Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
„Die Schüler sind stumm geworden“
Seit Montag herrscht in Rades weiterführenden Schulen Präsenzunterricht. Die Meinungen sind unterschiedlich.
Seit Montag herrscht in Rades weiterführenden Schulen wieder Präsenzunterricht. Die Meinungen sind unterschiedlich.
RADEVORMWALD Die Schulpolitik des Landes in der Corona-Politik wurde bislang auch im Oberbergischen Kreis größtenteils von den Betroffenen akzeptiert. Doch mit der erneuten Öffnung der weiterführenden Schulen am Montag hat das NRW-Bildungsministerium offensichtlich die Geduld mancher Familien und Lehrkräften überstrapaziert. In Bergneustadt haben Eltern, deren Kinder das dortige Wüllenweber-Gymnasium besuchen, mit einem Brief an Schulministerin Yvonne Gebauer und Ministerpräsident Armin Laschet protestiert und die Fortsetzung des Distanzunterrichts gefordert.
In Radevormwald zeigen sich die Eltern der Gymnasiasten bislang ruhig. Dafür haben Matthias Fischbach-Städing, der Leiter des Theodor-Heuss-Gymnasiums, und seine Kollegen aus anderen Kommunen des Kreises beim Landrat gegen die Öffnungen protestiert. Bekanntlich ohne Erfolg: Der Kreis musste einräumen, dass man gegen die Bestimmungen des Landes nichts machen konnte. Die Schulen sind geöffnet.
Etwas Gutes kann Fischbach-Städing allerdings doch vermelden: „Die Selbsttests für die Schüler sind am Dienstag eingetroffen.“Das hatte Jürgen Funke, der Leiter des Schulamtes am Montag angekündigt. Die ersten Testrunden habe es auch schon gegeben, bislang ohne positive Befunde. „Wir leiten als Lehrkräfte die Schüler bei den Tests an“, sagt der Schulleiter. Die Älteren kommen gut zurecht, bei den Kleineren gebe es ab und zu Probleme mit ungültigen Tests.
Dass die Schulleitungen sich gegen die Öffnungen stemmten, habe schlicht mit der Sorge um die Gesundheit der Schüler zu tun, bekräftigt Fischbach-Städing. „Wir sehen uns da in der Verantwortung, es gibt ein hohes Risiko für Infektionen.“Wenn dann Schüler tatsächlich positiv getestet würden, habe dies dann wieder Unterrichtsausfall zur Folge.
Die Vorabitur-Klausuren sind soeben beendet worden, neun Tage nach den Osterferien werden dann die eigentlichen Abitur-Klausuren geschrieben. Sind jene Schülerinnen und Schüler, die in Corona-Zeiten ihren Abschluss machen in den Augen des Rektors benachteiligt? Das sieht er nicht so, „Wir konnten im Distanzunterricht eine Menge tun“, erklärt er. Dabei habe man sich auf die Leistungskurse, auf den Abiturlehrstoff besonders konzentriert. „Die Schüler sagen, sie fühlten sich gut vorbereitet.“
Bei der Sekundarschule in Radevormwald sind die Selbsttests noch nicht eingetroffen. „Gymnasium und Realschule haben sie erhalten, wir bislang nicht“, sagt Schulleiterin Sandra Pahl. Die Durchführung der Tests, wenn sie dann da sind,
dürfte recht zeitraubend werden, befürchtet sie. Ansonsten jedoch berichtet Pahl von einer anderen Stimmungslage im Kollegium als im Gymnasium. „Unsere Lehrer sind heilfroh, wieder in der Schule zu sein“, sagt die Rektorin. „Und bei den Schülern habe ich den gleichen
Eindruck, obwohl der Distanzunterricht gut funktioniert hat.“Von Eltern habe sie bislang auch keine Kritik an der Öffnungen gehört. „Das Problem ist einfach, dass wir wegen der ständigen neuen Verfügungen nicht in eine Alltagsroutine kommen“, beklagt die Pädagogin. Sorgen
macht ihr auch ein Phänomen, das ihr jüngst aufgefallen sei, als sie zum Unterricht in eine Klassen gekommen sei. Die Jugendlichen hätten völlig still an ihren Plätzen gesessen, während doch sonst vor Beginn der Schulstunde ein lebhaftes Geplauder herrsche. „Das war regelrecht erschreckend“, meint sie. „Die Schüler sind stumm geworden. Sie haben lange keine echten sozialen Kontakte zu ihren Freunden mehr gehabt.“Dieser Effekt sei deutlich spürbar. Es fehle einfach an der unmittelbaren Kommunikation von Mensch zu Mensch.
Ein weiterer Punkt, den Sandra Pahl kritisiert, ist die Tatsache, dass Lehrer in weiterführenden Schulen in der Impfpriorität weit hinten stehen, im Gegensatz zu Pädagogen an Grundschulen.