Porträt: Coma
Jüngst beeindruckten uns Coma mit ihrem aktuellen dritten Longplayer, „Voyage Voyage“, auf dem sie elektronische Musik mit akustischen Instrumenten zu einem ebenso eigenständigen wie interessanten Sound zwischen Electro und Pop verbinden. Wir blickten mit den beiden Protagonisten Marius Bubat und Georg Conrad hinter die Studiokulissen und brachten in Erfahrung, wie sie ihre Tracks arrangieren, komponieren und mixen und wie der Spagat zwischen elektronischer und akustischer Musik funktioniert.
Da wir beide in den frühen 80ern geboren sind, können wir uns von einer gewissen Affinität zu dieser Zeit nicht freimachen.
Jüngst beeindruckten uns Coma mit ihrem aktuellen dritten Longplayer, „Voyage Voyage“, auf dem sie elektronische Musik mit akustischen Instrumenten zu einem ebenso eigenständigen wie interessanten Sound zwischen Electro und Pop verbinden. Wir blickten mit den beiden Protagonisten Marius Bubat und Georg Conrad hinter die Studiokulissen und brachten in Erfahrung, wie sie ihre Tracks arrangieren, komponieren und mixen und wie der Spagat zwischen elektronischer und akustischer Musik funktioniert.
Beat / Eure Musik hat trotz aller Tanzbarkeit sehr atmosphärische und poppige Vibes. Wie wurdet ihr musikalisch geprägt?
Marius / Wir sind eigentlich im klassischen Bandkontext sozialisiert worden mit Schlagzeug, Bass und Gitarre und haben uns erst später – ab Mitte der 2000er – mehr mit elektronischer Musik beschäftigt. Georg / Solche Prägungen passieren meistens sehr subtil schon in der Kindheit. Mein sechs Jahre älterer Bruder hat da vermutlich ein großes Stück beigetragen, indem er mir Kassetten-Mixtapes zusammenstellte, auf denen so ziemlich alles drauf war, von Pop über Klassik, Punk und sogar Goa-Trance. Passenderweise nannte er ein Tape SINASO (Sei immer nach allen Seiten offen). Pädagogisch wertvoll!
Beat / Wenn euch ein Außenstehender fragt, welche Art von Musik ihr macht, was sagt ihr? Gibt es eine musikalische Schublade, in der ihr euch wohl fühlt?
Marius / Eigentlich ist es im weitesten Sinne elektronische Popmusik.
Georg / Wir lassen uns in keine Schublade pressen [lacht]. Nein im Ernst, Indie Pop oder Electronic Pop trifft es am besten. Wir haben schon immer versucht, elektronische Klänge mit akustischen zu kombinieren. Die Fusion beider Welten hat uns seit jeher sehr gereizt.
Beat / Haben sich die Einflüsse für „Voyage Voyage“geändert im Vergleich zu den vorigen beiden Alben?
Marius / Ich würde sagen, dass wir diesmal mehr Song- als Track-basiert gearbeitet haben. Auf allen Songs gibt es Vocals in irgendeiner Form und wir haben auf der neuen Platte auch zum ersten Mal intensiv mit unserem Live-Drummer Niklas Schneider an den Beats gearbeitet.
Georg / Außerdem haben wir bei der neuen Platte zum ersten Mal mit einem neuen AD/DA-Wandler namens Apollo 8 von Universal Audio gearbeitet, was uns extrem geholfen hat, in der Soundqualität ein neues Level zu erreichen.
Beat / Apropos Pop: Ist der Albumtitel „Voyage Voyage“als bewusste Anspielung auf den 80er-Hit von Desireless gewählt? Ein Tribut an die 80er?
Marius / Auf jeden Fall war das eine bewusste Entscheidung, da der Titel als Popzitat, aber auch als ironische Brechung ganz gut funktioniert.
Georg / Da wir beide in den frühen 80ern geboren sind, können wir uns von einer gewissen Affinität zu dieser Zeit nicht freimachen. Das spiegelte sich schon immer in unseren Produktionen wider. Musikalisch hört man das meistens in den schwebenden Synthieflächen, die oft unser Harmoniegrundgerüst bilden. Diese hört man auch des Öfteren in etwaigen 80er-Produktionen.
Beat / Wie muss man sich eure Arbeit an Musik generell vorstellen? Sitzt ihr meist zusammen im Studio?
