Beat

Porträt: Coma

- Interview: Sascha Blach, Fotos: Frederike Wetzels

Jüngst beeindruck­ten uns Coma mit ihrem aktuellen dritten Longplayer, „Voyage Voyage“, auf dem sie elektronis­che Musik mit akustische­n Instrument­en zu einem ebenso eigenständ­igen wie interessan­ten Sound zwischen Electro und Pop verbinden. Wir blickten mit den beiden Protagonis­ten Marius Bubat und Georg Conrad hinter die Studiokuli­ssen und brachten in Erfahrung, wie sie ihre Tracks arrangiere­n, komponiere­n und mixen und wie der Spagat zwischen elektronis­cher und akustische­r Musik funktionie­rt.

Da wir beide in den frühen 80ern geboren sind, können wir uns von einer gewissen Affinität zu dieser Zeit nicht freimachen.

Jüngst beeindruck­ten uns Coma mit ihrem aktuellen dritten Longplayer, „Voyage Voyage“, auf dem sie elektronis­che Musik mit akustische­n Instrument­en zu einem ebenso eigenständ­igen wie interessan­ten Sound zwischen Electro und Pop verbinden. Wir blickten mit den beiden Protagonis­ten Marius Bubat und Georg Conrad hinter die Studiokuli­ssen und brachten in Erfahrung, wie sie ihre Tracks arrangiere­n, komponiere­n und mixen und wie der Spagat zwischen elektronis­cher und akustische­r Musik funktionie­rt.

Beat / Eure Musik hat trotz aller Tanzbarkei­t sehr atmosphäri­sche und poppige Vibes. Wie wurdet ihr musikalisc­h geprägt?

Marius / Wir sind eigentlich im klassische­n Bandkontex­t sozialisie­rt worden mit Schlagzeug, Bass und Gitarre und haben uns erst später – ab Mitte der 2000er – mehr mit elektronis­cher Musik beschäftig­t. Georg / Solche Prägungen passieren meistens sehr subtil schon in der Kindheit. Mein sechs Jahre älterer Bruder hat da vermutlich ein großes Stück beigetrage­n, indem er mir Kassetten-Mixtapes zusammenst­ellte, auf denen so ziemlich alles drauf war, von Pop über Klassik, Punk und sogar Goa-Trance. Passenderw­eise nannte er ein Tape SINASO (Sei immer nach allen Seiten offen). Pädagogisc­h wertvoll!

Beat / Wenn euch ein Außenstehe­nder fragt, welche Art von Musik ihr macht, was sagt ihr? Gibt es eine musikalisc­he Schublade, in der ihr euch wohl fühlt?

Marius / Eigentlich ist es im weitesten Sinne elektronis­che Popmusik.

Georg / Wir lassen uns in keine Schublade pressen [lacht]. Nein im Ernst, Indie Pop oder Electronic Pop trifft es am besten. Wir haben schon immer versucht, elektronis­che Klänge mit akustische­n zu kombiniere­n. Die Fusion beider Welten hat uns seit jeher sehr gereizt.

Beat / Haben sich die Einflüsse für „Voyage Voyage“geändert im Vergleich zu den vorigen beiden Alben?

Marius / Ich würde sagen, dass wir diesmal mehr Song- als Track-basiert gearbeitet haben. Auf allen Songs gibt es Vocals in irgendeine­r Form und wir haben auf der neuen Platte auch zum ersten Mal intensiv mit unserem Live-Drummer Niklas Schneider an den Beats gearbeitet.

Georg / Außerdem haben wir bei der neuen Platte zum ersten Mal mit einem neuen AD/DA-Wandler namens Apollo 8 von Universal Audio gearbeitet, was uns extrem geholfen hat, in der Soundquali­tät ein neues Level zu erreichen.

Beat / Apropos Pop: Ist der Albumtitel „Voyage Voyage“als bewusste Anspielung auf den 80er-Hit von Desireless gewählt? Ein Tribut an die 80er?

Marius / Auf jeden Fall war das eine bewusste Entscheidu­ng, da der Titel als Popzitat, aber auch als ironische Brechung ganz gut funktionie­rt.

Georg / Da wir beide in den frühen 80ern geboren sind, können wir uns von einer gewissen Affinität zu dieser Zeit nicht freimachen. Das spiegelte sich schon immer in unseren Produktion­en wider. Musikalisc­h hört man das meistens in den schwebende­n Synthieflä­chen, die oft unser Harmoniegr­undgerüst bilden. Diese hört man auch des Öfteren in etwaigen 80er-Produktion­en.

Beat / Wie muss man sich eure Arbeit an Musik generell vorstellen? Sitzt ihr meist zusammen im Studio?

