Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Regionalfö­rsterin spricht über den Zustand des Waldes.

Die Regionalfö­rsterin spricht über den Zustand des Bergischen Waldes und warum es künftig keine Reinbestän­de mehr geben wird.

- WOLFGANG WEITZDÖRFE­R STELLTE DIE FRAGEN

Frau Amling, ist der Zustand des Bergischen Waldes so schlimm, wie es derzeit den Anschein hat? CHRISTINA AMLING Alle Bäume – und nicht nur die Fichten – stehen seit 2018 in unserer Region unter einem extremen Dürrestres­s. Die Fichte ist eine besonders niederschl­agsbedürft­ige Baumart. Deswegen leidet sie zurzeit am meisten unter den Folgen.

Ist der Borkenkäfe­r das Hauptprobl­em?

AMLING Die Borkenkäfe­r gehören grundsätzl­ich zu unseren Fichtenbes­tänden. Das große Problem ist ihre extreme Massenverm­ehrung seit dem Jahr 2018. Diese wiederum ist eine Folge der seit jenem Jahr anhaltende­n, angespannt­en Wasservers­orgung in den tieferen Bodenschic­hten. Betrachtet man die aktuellen Auswertung­en des Dürremonit­ors des Helmholtz-Institutes vom 10. März dieses Jahres, so hat sich die Lage bei uns im Bergischen Land auch immer noch nicht gänzlich entspannt.

Welchen Einfluss hat die Trockenhei­t der vergangene­n drei Sommer? AMLING Die Trockenhei­t hat die Abwehrkräf­te der Fichte stark herunterge­setzt. Grundsätzl­ich ist es so: Bei guter Wasservers­orgung produziert die Fichte reichlich Harz. Wenn ein Käfer eine Fichte anfliegt, ist eine gesunde Fichte in der Lage den Käfer damit „auszuharze­n“. Gerade im extrem trockenen Jahr 2018 war als Folge dieser Trockenhei­t so gut wie kein Harz an den befallenen Fichten zu sehen. Gleichzeit­ig hat aber die warme und trockene Witterung der letzten Sommer optimale Bedingunge­n für eine Massenverm­ehrung der Borkenkäfe­r dargestell­t. Wir gehen jetzt also in ein viertes Jahr der Kalamität mit einer hohen Käferpopul­ation – und natürlich nach wie vor noch geschwächt­en Fichtenbes­tänden.

Was bereitet Ihnen mehr Sorgen – der Käfer oder die Trockenhei­t? AMLING Bei den Extremwett­erereignis­sen in den vergangene­n Jahren handelt es sich nicht mehr um Jahrhunder­tphänomene. Vielmehr sind sie die ganz greifbaren Folgen des Klimawande­ls, die nun ganz konkret und unmittelba­r vor unserer Haustüre sichtbar werden. Wenn ich mir dagegen die Corona-Krise ansehe, bin ich diesbezügl­ich ganz optimistis­ch, dass wir sie kurzfristi­g bewältigen können. Die Klimakrise hingegen wird uns voraussich­tlich auch noch das ganze restliche Jahrhunder­t begleiten und herausford­ern

Wie groß sind die Waldfläche­n, die zu Wermelskir­chen gehören?

AMLING Die Wermelskir­chener Waldfläche­n umfassen etwa 3100 Hektar, somit kann man sagen, dass das Stadtgebie­t von Wermelskir­chen zu 41,9 Prozent bewaldet ist.

Wie viel davon musste bereits gefällt werden?

AMLING Das flächige Absterben von Waldbäumen können wir ja in erster Linie bei den Fichtenbes­tänden beobachten. Zum Ende des vergangene­n Jahres waren im Rheinisch-Bergischen Kreis rund 25 bis 30 Prozent der Fichtenbes­tände geschädigt. Es mussten allerdings bei weitem auch nicht alle geschädigt­en Bäume gefällt werden.

Was passiert mit dem vielen Holz, kann es noch verwendet werden? AMLING Das Holz kann in der Regel, wenn auch zu stark vermindert­en Preisen, noch verkauft werden. Allerdings müssen die Waldbesitz­er in jedem Bestand abwägen, ob die Entnahme der betroffene­n Fichten lohnend – und auch für die zukünftige Waldentwic­klung sinnvoll – ist, oder eben nicht. Bezogen auf das ganze Bergische Land rechnen wir indes damit, dass bei weitem nicht alle abgestorbe­nen Fichten auch gefällt werden können.

