Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Hartz-IV-Satz soll nicht stark steigen
Lohnentwicklung wird laut Experten 2022 die Erhöhung der ALG-II-Sätze bremsen.
BERLIN Hartz-IV-Empfänger müssen nach Einschätzung von Arbeitsmarktexperten im kommenden Jahr mit einer spürbar geringeren Erhöhung der Regelsätze rechnen. Das sei angesichts der stagnierenden und zeitweise sogar rückläufigen Lohnentwicklung in der Corona-Krise bereits absehbar, erklärten führende Ökonomen unserer Redaktion. Die Fachleute halten sogar einen Rückgang der Hartz-IV-Bezüge für möglich, wenn auch nicht für wahrscheinlich: „Würde man die Regelsatzanpassung alleine an der Lohnentwicklung orientieren, wären Nullrunden oder gar Rückgänge des Regelsatzes möglich“, sagte der Vize-Chef des Instituts für Arbeitsmarktund Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB), Ulrich Walwei.
Gerade in Krisenzeiten dürfe es dazu aber nicht kommen, um soziale Härten zu vermeiden. „Von daher ist es richtig, auch die Preisentwicklung bei der Anpassung des Regelsatzes zu berücksichtigen“, so Walwei. „Gerade um ein menschenwürdiges Leben zu sichern, sind etwa die Preisentwicklung von Lebensmitteln, Bekleidung oder auch von Drogerieartikeln unbedingt einzubeziehen“, sagte der IAB-Experte.
„Die Bundesregierung hat die Regelsätze zum Jahresbeginn 2021 teils kräftig angehoben. Betrachtet man die Lohn- und Preisentwicklung
„Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Bundesregierung fallende Löhne auch in sinkende Regelsätze umsetzen würde“
Holger Schäfer Arbeitsmarktexperte am Institut der deutschen Wirtschaft
isoliert, ergibt sich voraussichtlich wenig Spielraum für eine deutliche weitere Anhebung des Regelsatzes im Jahr 2022“, sagte auch Holger Schäfer vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft. Es bleibe aber abzuwarten, „inwieweit die Bundesregierung gegebenenfalls fallende Löhne auch in sinkende Regelsätze umsetzen würde“, erklärte Schäfer.
Die Bundesregierung hatte den Hartz-IV-Regelsatz für den Haushaltsvorstand einer Bedarfsgemeinschaft zum 1. Januar 2021 um 15 Euro oder knapp 3,5 Prozent auf 446 Euro monatlich angehoben.
In die Festsetzung zum Jahresanfang 2021 gingen Löhne und Preise bis Mitte 2020 ein, wie das Bundesarbeitsministerium mitteilte. Für die Fortschreibung 2022 sei die Entwicklung der Nettolöhne Mitte 2020 bis Mitte 2021 im Vergleich zum vorherigen Jahreszeitraum und der so genannten regelbedarfsrelevanten Preise relevant. Als „regelbedarfsrelevant“bezeichnet das Ministerium jene Preise, etwa für Nahrungsmittel oder Strom, die für Hartz-IV-Empfänger besonders wichtig sind. Diese Preisentwicklung werde bei der Festsetzung des Regelsatzes mit 70 Prozent gewichtet, die der Nettolöhne mit 30 Prozent.
Die Preisentwicklung sei bei der Festsetzung des Hartz-IV-Regelsatzes deshalb stärker gewichtet, „weil es bei der Fortschreibung vorrangig um den Erhalt des realen Existenzminimums geht“, so das Arbeitsministerium.