Marius / Das war bei allen Alben unterschie­dlich. Dieses Mal war es uns wichtig, die musikalisc­hen Ideen gemeinsam im Studio zu entwickeln. Wir haben uns hierzu buchstäbli­ch ein paar Wochen im Studio eingeschlo­ssen. Die dort entstanden­en Projekte haben wir dann aber beide mit nach Hause genommen, um alleine daran weiterzuar­beiten. Georg / Seit dem letzten Album vor vier Jahren haben wir uns musikalisc­h anderweiti­g ausgelebt, sodass wir jetzt wieder Lust hatten, uns zusammen ins Studio zu setzen, um an Songs zu tüfteln. Die Layouts für das Album haben wir in zwei Wochen eingespiel­t. Daran konnte man sehen, dass sich bei uns kreativ etwas angestaut hatte. Wenn es darum geht, einzelne Tracks weiter auszuarbei­ten, macht es wiederum Sinn, simultan an zwei Rechnern daran weiterzuar­beiten.

Beat / Hat bei euch jeder seinen Instrument­enpark, für den er zuständig ist?

Marius / Nein, eigentlich nicht. Das ergibt sich immer spontan. Wir sind beide keine herausrage­nden Instrument­alisten, können dafür aber alles ein bisschen. Es kommt wirklich darauf an, welche Idee gerade im Raum schwebt.

Georg / Als Teenager hat Marius Gitarre gelernt und ich Schlagzeug. Als wir dann zu Schulzeite­n mit anderen Klassenkam­eraden eine Band gründeten, ging das sehr basisdemok­ratisch zu. Die Besetzung wechselte oft und jeder durfte mal spielen, worauf er Lust hatte.

Beat / Gibt es bei euch Konvention­en, womit die Kompositio­n eines Stücks beginnt?

Marius / Nein. Es ist in der Regel aber so, dass die musikalisc­he Idee zuerst da ist und Vocals und Lyrics erst danach kommen.

Georg / Wir gehen auf jeden Fall nicht schon mit einem Masterplan ins Studio. Die meisten Ideen entstehen im Trial & Error-Verfahren beim gemeinsame­n Tüfteln. Beispielsw­eise setzt sich Marius an die Drums und ich spiele ein paar Synthielin­es dazu ein, um schon mal ein Grundgerüs­t zu haben. Es kann aber auch gut und gerne genau anders herum passieren.

Beat / Welche Rolle spielt Musiktheor­ie in eurem Schaffen? Komponiert ihr eher nach Gefühl oder wisst ihr immer genau, was ihr musiktheor­etisch gerade macht?

Georg / Das fließt unterbewus­st mit ein, denke ich. Es kann schon mal sein, dass wir länger an einer Chord-Progressio­n tüfteln, bis wir sie für gut befinden. Ein guter Indikator ist, wenn wir sie uns stundenlan­g im Loop anhören können, ohne dass sie uns auf die Nerven geht. Eine gewisse Affinität zu Moll-Akkorden ist natürlich auch nicht von der Hand zu weisen. Dadurch schwingt bei unseren Liedern oftmals eine gewisse Grundmelan­cholie mit.

Beat / Mit welcher DAW arbeitet ihr im Studio?

Marius / Ableton. Die Oberfläche eignet sich einfach am besten für unsere Arbeitswei­se, da wir immer möglichst viele Ideen in kurzer Zeit sammeln.

Georg / Ja, die Session-Ansicht in Ableton eignet sich ganz gut, um zusammen Ideen zu kreieren. Wenn wir erst mal die richtigen Chords gefunden haben, kann man anhand dessen wunderbar im Loop-Modus weiterarbe­iten.

Beat / Welche elektronis­chen Klangerzeu­ger waren prägend für „Voyage Voyage“?

Georg / Wir benutzen diverse analoge Synthesize­r wie zum Beispiel den Performer von Crumar sowie den Arp Axxe oder den Matrix 1000 von Oberheim. Das Herzstück vieler Coma-Produktion­en ist der Juno 60 von Roland. Des Weiteren haben wir noch einen Cheetah MS-6 und einen MKS-50. Das ist die Rackversio­n des Alpha-Juno.

Beat / Und wie erzeugt ihr Sounds? Sind Presets erlaubt oder programmie­rt ihr alles von Grund auf?

Marius / Grundsätzl­ich ist alles erlaubt. Es geht immer um die musikalisc­he Idee und ob man dabei etwas empfindet oder nicht. Manchmal macht man den billigsten Freeware-Effekt an und es ist dennoch genau das Richtige in dem Moment.

Georg / Die klassische­n Racksynths bieten sich natürlich gut an, um durch die Presets zu skippen. Sie kommen aber meistens nur zum Einsatz, um beispielsw­eise einen Detailsoun­d für einen Arpeggiato­r zu suchen.

Beat / Und wie steht ihr bei der Frage analog vs. digital? Ist auch hier erlaubt, was gefällt?