Marius / Das war bei allen Alben unterschiedlich. Dieses Mal war es uns wichtig, die musikalischen Ideen gemeinsam im Studio zu entwickeln. Wir haben uns hierzu buchstäblich ein paar Wochen im Studio eingeschlossen. Die dort entstandenen Projekte haben wir dann aber beide mit nach Hause genommen, um alleine daran weiterzuarbeiten. Georg / Seit dem letzten Album vor vier Jahren haben wir uns musikalisch anderweitig ausgelebt, sodass wir jetzt wieder Lust hatten, uns zusammen ins Studio zu setzen, um an Songs zu tüfteln. Die Layouts für das Album haben wir in zwei Wochen eingespielt. Daran konnte man sehen, dass sich bei uns kreativ etwas angestaut hatte. Wenn es darum geht, einzelne Tracks weiter auszuarbeiten, macht es wiederum Sinn, simultan an zwei Rechnern daran weiterzuarbeiten.
Beat / Hat bei euch jeder seinen Instrumentenpark, für den er zuständig ist?
Marius / Nein, eigentlich nicht. Das ergibt sich immer spontan. Wir sind beide keine herausragenden Instrumentalisten, können dafür aber alles ein bisschen. Es kommt wirklich darauf an, welche Idee gerade im Raum schwebt.
Georg / Als Teenager hat Marius Gitarre gelernt und ich Schlagzeug. Als wir dann zu Schulzeiten mit anderen Klassenkameraden eine Band gründeten, ging das sehr basisdemokratisch zu. Die Besetzung wechselte oft und jeder durfte mal spielen, worauf er Lust hatte.
Beat / Gibt es bei euch Konventionen, womit die Komposition eines Stücks beginnt?
Marius / Nein. Es ist in der Regel aber so, dass die musikalische Idee zuerst da ist und Vocals und Lyrics erst danach kommen.
Georg / Wir gehen auf jeden Fall nicht schon mit einem Masterplan ins Studio. Die meisten Ideen entstehen im Trial & Error-Verfahren beim gemeinsamen Tüfteln. Beispielsweise setzt sich Marius an die Drums und ich spiele ein paar Synthielines dazu ein, um schon mal ein Grundgerüst zu haben. Es kann aber auch gut und gerne genau anders herum passieren.
Beat / Welche Rolle spielt Musiktheorie in eurem Schaffen? Komponiert ihr eher nach Gefühl oder wisst ihr immer genau, was ihr musiktheoretisch gerade macht?
Georg / Das fließt unterbewusst mit ein, denke ich. Es kann schon mal sein, dass wir länger an einer Chord-Progression tüfteln, bis wir sie für gut befinden. Ein guter Indikator ist, wenn wir sie uns stundenlang im Loop anhören können, ohne dass sie uns auf die Nerven geht. Eine gewisse Affinität zu Moll-Akkorden ist natürlich auch nicht von der Hand zu weisen. Dadurch schwingt bei unseren Liedern oftmals eine gewisse Grundmelancholie mit.
Beat / Mit welcher DAW arbeitet ihr im Studio?
Marius / Ableton. Die Oberfläche eignet sich einfach am besten für unsere Arbeitsweise, da wir immer möglichst viele Ideen in kurzer Zeit sammeln.
Georg / Ja, die Session-Ansicht in Ableton eignet sich ganz gut, um zusammen Ideen zu kreieren. Wenn wir erst mal die richtigen Chords gefunden haben, kann man anhand dessen wunderbar im Loop-Modus weiterarbeiten.
Beat / Welche elektronischen Klangerzeuger waren prägend für „Voyage Voyage“?
Georg / Wir benutzen diverse analoge Synthesizer wie zum Beispiel den Performer von Crumar sowie den Arp Axxe oder den Matrix 1000 von Oberheim. Das Herzstück vieler Coma-Produktionen ist der Juno 60 von Roland. Des Weiteren haben wir noch einen Cheetah MS-6 und einen MKS-50. Das ist die Rackversion des Alpha-Juno.
Beat / Und wie erzeugt ihr Sounds? Sind Presets erlaubt oder programmiert ihr alles von Grund auf?
Marius / Grundsätzlich ist alles erlaubt. Es geht immer um die musikalische Idee und ob man dabei etwas empfindet oder nicht. Manchmal macht man den billigsten Freeware-Effekt an und es ist dennoch genau das Richtige in dem Moment.
Georg / Die klassischen Racksynths bieten sich natürlich gut an, um durch die Presets zu skippen. Sie kommen aber meistens nur zum Einsatz, um beispielsweise einen Detailsound für einen Arpeggiator zu suchen.
Beat / Und wie steht ihr bei der Frage analog vs. digital? Ist auch hier erlaubt, was gefällt?
