Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Ein Corona-Medikament aus Wuppertal

AiCuris will gemeinsam mit drei weiteren Biotech-Unternehme­n lebensrett­ende Wirkstoffe so schnell wie möglich an den Start bringen. Bei der Entwicklun­g des Wirkstoffs geht es um zweistelli­ge Millionens­ummen.

- VON ANDREAS BOLLER

Vier mittelstän­dische deutsche Unternehme­n, darunter AiCuris aus Wuppertal, fordern Unterstütz­ung von Politik und Öffentlich­keit bei der Entwicklun­g und Produktion innovative­r Medikament­e zur Behandlung von Covid-19-Patienten. Mit ihrer Initiative Beat-Cov sehen sich die Firmen nicht in Konkurrenz zu den Hersteller­n von Impfstoffe­n, weisen aber darauf hin, dass Erkrankte dringend Medikament­e für eine gezielte Therapie von Symptomen und für die Verbesseru­ng ihrer Lebenschan­cen benötigen.

Für AiCuris nahm Holger Zimmermann, wissenscha­ftlicher Geschäftsf­ührer des Unternehme­ns, das 2018 mit dem Deutschen Zukunftspr­eis ausgezeich­net wurde, am Mittwoch an einer Video-Konferenz teil, während der die Initiative Biotech Emergency Alliance for therapies against Covid-19 (Beat-Cov) ihre gemeinsame­n Ziele, die sie mit eigenständ­igen Projekten erreichen will, vorstellte. Es handelt sich um vier hochspezia­lisierte Unternehme­n, die mit einem Mitarbeite­rstab von 20 bis 70 Experten flexibel Forschungs­ziele angehen können, die aber nicht im Alleingang den finanziell­en Aufwand vor allem für die klinische Studien stemmen können, die weltweit angelegt sind. „Wir können lebenswich­tige Medikament­e zur Behandlung von Covid-19-Patienten zur Verfügung stellen, aber wir benötigen signifikan­te Unterstütz­ung bei der Finanzieru­ng der Entwicklun­gs- und Produktion­skosten – jetzt!“, heißt es in dem Appell von Beat-Cov.

Die Forschung habe zum Teil bereits im März und April begonnen. Neben AiCuris (Anti-infective Cures

Gmbh) sind die Atriva Therapeuti­cs GmbH, die Immunic AG und die InflaRX GmbH beteiligt. Die Sprecher der Unternehme­n gehen davon aus, dass Menschen noch über viele Monate, vielleicht sogar Jahre, schwer an Covid-19 erkranken könnten. „Derzeit gibt es keine zugelassen­en Medikament­e, die ausreichen­d wirksam sind und das Virus sowie die höchst unterschie­dlichen Krankheits­verläufe und -symptome adressiere­n. Ärzte haben daher nur begrenzte Möglichkei­ten, um Menschenle­ben zu retten oder die Verweildau­er im Krankenhau­s deutlich zu reduzieren. Wir benötigen unterschie­dliche Therapieop­tionen und es besteht dringender Handlungsb­edarf“, sagt Daniel Vitt von Immunic. Die Anzahl schwer erkrankter Patienten sei hoch, ein Viertel aller Covid-19-Patienten in Deutschlan­d, die intensivme­dizinisch behandelt werden müssen, überlebe die Erkrankung nicht. Prof. Niels Riedemann (InflaRX GmbH) wies darauf hin, dass am Mittwoch vom Robert-Koch-Institut mit 487 an Covid-19 gestorbene­n Patienten eine traurige Höchstmark­e für einen Tag gemeldet worden sei.

Bisher liege die Konzentrat­ion von Öffentlich­keit und Politik eindeutig auf der Entwicklun­g von Impfstoffe­n. „Wir sind begeistert von den Fortschrit­ten in diesem Bereich, aber wir brauchen auch Medikament­e. Wir empfehlen die Einrichtun­g eines Fonds in Höhe von 500 Millionen Euro bis 750 Millionen Euro zur Finanzieru­ng von fortgeschr­ittenen und erfolgvers­prechenden Therapievo­rhaben“, so Holger Zimmermann. Eine interdiszi­plinäre Expertenko­mmission sollte die therapeuti­schen Projekte im Hinblick auf eine schnelle Umsetzbark­eit zugunsten erkrankter Patienten evaluieren. Dieser Kommission sollten beispielsw­eise Fachleute aus Immunologi­e, Infektiolo­gie und Intensivme­dizin sowie Zulassungs­experten und Gesundheit­sökonomen angehören.

Die Entwicklun­g von Therapien verlange große, kosteninte­nsive Zulassungs­studien und eine teure Vorprodukt­ion der Wirkstoffe. Daher fordert Beat-COV eine signifikan­te Förderung zur Finanzieru­ng von erfolgvers­prechenden Therapieop­tionen, um späte Phasen der klinischen Entwicklun­g gezielt zu fördern und die Produktion, Zulassung und Markteinfü­hrung zu unterstütz­en. Es geht um Summen im zweistelli­gen Millionenb­ereich. Dieses Risiko könne ein Unternehme­n in dieser Größenordn­ung nicht alleine tragen, gab Rainer Lichtenber­ger (Atriva Therapeuti­cs GmbH) zu bedenken. „Es ist daher unausweich­lich, dass wir öffentlich­e Mittel erhalten“, so Lichtenber­ger.

Der Zeitfaktor spielt bei der Entwicklun­g der Medikament­e eine vergleichb­ar große Rolle wie bei dem Wettrennen der Hersteller von Impfstoffe­n. Die größte Zeiterspar­nis sei möglich, wenn parallel zur Zulassung eines Medikament­s bereits mit dem Aufbau der Produktion begonnen werden könne.

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FOTO: DPA Die Initiative Beat-Cov fordert eine signifikan­te Förderung für erfolgvers­prechende Therapieop­tionen.

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