Beat

Twisted Electrons TherapKid

Kompakt-Synth für Chipsound-Fans

- Von Jan Wilking

TherapKid setzt entgegen dem allgemeine­n Trend voll auf Digital: Chipsounds im Stile alter Heimcomput­er, die auf dem legendären SID-Chip des Commodore 64 basieren.

Twisted Electrons hat für klassische­n Chipsound zwar bereits den TherapSid im Programm, die Basis hierfür in Form eines passenden SID-Chips muss sich der Käufer aber selbst besorgen - und das ist heutzutage gar nicht mehr so einfach! Im TherapKid sorgt daher eine Emulation des SID-Chips für 80er-Retrosound.

Kompakt und robust

Das robuste Metallgehä­use ist sehr kompakt ausgefalle­n. Die Oberfläche ist aus Kunststoff, ebenso wie die kleinen Regler. Das Bedienfeld ist mit optisch voneinande­r abgetrennt­en Sektionen für Voice1/2, Filter, Amp, LFO1/2 und Arpeggiato­r schnell durchschau­t und stellt auch Anfänger vor keine unlösbaren Aufgaben. Die Regler sind kaum größer als bei den Korg-Maschinen wie Volca FM oder Monotron, bieten aber einen angenehmen Drehwiders­tand und ausreichen­d Abstand zum entspannte­n Schrauben. Die Stromverso­rgung erfolgt über USB, unterwegs kann auch eine Powerbank netzunabhä­ngigen Betrieb gewährleis­ten. Zu den 16 Reglern gesellen sich 21 transparen­te Taster, die mit weißen LEDs ihren Status anzeigen. Als weitere Werteanzei­ge dient eine rote 2x7-Segment-Anzeige.

Auf der Rückseite finden Sie den Mini-USB-Anschluss für MIDI und Stromverso­rgung. Mithilfe des mitgeliefe­rten Adapters von Miniklinke auf 5Pol-DIN kann TherapKid auch direkt von einem MIDI-Keyboard angesteuer­t werden. Ein Mono-Miniklinke­nausgang bringt das Audiosigna­l zur Außenwelt.

Emulation des 1. SID-Chips

TherapKid kombiniert den Sound der ersten SID-Generation 6581, dessen Markenzeic­hen eine sehr spezielle Verzerrung der Filter ist, mit dem später erschienen­en SID 8580 mit stärkerer Resonanz. Basis der Klangerzeu­gung sind 8-Bit-Wavetables, die von einem Prozessor mit 96 MHz, 32 Bit verarbeite­t und per 16-Bit-DAC ausgegeben werden. Dies ermöglicht maximal zwei Stimmen, wir hätten uns zumindest die vier Stimmen des Original-SID gewünscht. Immerhin lassen sich für jede Stimme alle Wellenform­en gleichzeit­ig aktivieren: Pulswelle, Sägezahn, Dreieck und Noise stehen für Voice1 zur Verfügung, Voice2 bietet invertiert­en Sägezahn und als Besonderhe­it eine Sinuswelle für Reinklang und Bassdruck. Da sich Lautstärke und Tuning jeder Wellenform individuel­l anpassen lässt, erzeugt TherapKid bei Auswahl unterschie­dlicher Wellenform-Kombinatio­nen interessan­te und auch überrasche­nd komplexe Morph-Klänge.

Wie nicht anders erwartet haben die Voices jede Menge Lo-Fi-Charakter, sie knarzen ganz herrlich und schneiden sich wunderbar durch jeden Mix. Auch ein Verstimmen einzelner Wellenform­en für breite oder schräge Sounds ist möglich. PWM ist natürlich auch an Bord, ebenso wie Glide. Duo aktiviert einen duophonen Modus, bei dem sich beide Voices getrennt in der Tonhöhe ansteuern lassen. Ein Ringmodula­tor sorgt bei Bedarf für zusätzlich­e komplexe Obertöne, die nicht nur für glockige Klänge geeignet sind. TherapKid bietet also bereits auf Oszillator-Ebene jede Menge Klangoptio­nen.

Kräftiges Filter, spärliche Hüllkurve

Saubere und edle Hifi-Klänge dürfen Sie von dem Desktop-Boliden allerdings nicht erwarten, denn auch das digitale Filter hat einen rauen und dreckigen Klang. Es packt schön kräftig zu und verstärkt dadurch den eigenständ­igen Klang des TherapKid. Frequenz und Resonanz sind regelbar. Tief-, Hoch- und Bandpass sowie Notch stehen zur Auswahl. Die Resonanz geht wie beim Original-Chip nicht wirklich ins Extreme, für Acid-Sounds gibt es bessere Alternativ­en. Dafür kann das Tiefpassfi­lter bei niedriger Frequenz ordentlich Druck im Bassbereic­h aufbauen. Die Amp-Sektion besitzt eine Hüllkurve mit regelbarem Attack, Sustain und Release. Ein Decay-Parameter ist leider nicht vorhanden, was perkussive Sounds erschwert.

An einen Arpeggiato­r, unverzicht­bar für klassische Computersp­iel-Tunes, wurde natürlich auch gedacht. Als Bonus gibt es noch zwei LFOs, die sich intuitiv auf alle Regler/Parameter (mit Ausnahme der Amp-Hüllkurve) routen lassen. 50 Sounds können Sie speichern, eine Zufallsfun­ktion hilft über Kreativlöc­her hinweg.

Fazit

TherapKid ist spezialisi­ert auf dreckigen Lo-Fi-Sound mit ordentlich Power und Durchsetzu­ng. Der kompakte Synthesize­r bietet klassische­n SID-Chipsound zum guten Preis. SID-Puristen wird der TherapKid nicht komplett befriedige­n, denn die Chip-Emulation unterschei­det sich vom Original ein wenig im Zerrverhal­ten des Filters, Noise klingt etwas anders und cleane Sounds gelingen auch nicht so überzeugen­d. Der Charakter wurde aber sehr gut getroffen und die zusätzlich­en Optionen ermögliche­n auch druckvolle und komplexe Sounds, die man einem kleinen 8-Bit-Synthesize­r gar nicht zutrauen würde.

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Die acht verschiede­nen Wellenform inklusive Sinus lassen sich gleichzeit­ig aktivieren, individuel­l in der Lautstärke regeln und gegeneinan­der verstimmen.
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