Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Ein Corona-Medikament aus Wuppertal
AiCuris will gemeinsam mit drei weiteren Biotech-Unternehmen lebensrettende Wirkstoffe so schnell wie möglich an den Start bringen. Bei der Entwicklung des Wirkstoffs geht es um zweistellige Millionensummen.
Vier mittelständische deutsche Unternehmen, darunter AiCuris aus Wuppertal, fordern Unterstützung von Politik und Öffentlichkeit bei der Entwicklung und Produktion innovativer Medikamente zur Behandlung von Covid-19-Patienten. Mit ihrer Initiative Beat-Cov sehen sich die Firmen nicht in Konkurrenz zu den Herstellern von Impfstoffen, weisen aber darauf hin, dass Erkrankte dringend Medikamente für eine gezielte Therapie von Symptomen und für die Verbesserung ihrer Lebenschancen benötigen.
Für AiCuris nahm Holger Zimmermann, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Unternehmens, das 2018 mit dem Deutschen Zukunftspreis ausgezeichnet wurde, am Mittwoch an einer Video-Konferenz teil, während der die Initiative Biotech Emergency Alliance for therapies against Covid-19 (Beat-Cov) ihre gemeinsamen Ziele, die sie mit eigenständigen Projekten erreichen will, vorstellte. Es handelt sich um vier hochspezialisierte Unternehmen, die mit einem Mitarbeiterstab von 20 bis 70 Experten flexibel Forschungsziele angehen können, die aber nicht im Alleingang den finanziellen Aufwand vor allem für die klinische Studien stemmen können, die weltweit angelegt sind. „Wir können lebenswichtige Medikamente zur Behandlung von Covid-19-Patienten zur Verfügung stellen, aber wir benötigen signifikante Unterstützung bei der Finanzierung der Entwicklungs- und Produktionskosten – jetzt!“, heißt es in dem Appell von Beat-Cov.
Die Forschung habe zum Teil bereits im März und April begonnen. Neben AiCuris (Anti-infective Cures
Gmbh) sind die Atriva Therapeutics GmbH, die Immunic AG und die InflaRX GmbH beteiligt. Die Sprecher der Unternehmen gehen davon aus, dass Menschen noch über viele Monate, vielleicht sogar Jahre, schwer an Covid-19 erkranken könnten. „Derzeit gibt es keine zugelassenen Medikamente, die ausreichend wirksam sind und das Virus sowie die höchst unterschiedlichen Krankheitsverläufe und -symptome adressieren. Ärzte haben daher nur begrenzte Möglichkeiten, um Menschenleben zu retten oder die Verweildauer im Krankenhaus deutlich zu reduzieren. Wir benötigen unterschiedliche Therapieoptionen und es besteht dringender Handlungsbedarf“, sagt Daniel Vitt von Immunic. Die Anzahl schwer erkrankter Patienten sei hoch, ein Viertel aller Covid-19-Patienten in Deutschland, die intensivmedizinisch behandelt werden müssen, überlebe die Erkrankung nicht. Prof. Niels Riedemann (InflaRX GmbH) wies darauf hin, dass am Mittwoch vom Robert-Koch-Institut mit 487 an Covid-19 gestorbenen Patienten eine traurige Höchstmarke für einen Tag gemeldet worden sei.
Bisher liege die Konzentration von Öffentlichkeit und Politik eindeutig auf der Entwicklung von Impfstoffen. „Wir sind begeistert von den Fortschritten in diesem Bereich, aber wir brauchen auch Medikamente. Wir empfehlen die Einrichtung eines Fonds in Höhe von 500 Millionen Euro bis 750 Millionen Euro zur Finanzierung von fortgeschrittenen und erfolgversprechenden Therapievorhaben“, so Holger Zimmermann. Eine interdisziplinäre Expertenkommission sollte die therapeutischen Projekte im Hinblick auf eine schnelle Umsetzbarkeit zugunsten erkrankter Patienten evaluieren. Dieser Kommission sollten beispielsweise Fachleute aus Immunologie, Infektiologie und Intensivmedizin sowie Zulassungsexperten und Gesundheitsökonomen angehören.
Die Entwicklung von Therapien verlange große, kostenintensive Zulassungsstudien und eine teure Vorproduktion der Wirkstoffe. Daher fordert Beat-COV eine signifikante Förderung zur Finanzierung von erfolgversprechenden Therapieoptionen, um späte Phasen der klinischen Entwicklung gezielt zu fördern und die Produktion, Zulassung und Markteinführung zu unterstützen. Es geht um Summen im zweistelligen Millionenbereich. Dieses Risiko könne ein Unternehmen in dieser Größenordnung nicht alleine tragen, gab Rainer Lichtenberger (Atriva Therapeutics GmbH) zu bedenken. „Es ist daher unausweichlich, dass wir öffentliche Mittel erhalten“, so Lichtenberger.
Der Zeitfaktor spielt bei der Entwicklung der Medikamente eine vergleichbar große Rolle wie bei dem Wettrennen der Hersteller von Impfstoffen. Die größte Zeitersparnis sei möglich, wenn parallel zur Zulassung eines Medikaments bereits mit dem Aufbau der Produktion begonnen werden könne.