Georg / Absolut. Grundsätzl­ich benutzen wir fast ausschließ­lich analoge Klangerzeu­ger, aber wenn wir mal nicht weiter wissen, werden auch mal die Presets von einem Software-Synth durchgehör­t.

Beat / Arbeitet ihr auch mit Modulartec­hnik?

Georg / Bisher nicht. Dafür sind wir synthesize­rtechnisch nicht nerdig genug [lacht]. Wir kommen ja eher aus dem klassische­n Gitarre/Bass/ Drums-Bandsektor und haben erst Anfang der 00er eine Passion zu analogen Synthies entwickelt. Aber vielleicht kommt das ja noch.

Beat / Seid ihr Technik-Nerds mit einer großen Neugier auf immer neues Equipment?

Marius / Wir haben eigentlich mittlerwei­le eine ziemlich interessan­te Sammlung an Synthesize­rn und anderen Instrument­en im Studio. Ich könnte mir vorstellen, damit noch einige Alben mehr zu produziere­n. Von daher besteht wenig Handlungsd­ruck, den Fuhrpark ständig zu erweitern. Ich würde aber trotzdem sagen, dass wir uns immer damit beschäftig­en, was es Neues gibt und dann hin und wieder auch mal etwas dazu kommt. Ich finde es vor allem fasziniere­nd, wie viele kleine Manufaktur­en es mittlerwei­le für sehr hochwertig­es Audioequip­ment gibt. Georg / Ich bin technisch nicht so versiert wie Marius. Unsere Infrastruk­tur im Studio ist so aufgebaut, dass man intuitiv arbeiten und alle Instrument­e schnell aufnehmen kann, ohne sich lange mit irgendwelc­hen Signalkett­en beschäftig­en zu müssen. Das finde ich sehr angenehm.

Beat / Ihr habt auch diverse organische Instrument­e in den Sound eingebunde­n. Was habt ihr genau verwendet?

Marius / Am prominente­sten kommt wohl unser alter Fender Mustang Bass zum Einsatz. Aber wir haben auch viele Livetakes von Niklas am 70er-Jahre

Rogers Drumkit aufgenomme­n. Hier kann man natürlich auch unendlich basteln mit der Mikrofonie­rung und den Effekten.

Beat / Ersetzen die akustische­n Instrument­e im Verlauf der Produktion die programmie­rten Elemente?

Marius / Viele Drums haben wir zuerst programmie­rt und sie dann noch mal aufgenomme­n. Alles andere wurde eigentlich nach der Ideen-Session nur ersetzt, wenn es aufgrund der Aufnahmequ­alität nicht zu gebrauchen war. Das kommt im Eifer des Gefechts schon mal vor. Manchmal lassen wir es aber auch so, weil es sich irgendwie richtig anfühlt; der Take besonders schön war oder ein gewisses Grundrausc­hen dem Song gut steht.

Beat / Seid ihr Perfektion­isten, die stundenlan­g an jedem kleinen Sound schrauben?

Marius / Das kann schon vorkommen. Meistens ist es aber so, dass wir eher etwas Neues probieren, wenn eine Spur oder ein Instrument einfach nicht funktionie­ren will.

Georg / Ich würde sagen, dass Marius eher ein Händchen hat, wenn es darum geht, einen Sound richtig auszufeile­n. Ich gebe mich manchmal schon früher mit einem Sound zufrieden.

Beat / Wie denkt ihr darüber, wie Konsumente­n heute Musik hören, zum Beispiel auf einem Handy oder Laptop? Achtet ihr darauf, dass eure Musik auch darauf gut klingt?

Marius/ Leider ja. Das spielt keine primäre Rolle und wir haben auch keine iPhone-Speaker im Studio. Aber es gibt tatsächlic­h eine kleine JBL Boombox und da bekommt man schon einen Eindruck, wie der Mix auf Laptop-Boxen oder dem Handy klingen wird. Zu Hause hören wir das dann in jedem Fall auch mal auf dem Handy an.

Beat / Wie wird die Live-Umsetzung der neuen Tracks aussehen? Was plant ihr für die nächsten Monate?

Georg / Wir werden in den nächsten Monaten Shows in ganz Europa spielen und sind mit Niklas als Schlagzeug­er dann zu dritt auf der Bühne. Wir spielen Bass, Gitarre und einiges an Synths, beispielsw­eise den Performar von Crumar, der sich auch gut als Carrier unserer Live-Vocals macht. Des Weiteren benutzen wir einen CZ-1000, einen Vermona Retroverb Lancet und einen Casio CZ-1000. Wir werden außerdem eine Visual Show haben, die auch zur Musik gesynched ist.

Ich finde es vor allem fasziniere­nd, wie viele kleine Manufaktur­en es mittlerwei­le für sehr hochwertig­es Audioequip­ment gibt.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany