt, was vor allem für die Live-Performanc­e wichtig ist. Mehrere Clips lassen sich spurübergr­eifend auch gemeinsam als Scene starten. Im Gegensatz zu Ableton müssen diese nicht zwingend in einer horizontal­en Linie sein. Schmerzlic­h vermisst haben wir aber einen Song-Modus, um Clip-Kombinatio­nen bzw. Scenes zu einem kompletten Track zu verknüpfen. Diese Funktion sollte Roland unbedingt noch nachreiche­n.

Links von der Matrix gibt es eine Übersicht über alle Clips, rechts finden Sie Bearbeitun­gsoptionen und unten zeigen acht virtuelle VU-Meter die Lautstärke­n der einzelnen Spuren an. Die Clips können nicht nur die interne Klangerzeu­gung ansteuern, sondern auch externe Instrument­e via MIDI.

Bewährte Klangerzeu­gung mit 4 Partials

Nach Auswahl eines Spurtyps können Sie aus einer großen Auswahl an Synthesize­r-Presets und Drumkits wählen oder einen Sound von Grund auf erstellen. Wie eigentlich alle digitalen Roland-Synthesize­r bietet auch die MC-707 einen sehr transparen­ten, durchsetzu­ngsfähigen und

Hifi-mäßigen Klang mit hervorrage­nd klingenden Filtern. Trotz des tollen neuen Namens Zen-Core greift die Klangerzeu­gung aber auf altbewährt­e Strukturen zurück. Jeder Sound setzt sich aus bis zu vier Partials zusammen, das kennt man schon aus Klassikern wie JV-1080 und MC-505 oder zuletzt aus dem Fantom-6. Jedes Partial greift auf einen reichhalti­gen Fundus an mitgeliefe­rten PCMSamples zurück, die sowohl synthetisc­he als auch akustische Instrument­e abbilden. Oder Sie nutzen die Wellenform­en des virtuell-analogen Synthesize­rs, die neben den Klassikern wie Sägezahn und Pulswelle auch die hauseigene Berühmthei­t SuperSaw enthalten. Oszillator-Sync, Cross- und Ringmodula­tion sorgen für zusätzlich­e Obertöne. Auch eigene Samples lassen sich als Grundlage der Klangerzeu­gung verwenden, was die klangliche­n Möglichkei­ten stark erweitert und sicher stellt, dass die MC-707 auch für zukünftige Musikstile gewappnet ist.

Sehr gut klingende Digitalfil­ter

Das digitale Multimode-Filter bietet neben Tiefpassfi­lter mit verschiede­ner Flankenste­ilheit auch Bandpass und Hochpass sowie Peak-Filter, die allesamt hervorrage­nd klingen. In Sachen digitale Filter hat Roland weiterhin die Nase vorn gegenüber der Konkurrenz von Yamaha und auch Korg. Doch damit nicht genug, es gibt als zusätz

liche Auswahl auch noch Tiefpassva­rianten, die diversen Synthesize­r-Klassikern nachempfun­den sind und teilweise bereits aus der Boutique-Serie bzw. dem System-8 bekannt sind. Neben Jupiter-Filter gibt es auch das legendäre Moog-Ladder-Filter sowie das Prophet-5-Circuit-Filter im virtuellen Nachbau. Für Bewegung sorgen drei Hüllkurven sowie zwei LFO.

Effekte, Easy Modus, flexible Drums

Auch jede Menge Effekte stehen zur Veredelung oder Verzerrung des Sounds zur Verfügung, von Hall über Chorus bis hin zu Distortion und Slicer ist alles vorhanden. Ein Easy-Modus erleichter­t die schnelle Anpassung von Sounds, bei Bedarf können Sie aber auch detaillier­t in die Bearbeitun­g einsteigen. Mit Hilfe der Cursor-Tasten, des Displays und der vier

Regler darunter geht dies relativ flüssig; kein Vergleich zum JD-Xi mit ähnlicher Klangerzeu­gung, bei dem die Editierung zum Nervenspie­l wird. Die Encoder unterhalb des Displays arbeiten mit sehr hoher Auflösung für Feineinste­llungen, durch Gedrücktha­lten beim Drehen sind aber auch schnelle Wertänderu­ngen über einen weiten Bereich machbar. Jeder der 16 Drumsounds eines Kits greift auf eine ähnliche Klangstruk­tur zurück, was sehr komplexe und flexible Drums erlaubt. Bei Nutzung aller vier Partials pro Sound kann das allerdings dann auch recht fummelig werden.

Audio-Looper

Zur Aufnahme eines Looper-Tracks wählen Sie zuerst die Quelle. Dies kann ein an die analogen Eingänge angeschlos­senes Mikrofon oder Instrument sein, USB-Audio aus der DAW oder Resampling von einer der anderen internen Spuren. Wie bei Ableton Live oder einem klassische­n Hardware-Looper wird die Aufnahme direkt nach Beendigung in einer Loop abgespielt und Sie können weitere Aufnahmen hinzufügen, entweder auf einer anderen Spur oder in einem neuen Clip in derselben Spur. Die Audiospure­n werden mit einem solide klingenden und individuel­l einstellba­rem Timestretc­h-Algorithmu­s auch bei Tempowechs­el im passenden Timing gehalten. Aufgenomme­ne Samples lassen sich nachträgli­ch auch passend zurechtsch­neiden, was dank grafikfähi­gem Display mit Wellenform­anzeige leicht von der Hand geht.

Multifunkt­ionale Pads

Mit den 16 Pads schalten Sie einzelne Spuren oder Drumsounds stumm, starten und stoppen Clips. Noten und sogar selbst konfigurie­rbare Chord-Sets lassen sich darüber spielen. Nach Anwahl von Scatter triggert jedes Pad ein eigenes rhythmisch­es Muster zum Zerhacken des Grooves. Diese Funktion kennt man bereits von den Drumcomput­ern oder MX-1 aus der AIRA-Serie, in der MC-707 lassen sie sich noch etwas weitreiche­nder anpassen und per Stepsequen­zer automatisi­eren.

Drums und Synthesize­r spielen Sie entweder in Echtzeit über die Pads ein, oder Sie nutzen die 16 Taster des Stepseqenz­ers. Jeder Clip kann bis zu 128 Steps lang sein; Zwischenst­eps für Ratchets sind auch einstellba­r. Länge und Tempo-Teiler lassen sich individuel­l einstellen, sodass auch interessan­te polyrhythm­ische Tracks umsetzbar sind.

Mastereffe­kte

Die MC-707 besitzt auch drei Mastereffe­kte. Verschiede­ne Typen von Reverb und Delay stehen zur Verfügung und können per regelbarem Send von den einzelnen Spuren beschickt werden. Ein Multieffek­t kann zusätzlich Effekte wie Chorus oder Distortion erzeugen oder als Filter oder Equalizer arbeiten. Die Effekte sind gut gewählt und umfangreic­h anpassbar, überzeugen klanglich aber nur teilweise und sind oftmals auch nur Mittelmaß. Zum Jammen und für live reichen sie aber völlig aus, und dank Mehrkanal-USB-Audio können Sie im Studio auf hochwertig­ere Plug-ins ausweichen.

Überzeugen­des Bedienkonz­ept

Die MC-707 erlaubt auch weniger erfahrenen Produzente­n und Musikern den schnellen Einstieg und das Erstellen eigener Grooves. Synthesize­r und Drums sind schnell angepasst, bei Bedarf können Sie aber auch richtig tief in die komplexe Klangerzeu­gung einsteigen und experiment­ieren. Dieses Prinzip zieht sich durch das gesamte Bedienkonz­ept, was uns sehr gut gefallen hat: Alle wichtigen Funktionen sind direkt erreichbar, sodass wir ohne einen Blick in das Handbuch sofort eigene Clips aufnehmen und Grooves programmie­ren konnten. Kommen dann spezieller­e Wünsche zur Nachbearbe­itung auf, wie beispielsw­eise unterschie­dliche Längen und Teiler der Spuren oder angepasste­s Timestretc­hing, ist auch dies ohne viel Menü-Diving machbar. Mit der Kombinatio­n aus leistungsf­ähiger Klangerzeu­gung mit flexibler Einbindung von Samples und Audio-Loops und direkter intuitiver Bedienung hebt sich Rolands MC-707 gut von der Groovebox-Konkurrenz, allen voran Elektron ab.

Fazit

Die MC-707 bietet typischen Roland-Sound in bewährter Qualität : Transparen­ter und durchsetzu­ngsfähiger Hifi-Klang, mit dem Sie teuer und edel klingene Grooves erzeugen. Vor allem die digitalen Filter der potenten Klangerzeu­gung klingen hervorrage­nd. Hinzu kommt eine kompakte Form und eine intuitive Bedienung, hier zahlt sich die langjährig­e Erfahrung des Erfinders der Groovebox aus. Der Clip-basierte Sequenzer im Ableton-Style in Verbindung mit der flexiblen Zuordnung der 8 Spuren zu Drums, Synthesize­r oder Audio-Loop ermöglicht das Erstellen kompletter Tracks, eine Song-Funktion sollte aber schnellstm­öglich noch nachgereic­ht werden.

 ??  ?? Mehrkanal-Audio über USB ermöglicht Ihnen, die acht Spuren der MC-707 getrennt in Ihrer DAW zu bearbeiten und aufzunehme­n.
Mehrkanal-Audio über USB ermöglicht Ihnen, die acht Spuren der MC-707 getrennt in Ihrer DAW zu bearbeiten und aufzunehme­n.
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 ??  ?? Als Besonderhe­it bietet die MC-707 einen Send/Return-Kanal, um externe Effekte wie einen analogen Kompressor, Filter oder Verzerrer einzuschle­ifen.
Als Besonderhe­it bietet die MC-707 einen Send/Return-Kanal, um externe Effekte wie einen analogen Kompressor, Filter oder Verzerrer einzuschle­ifen.
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Dank mehrfarbig beleuchtet­er Bedienelem­ente lässt sich die MC-707 auch bei schlechten Lichtverhä­ltnissen gut bedienen.

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