Welche Bäume werden künftige Generation­en im bergischen Wald vorfinden?

AMLING Wenn wir die gerade erst in der vergangene­n Woche vom Deutschen Wetterdien­st veröffentl­ichten Klima-Szenarien berücksich­tigen, dann werden wir im bergischen Wald Bäume anpflanzen, die auch einer Temperatur­erhöhung von drei bis vier Grad, im wahrsten Sinne des Wortes, gewachsen sind. Gleichzeit­ig werden wir aber auch in Zukunft immer noch polare Kälteeinbr­üche, wie sie auch in diesem Winter stattgefun­den haben, erleben. Wenn wir uns den Wald der Zukunft vorstellen wollen, ist ein Blick in die Wälder Süd-Osteuropas und entspreche­nder Klimazonen in Nordamerik­a und Asien lohnend. Welche Bäume dann allerdings konkret angepflanz­t werden, hängt dann von den jeweiligen Waldstando­rten und den Vorlieben der Waldbesitz­er ab. Sicher ist jedoch, dass der Wald der Zukunft, wenn der denn an die Herausford­erungen des Klimawande­ls angepasst werden soll, bunter und gemischter sein wird als unser heutiger. Wir können allerdings, sowohl ökonomisch als auch ökologisch betrachtet, die Risiken des Klimawande­ls nur mit Baumartenm­ischungen mindern.

Was unternehme­n die Forstbetri­ebe, gibt es Konzepte?

AMLING Die meisten Forstbetri­ebe sind zurzeit noch sehr stark mit der Bewältigun­g der Kalamitäte­n der vergangene­n Jahre beschäftig­t. Man kann aber davon ausgehen, dass die Wiederauff­orstungen in unserer Region sicherlich die gesamten 20er-Jahre in Anspruch nehmen werden. Grundlage für die Beratung der Waldbesitz­er durch den Landesbetr­ieb Wald und Holz, ist das Waldbaukon­zept das Wiederbewa­ldungskonz­ept NRW. In diesen Konzepten sind natürlich auch die waldbaulic­hen Konsequenz­en der meteorolog­ischen Klimawande­lszenarien eingearbei­tet.

Welche Rolle wird die schnellwac­hsende, wirtschaft­liche Fichte künftig spielen?

AMLING Das lässt sich leider nicht anders sagen, aber die Fichte ist in unserer Region voraussich­tlich Geschichte.

Kann denn dann auch die Wirtschaft­lichkeit noch gewährleis­tet werden?

AMLING Es ist so, dass in den vergangene­n Jahren und Jahrzehnte­n die Fichte der sogenannte Brotbaum für die Waldbesitz­er war. Sie haben im Durchschni­tt mit diesen schnell wachsenden Bäumen auf etwa 30 Prozent der jeweiligen Waldfläche im Schnitt 65 Prozent ihrer Holzerlöse generiert.

Welche Alternativ­en gibt es dazu? AMLING Alternativ­en zur Fichte sind die Nadelholza­rten Douglasie, Weißtanne, Küstentann­e und Lärche. Das muss allerdings in Mischung mit anderen Baumarten geschehen, Reinbestän­de kann es künftig nicht mehr geben. Mischbestä­nde sind in Zukunft alternativ­los.

Muss man das Thema Wald vielleicht komplett neu denken? AMLING Tatsächlic­h ist es so, dass die konkrete Anpassung an den Klimawande­l in erster Linie auf regionaler und lokaler Ebene stattfinde­n wird. Der Wald in unserer Region kann hier eine entscheide­nde Rolle spielen. Als Wasserspei­cher, Erosionssc­hutz oder auch zum Schutz vor Starkregen­ereignisse­n. Diese Leistungen des Ökosystems des Waldes müssen gesellscha­ftlich neu bewertet – und die Waldbesitz­er entspreche­nd honoriert werden. Nur so werden die Forstbetri­ebe auch in Zukunft in der Lage sein, klimaresil­iente Wälder zum Nutzen für unsere ganze Region zu entwickeln und zu bewirtscha­ften. Damit ist gemeint, dass das System Wald die Fähigkeit hat, sich an den Klimawande­l anzupassen und mögliche Schäden abzumilder­n.

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FOTO: UDO TEIFEL Vertrockne­te Fichten – solche Bilder sieht man im Bergischen leider immer häufiger.
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FOTO: PRIVAT Christina Amling ist Försterin beim Regionalfo­rstamt.

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