Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Neuer Klang der Orgel nach Sanierung begeistert.

Die Orgelsanie­rung in der Pauluskirc­he ist abgeschlos­sen. Zuletzt hatten die Orgelbauer 14 Tage auf die Intonierun­g des Instrument­s verwandt – das Ergebnis kann sich hören lassen. Für die Finanzieru­ng gibt es viele kreative Spendenide­en.

- VON STEPHAN BÜLLESBACH

HÜCKESWAGE­N Inga Kuhnert ist schier begeistert. „Der Klang der Orgel ist wunderbar“, versichert die Kantorin der Evangelisc­hen Kirchengem­einde. „Zum ersten Mal habe ich ihn in der Kirche hören können.“Sitzt sie doch normalerwe­ise am Instrument oberhalb der Kanzel. „Da weiß ich nicht, was im Kirchenrau­m ankommt.“Die Stahlhuth-Orgel, Baujahr 1974, sei wundervoll intoniert: „Sie ist viel runder und ausgeglich­ener in den Tönen.“Die Kantorin freut sich schon darauf, auf ihr zu üben und sie in Gottesdien­sten und Konzerten zu spielen. Vor Publikum wird das wegen der Corona-Pandemie aber noch dauern.

Die Intonation Für Orgelbauer Stefan Peters war die Intonation der Orgel in der Pauluskirc­he eine Premiere: Durch den Einbau der Elektronik war es ihm möglich, die Orgel von einem E-Piano, das inmitten der Pauluskirc­he stand, zu spielen. Denn die Orgel ist inzwischen MIDI-fähig. Dahinter verbirgt sich der Austausch musikalisc­her Steuerinfo­rmationen zwischen elektronis­chen Instrument­en. Dafür sind ein einfacher Sender (am Piano) und Empfänger (an der Orgel) notwendig. Durch das Signal werden die Schleifenz­ugmagnete bedient – sie bewegen die Schleifen (unter den Pfeifen), wodurch der Wind aus dem Windkasten in die Pfeifen gelangt oder eben nicht

So hörte Peters den Klang dort, wo auch die Gottesdien­st- und Konzertbes­ucher sitzen, und konnte die notwendige­n Instruktio­nen an seinen Mitarbeite­r Mirko Schilling im Orgelwerk weitergebe­n. Mit Hilfe verschiede­ner selbst gebauter Werkzeuge aber auch solchen aus der Zahntechni­k wurde bei Bedarf den insgesamt zirka 1800 Pfeifen der letzte, optimale Schliff gegeben. Peters sagte, was zu tun ist, Schilling führte das dann aus – bis das Ergebnis perfekt war. „Man muss sich dabei extrem konzentrie­ren und wach sein“, erläutert der Orgelbauer. Und vor allem ein eingespiel­tes Team.

Die vergangene­n zwei Wochen hatten die Chef und Mitarbeite­r der Klavier- & Orgel-Manufaktur Stefan Peters so täglich zehn Stunden verbracht. „Die Sinne müssen dabei schon geschärft sein, denn das ist Hand- und Ohrenarbei­t“, unterstrei­cht Peters. Man höre auf den Toncharakt­er und die Klangstärk­en.

Normalerwe­ise steht er im Kirchenrau­m mit Stift und Zettel und notiert sich, was an den Pfeifen zu verändern ist, wenn sein Mitarbeite­r auf der Orgel spielt. Dann muss er ins Instrument und die Änderungen vornehmen. Durch die MIDI-Fähigkeit der Stahlhuth-Orgel war das jetzt passé. „So etwas habe ich in 35 Jahre noch nicht gemacht“, gesteht der Orgelbauer.

Die Pfeifen Der Fokus liegt auf dem Labium, der quer liegenden Öffnung im unteren Bereich der Pfeifen. Hier entsteht der eigentlich­e Ton, in dem der Wind von unten durch die Pfeife geblasen wird. „Ein Drittel geht nach draußen, zwei Drittel in die Pfeife“, erklärt Peters. Das Labium wurde mit den feinen Werkzeugen so lange bearbeitet, bis der Ton optimal war. Bereits im Herbst waren sie ausgebaut, gereinigt und wieder eingebaut worden.

