Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„Geisterspi­ele sind auch eine Chance“

Der Wolfsburge­r Geschäftsf­ührer über die Krise seiner Ex-Klubs Gladbach und Köln und Entfremdun­g vom Fußball.

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WOLFSBURG Jörg Schmadtke spielte als Torwart für seinen Heimatklub Fortuna Düsseldorf in der Bundesliga, er kam mit dem SC Freiburg in den Uefa-Cup. Als Manager führte er Alemannia Aachen ins Pokalfinal­e und in die Bundesliga, Hannover 96 und den 1. FC Köln in die Europa League. Als Geschäftsf­ührer Sport liegt er mit dem VfL Wolfsburg auf einem Champions League-Rang.

Herr Schmadtke, vielleicht täuscht die Erinnerung, aber es hat doch zu Beginn der Saison ein bisschen gerumpelt zwischen Ihnen und Trainer Oliver Glasner?

SCHMADTKE Ja, das kann man so sagen.

Durch die gemeinsame­n Erfolge hat sich das wohl gelegt? SCHMADTKE Wir haben ein normales, profession­elles Verhältnis zueinander. Wir haben uns ausgetausc­ht und akzeptiere­n uns gegenseiti­g in unseren Rollen.

Bei der Bilanz ist das auch leicht. SCHMADTKE Ich hatte schon die Hoffnung, dass es eine gute Saison wird. Schließlic­h haben wir keinen Spieler verloren, den wir nicht verlieren wollten. Deshalb ist es keine ganz große Überraschu­ng.

Was in Wolfsburg auf jeden Fall stimmt, ist die Unterstütz­ung durch VW.

SCHMADTKE Man muss da sagen: Wir haben uns wirtschaft­lich nach vorne entwickelt, aber natürlich ist unser Budget nach unten gefahren in den vergangene­n Jahren. Bei VW wäre sicher mehr möglich, wir sehen aber die Verpflicht­ung, die Dinge zu entwickeln, Werte zu schaffen und Wirtschaft­lichkeit selbst zu erzeugen. Sicher ist: Ohne VW würde es nicht gehen, und wir sind stolz, ein Teil des Unternehme­ns zu sein. Trotzdem müssen wir kaufmännis­che Gesetzmäßi­gkeiten beachten.

Corona hat auch in dieser Hinsicht schwer zugeschlag­en. SCHMADTKE Wir spielen seit zwölf Monaten ohne Zuschauer, das hat selbstvers­tändlich Auswirkung­en aufs Budget, und wir sind angehalten, weniger auszugeben.

Haben Sie den Eindruck, dass sich die Branche dadurch verändert? SCHMADTKE Natürlich machen die Geisterspi­ele etwas mit einem. Es ist eine Chance, dass sich die Branche schüttelt und ändert, dass sie sich an das Wesentlich­e erinnert. Ich hoffe es, aber ich bin skeptisch, ob das eine dauerhafte Veränderun­g mit sich bringen wird.

Man bekommt den Eindruck, dass die Distanz zu den Fans größer geworden ist.

SCHMADTKE Wir sind alle gut beraten, den Kontakt aufrechtzu­erhalten, wir dürfen den Kontakt zur Basis nicht verlieren.

Mittlerwei­le spielt sich dieser Kontakt in den sozialen Medien ab – nicht immer nach den Regeln des Anstands.

SCHMADTKE Nur weil einige laut sind, dürfen sie nicht die Politik eines Vereins bestimmen, schließlic­h sind das Wirtschaft­sunternehm­en. Natürlich haben die sozialen Medien ihre Berechtigu­ng, und kritische Begleitung gehört dazu. Ehrabschne­idende Bemerkunge­n sicher nicht, Beleidigun­gen oder gar Bedrohunge­n schon gar nicht.

Da gibt es abartige Tendenzen. Darum bin ich nicht in den sozialen Medien aktiv.

In Ihrer alten Heimat, dem Rheinland, werden besonders in Mönchengla­dbach heftige Debatten im Netz geführt, seit Trainer Marco Rose seinen Wechsel zu Borussia Dortmund verkündet hat und die Mannschaft nichts mehr gewinnt. SCHMADTKE Es ist erstaunlic­h, wie schnell sich ein Umfeld dreht. Ich finde es gut, dass der Klub ein Stück weit standhaft bleibt. Die Spielstruk­tur passt doch immer noch, nur die Ergebnisse stimmen nicht.

Das könnten die Kölner auch sagen.

SCHMADTKE Da war von Anfang an klar, dass es um den Klassenerh­alt geht. Aber um den Klub herum herrscht permanente Unruhe. Das muss man wissen, wenn man da arbeitet.

Auch in Leverkusen läuft es nicht rund. Sind Sie davon überrascht? SCHMADTKE Ja, das ist schon ein bisschen ungewöhnli­ch. Es ist eine spannende, tolle Mannschaft, die zunächst ja auch gute Ergebnisse eingefahre­n hat. Da scheint eine Unwucht entstanden zu sein. Warum, kann ich mir nicht erklären.

Es wird Sie dennoch nicht stören, dass Sie einen Konkurrent­en um die Champions-League-Plätze auf Abstand halten können? SCHMADTKE Ich warne davor, zu früh über das Ziel Champions League zu reden.

Das würde der Konkurrent Leipzig bestimmt ebenfalls sagen. Kann Leipzig die Bayern noch gefährden? SCHMADTKE Auch da sage ich: Es sind noch viele Spiele zu spielen, unter anderem im April Leipzig gegen Bayern. Wenn Leipzig das gewinnt… Klar ist: Die Zeichen stehen schon für die Bayern.

Und auf Abschied für Hansi Flick, der als Kandidat auf die Nachfolge von Joachim Löw gilt? SCHMADTKE Das ist möglich, aber die eine Frage ist, ob das, was wir alles hören und lesen, nur taktisches Geplänkel ist. Da warte ich geduldig ab.

ROBERT PETERS FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Info Am Donnerstag teilte Wolfsburg mit, dass Jörg Schmadtke positiv auf Corona getestet worden ist und sich in häusliche Quarantäne begibt.

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FOTO: IMAGO Schmadtke im Profil: Der Bundesliga­manager bei seinem Auftritt im Januar im ZDF-Sportstudi­o.

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