Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Die Töchter der Stadt – reich, arm, stolz.
Die Stadt Hückeswagen ist eine kommunale Familie von überschaubarer Größe, denn sie hat nur drei Töchter: die Hückeswagener Entwicklungsgesellschaft, den Eigenbetrieb Freizeitbad und den Eigenbetrieb Abwasserbeseitigung.
Die Familien-Struktur ist einfach: Die Stadt ist die „Mutter“. Die hat drei Töchter. Diese drei könnten unterschiedlicher kaum sein, obwohl alle drei 100-prozentige Töchter der Stadt sind. Sie stehen auch ausschließlich unter deren Kontrolle: Am Ende haben immer der Bürgermeister als Chef der Verwaltung und der Rat als oberstes demokratisches Entscheidungsgremium das Sagen über das, was mit den Töchtern passiert.
Eigenbetrieb Abwasser
Die Abwasserbeseitigung ist die nach außen hin unscheinbare aber reiche Tochter. Ihr enormes Kapital ist nicht offensichtlich, weil überwiegend im Untergrund zu finden. Zum Bestand des Eigenbetriebs mit dem bescheidenen Stammkapital von 25.000 Euro gehören unter anderem 117 Kilometer öffentliche Kanäle, 32 Pumpstationen, sieben Regenüberlaufbecken und drei Regenrückhaltebecken.
Der Eigenbetrieb erwirtschaftet jährlich hohe sechsstellige Überschüsse. Sie werden nach einem seit langem geltenden Grundsatzbeschluss des Rats an den allgemeinen Haushalt der Stadt abgeführt. Laut Wirtschaftsplan für 2021, den der Betriebsausschuss noch an den Stadtrat empfehlen und den der Rat dann beschließen muss, wird im laufenden Jahr mit einem Gewinn von knapp 890.000 Euro gerechnet. 2020 überwies die „Tochter“ 652.000 Euro Gewinn an die „Mutter“, also die Stadt. Dazu kamen 200.000 Euro aus alten Gewinnen, die zwischen 1989 und 2005 erwirtschaftet wurden. Das Eigenkapital des Betriebs in Höhe von 12,9 Millionen Euro passt ins Bild von der reichen Tochter.
Eigenbetrieb Freizeitbad
Das Freizeitbad macht auf den ersten Blick mehr her als Kanäle oder Pumpstationen, der Eigenbetrieb ist aber finanziell gesehen die arme Tochter der Stadt. Sie hält 50,4 Prozent am Stammkapital der 2008 gegründeten Firma Bürgerbad Hückeswagen gGmbH, die das Bad im Brunsbachtal als gemeinnützige Kleinstkapitalgesellschaft betreibt. Anders als der Abwasserbetrieb ist das Freizeitbad zwar auch ein wichtiger Teil der Infrastruktur in Hückeswagen, mit dieser Infrastruktur werden aber keine Gewinne gemacht, sondern enorme Verluste.
Das Bad ist ein hoch subventionierter Zuschussbetrieb.
Aus dem Wirtschaftsplan wird das nicht auf Anhieb ersichtlich. Der (noch nicht vom Rat beschlossene) Plan für 2021 weist Erträge in Höhe von knapp 1,46 Millionen Euro aus und Aufwendungen in Höhe von 943.000 Euro. Unterm Strich ergibt sich also ein Jahresüberschuss von 511.000 Euro (2020: 522.000 Euro im Ansatz, 2019: 396.000 Euro). Das klingt zunächst gut, zumal auch diese Gewinne an den allgemeinen Haushalt der Stadt abgeführt werden und damit letztlich allen Bürgern zugute kommen. Der Überschuss kommt aber nur dadurch zustande, dass die jährlichen hohen Gewinne aus der Beteiligung der Stadt am Energieversorger BEW in den Eigenbetrieb Freizeitbad fließen (s. Info-Kasten). Sie decken das tatsächliche Defizit des Bads ab. Nur die Summe, die danach noch übrig bleibt, wird weitergeleitet an den allgemeinen Haushalt.
Ohne die Erträge aus der Beteiligung an der BEW läge der Verlust des Eigenbetriebs Freizeitbad bei jährlich zirka 750.000 Euro (Bilanz 2019). Heißt also auch: Ohne das Freizeitbad hätte die Stadt pro Jahr rund 750.000Euro mehr an Einnahmen in ihrem Haushalt. Im Zuge der Corona-Pandemie, die zu langen Schließungsphasen des Bades führte und noch führt, wird das Defizit weiter steigen, weil die Einnahmen fehlen, während die Betriebskosten weiter laufen.
Hückeswagener Entwicklungsgesellschaft
Die HEG ist mit ihren gut 15 Jahren die noch jugendliche Tochter der Stadt, die aber zugleich die mit den größten Ambitionen und die von der Stadt mit besonders viel Stolz gehätschelte ist. Von der Rechtsform her ist sie eine GmbH & Co. KG. Gegenstand des Unternehmens ist die „Verbesserung der wirtschaftlichen, sozialen und technischen Infrastruktur der Stadt Hückeswagen“. Geschäftsführer (bei der Stadt angestellt) ist Dieter Klewinghaus, eine Belegschaft gibt es nicht. Den Vorsitz im Aufsichtsrat hat Bürgermeister Dietmar Persian. Neben ihm und seinem Stellvertreter sitzen fünf Mitglieder des Stadtrats in dem Gremium. Auch diese Tochtergesellschaft der Stadt wird also politisch kontrolliert.
Die HEG wurde im Herbst 2005 ins Handelsregister eingetragen. Die grundlegende Idee zur Firmengründung war es, Gewerbe- und Wohnbaugebiete innerhalb der Stadtgrenzen selbst zu entwickeln und zu vermarkten, statt dieses lukrative Geschäfte Investoren aus der Privatwirtschaft zu überlassen. Zu den ersten großen Projekten gehörten das Neubaugebiet „Weierbachblick“und die Weiterentwicklung des Gewerbestandortes West 2. Aktuelle Großprojekte sind das Gewerbegebiet West 3, das Wohngebiet „Eschelsberg“und der Neubau der Löwen-Grundschule sowie in absehbarer Zeit des neuen Feuerwehrhauses. Die HEG sieht sich selbst als ersten Ansprechpartner für Gewerbetreibende, die in Hückeswagen einen Firmenstandort haben oder die sich innerhalb des Stadtgebietes neu ansiedeln wollen. Die Wirtschaftsförderung funktioniert und wurde auch schon zertifiziert: Vor 14 Jahren wurde Hückeswagen mit ihrer HEG als erste deutsche Stadt ausgezeichnet mit dem Label „Mittelstandsfreundliche Kommunalverwaltung“.
Das Problem ist nur, dass der HEG allmählich ihr wichtigstes Geschäftsfeld, die Erschließung und Vermarktung neuer Gewerbe- und Wohngebiete, abhanden kommt. Der Grund: Die Flächen-Reserven im Stadtgebiet sind weitgehend erschöpft, der Landschaftsplan gibt nicht mehr viel her an Freiflächen, die noch städtebaulich entwickelt werden könnten. Die ambitionierte Tochter wird sich neue Geschäftsfelder zum Beispiel im Gebäude-Management suchen müssen.