Georg / Absolut. Grundsätzlich benutzen wir fast ausschließlich analoge Klangerzeuger, aber wenn wir mal nicht weiter wissen, werden auch mal die Presets von einem Software-Synth durchgehört.
Beat / Arbeitet ihr auch mit Modulartechnik?
Georg / Bisher nicht. Dafür sind wir synthesizertechnisch nicht nerdig genug [lacht]. Wir kommen ja eher aus dem klassischen Gitarre/Bass/ Drums-Bandsektor und haben erst Anfang der 00er eine Passion zu analogen Synthies entwickelt. Aber vielleicht kommt das ja noch.
Beat / Seid ihr Technik-Nerds mit einer großen Neugier auf immer neues Equipment?
Marius / Wir haben eigentlich mittlerweile eine ziemlich interessante Sammlung an Synthesizern und anderen Instrumenten im Studio. Ich könnte mir vorstellen, damit noch einige Alben mehr zu produzieren. Von daher besteht wenig Handlungsdruck, den Fuhrpark ständig zu erweitern. Ich würde aber trotzdem sagen, dass wir uns immer damit beschäftigen, was es Neues gibt und dann hin und wieder auch mal etwas dazu kommt. Ich finde es vor allem faszinierend, wie viele kleine Manufakturen es mittlerweile für sehr hochwertiges Audioequipment gibt. Georg / Ich bin technisch nicht so versiert wie Marius. Unsere Infrastruktur im Studio ist so aufgebaut, dass man intuitiv arbeiten und alle Instrumente schnell aufnehmen kann, ohne sich lange mit irgendwelchen Signalketten beschäftigen zu müssen. Das finde ich sehr angenehm.
Beat / Ihr habt auch diverse organische Instrumente in den Sound eingebunden. Was habt ihr genau verwendet?
Marius / Am prominentesten kommt wohl unser alter Fender Mustang Bass zum Einsatz. Aber wir haben auch viele Livetakes von Niklas am 70er-Jahre
Rogers Drumkit aufgenommen. Hier kann man natürlich auch unendlich basteln mit der Mikrofonierung und den Effekten.
Beat / Ersetzen die akustischen Instrumente im Verlauf der Produktion die programmierten Elemente?
Marius / Viele Drums haben wir zuerst programmiert und sie dann noch mal aufgenommen. Alles andere wurde eigentlich nach der Ideen-Session nur ersetzt, wenn es aufgrund der Aufnahmequalität nicht zu gebrauchen war. Das kommt im Eifer des Gefechts schon mal vor. Manchmal lassen wir es aber auch so, weil es sich irgendwie richtig anfühlt; der Take besonders schön war oder ein gewisses Grundrauschen dem Song gut steht.
Beat / Seid ihr Perfektionisten, die stundenlang an jedem kleinen Sound schrauben?
Marius / Das kann schon vorkommen. Meistens ist es aber so, dass wir eher etwas Neues probieren, wenn eine Spur oder ein Instrument einfach nicht funktionieren will.
Georg / Ich würde sagen, dass Marius eher ein Händchen hat, wenn es darum geht, einen Sound richtig auszufeilen. Ich gebe mich manchmal schon früher mit einem Sound zufrieden.
Beat / Wie denkt ihr darüber, wie Konsumenten heute Musik hören, zum Beispiel auf einem Handy oder Laptop? Achtet ihr darauf, dass eure Musik auch darauf gut klingt?
Marius/ Leider ja. Das spielt keine primäre Rolle und wir haben auch keine iPhone-Speaker im Studio. Aber es gibt tatsächlich eine kleine JBL Boombox und da bekommt man schon einen Eindruck, wie der Mix auf Laptop-Boxen oder dem Handy klingen wird. Zu Hause hören wir das dann in jedem Fall auch mal auf dem Handy an.
Beat / Wie wird die Live-Umsetzung der neuen Tracks aussehen? Was plant ihr für die nächsten Monate?
Georg / Wir werden in den nächsten Monaten Shows in ganz Europa spielen und sind mit Niklas als Schlagzeuger dann zu dritt auf der Bühne. Wir spielen Bass, Gitarre und einiges an Synths, beispielsweise den Performar von Crumar, der sich auch gut als Carrier unserer Live-Vocals macht. Des Weiteren benutzen wir einen CZ-1000, einen Vermona Retroverb Lancet und einen Casio CZ-1000. Wir werden außerdem eine Visual Show haben, die auch zur Musik gesynched ist.
Ich finde es vor allem faszinierend, wie viele kleine Manufakturen es mittlerweile für sehr hochwertiges Audioequipment gibt.