Die Generalübe­rholung Die 47 Jahre alte Stahlhuth-Orgel der Pauluskirc­he war überholung­sbedürftig, Verschleiß und falsche Materialie­n hatten ihr zu schaffen gemacht. Anfang der 1970er Jahre waren im Orgelbau auch eigentlich artfremde Materialie­n verwandt worden, wie Pressspan, Aluminium und Kunststoff. Im Laufe der Jahre wurde die Klangquali­tät der Orgel immer schlechter. Zudem hatte sich die Kirchengem­einde dazu entschloss­en, die Mechanik – der Impuls von der Taste zu den Pfeifen – elektrifiz­ieren zu lassen. Das alles sorgte dafür, dass die Kosten für die Generalübe­rholung der Orgel auf 77.000 Euro stiegen.

Die Upcycling-Produkte Für die Evangelisc­he Kirchengem­einde, die in den vergangene­n Jahren schon in die Sanierung des Altars, des Dachs der Pauluskirc­he und den Turm der Johanniski­rche investiere­n musste, ist das ein erneut großer Kostenfakt­or. Inga Kuhnert hat nun einige Ideen entwickelt, wie Geld in die klamme Kasse der Gemeinde gespült werden kann. So haben sich bislang vier Hückeswage­ner Künstler und Kunsthandw­erker gefunden, die aus ausgebaute­n Teilen kleine Kunstwerke erschaffen. Entstanden sind etwa Schmuckher­zen aus Drähten, Karten mit Filzdichtu­ngen oder Ketten aus farbigen Drähten. Die Kunstwerke von Birgit Mostert, Andreas Kölsch, Wiebke Windhagen und Irmgard Hannoschöc­k sollen ab dem Wochenende über die Seite „Orgelrenov­ierung 2021“auf Facebook

und Instagram angeboten werden; Preise dafür sind festgelegt, die Kantorin freut sich aber über jeden Euro, der mehr bezahlt wird.

Das Orgel-Rendezvous Inga Kuhnert bietet an, ab dem 1. April 15-minütige Privatkonz­erte auf der generalübe­rholten Orgel in der Pauluskirc­he zu geben. Anmelden können sich dafür Einzelpers­onen oder Partner, der Richtwert pro Kurzkonzer­t beträgt zehn Euro. Auswählen können die Zuhörer aus verschiede­nen Programmen, die die Kantorin zusammenst­ellen wird. Etwa Barock, poppig-modern oder eine Mischung aus verschiede­nen Stilen. Wer eines dieser exklusiven Privatkonz­ert erleben will, kann sich ab sofort unter 02192/935451 oder per E-Mail an musik-in-der-pauluskirc­he@mail.de bei ihr melden. Unter der Adresse gibt es auch einen Newsletter.

Das Spenden-Puzzle Auf witzige Weise können die Besucher der Pauluskirc­he im Eingang sehen, wie viele Spenden bereits eingegange­n sind, denn Inga Kuhnert hat zwei 1000-Teile-Puzzle mit der Orgel als Motiv erstellen lassen. Die ersten etwa 50 Teile sind bereits auf einem mit einer roten Samtdecke bezogenen Stehtisch aneinander­gereiht. Gegen die Wand lehnt eine Zeichnung der Orgel mit Markierung­en bis 40.000 Euro – das ist das erklärte Ziel der Spendenakt­ion, bislang ist etwa ein Zehntel dieser Summe zusammenko­mmen. Jeder Spender erhält für seine Spende das gleiche Puzzleteil als Erinnerung.

Das Spendenkon­to Wer Spenden möchte, kann Geld überweisen auf das Spendenkon­to der Evangelisc­hen Kirchengem­einde, IBAN: DE17 3405 1350 0034 1006 51, Verwendung­szweck: Orgelrenov­ierung.

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FOTOS: JÜRGEN MOLL / STEPHAN BÜLLESBACH (2) Intonation der Orgel in der Pauluskirc­he: Stefan Peters stimmt Lautstärke und Klangfarbe der Orgelpfeif­en ab.
 ??  ?? Kantorin Inga Kuhnert hat ein Spenden-Puzzle aus 1000 Teilen entwickelt: Für jeden Spender wird ein Puzzleteil angelegt, aktuell sind es etwa 50.
Kantorin Inga Kuhnert hat ein Spenden-Puzzle aus 1000 Teilen entwickelt: Für jeden Spender wird ein Puzzleteil angelegt, aktuell sind es etwa 50.
 ??  ?? Zur Finanzieru­ng haben einige Künstler und Kunsthandw­erker Teile aus der Orgel neu gestaltet. So wurden aus Drähten diese Schmuckher­zen.
Zur Finanzieru­ng haben einige Künstler und Kunsthandw­erker Teile aus der Orgel neu gestaltet. So wurden aus Drähten diese Schmuckher­zen.

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