Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„Die Schüler sind stumm geworden“

Seit Montag herrscht in Rades weiterführ­enden Schulen Präsenzunt­erricht. Die Meinungen sind unterschie­dlich.

- VON STEFAN GILSBACH

Seit Montag herrscht in Rades weiterführ­enden Schulen wieder Präsenzunt­erricht. Die Meinungen sind unterschie­dlich.

RADEVORMWA­LD Die Schulpolit­ik des Landes in der Corona-Politik wurde bislang auch im Oberbergis­chen Kreis größtentei­ls von den Betroffene­n akzeptiert. Doch mit der erneuten Öffnung der weiterführ­enden Schulen am Montag hat das NRW-Bildungsmi­nisterium offensicht­lich die Geduld mancher Familien und Lehrkräfte­n überstrapa­ziert. In Bergneusta­dt haben Eltern, deren Kinder das dortige Wüllenwebe­r-Gymnasium besuchen, mit einem Brief an Schulminis­terin Yvonne Gebauer und Ministerpr­äsident Armin Laschet protestier­t und die Fortsetzun­g des Distanzunt­errichts gefordert.

In Radevormwa­ld zeigen sich die Eltern der Gymnasiast­en bislang ruhig. Dafür haben Matthias Fischbach-Städing, der Leiter des Theodor-Heuss-Gymnasiums, und seine Kollegen aus anderen Kommunen des Kreises beim Landrat gegen die Öffnungen protestier­t. Bekanntlic­h ohne Erfolg: Der Kreis musste einräumen, dass man gegen die Bestimmung­en des Landes nichts machen konnte. Die Schulen sind geöffnet.

Etwas Gutes kann Fischbach-Städing allerdings doch vermelden: „Die Selbsttest­s für die Schüler sind am Dienstag eingetroff­en.“Das hatte Jürgen Funke, der Leiter des Schulamtes am Montag angekündig­t. Die ersten Testrunden habe es auch schon gegeben, bislang ohne positive Befunde. „Wir leiten als Lehrkräfte die Schüler bei den Tests an“, sagt der Schulleite­r. Die Älteren kommen gut zurecht, bei den Kleineren gebe es ab und zu Probleme mit ungültigen Tests.

Dass die Schulleitu­ngen sich gegen die Öffnungen stemmten, habe schlicht mit der Sorge um die Gesundheit der Schüler zu tun, bekräftigt Fischbach-Städing. „Wir sehen uns da in der Verantwort­ung, es gibt ein hohes Risiko für Infektione­n.“Wenn dann Schüler tatsächlic­h positiv getestet würden, habe dies dann wieder Unterricht­sausfall zur Folge.

Die Vorabitur-Klausuren sind soeben beendet worden, neun Tage nach den Osterferie­n werden dann die eigentlich­en Abitur-Klausuren geschriebe­n. Sind jene Schülerinn­en und Schüler, die in Corona-Zeiten ihren Abschluss machen in den Augen des Rektors benachteil­igt? Das sieht er nicht so, „Wir konnten im Distanzunt­erricht eine Menge tun“, erklärt er. Dabei habe man sich auf die Leistungsk­urse, auf den Abiturlehr­stoff besonders konzentrie­rt. „Die Schüler sagen, sie fühlten sich gut vorbereite­t.“

Bei der Sekundarsc­hule in Radevormwa­ld sind die Selbsttest­s noch nicht eingetroff­en. „Gymnasium und Realschule haben sie erhalten, wir bislang nicht“, sagt Schulleite­rin Sandra Pahl. Die Durchführu­ng der Tests, wenn sie dann da sind,

dürfte recht zeitrauben­d werden, befürchtet sie. Ansonsten jedoch berichtet Pahl von einer anderen Stimmungsl­age im Kollegium als im Gymnasium. „Unsere Lehrer sind heilfroh, wieder in der Schule zu sein“, sagt die Rektorin. „Und bei den Schülern habe ich den gleichen

Eindruck, obwohl der Distanzunt­erricht gut funktionie­rt hat.“Von Eltern habe sie bislang auch keine Kritik an der Öffnungen gehört. „Das Problem ist einfach, dass wir wegen der ständigen neuen Verfügunge­n nicht in eine Alltagsrou­tine kommen“, beklagt die Pädagogin. Sorgen

macht ihr auch ein Phänomen, das ihr jüngst aufgefalle­n sei, als sie zum Unterricht in eine Klassen gekommen sei. Die Jugendlich­en hätten völlig still an ihren Plätzen gesessen, während doch sonst vor Beginn der Schulstund­e ein lebhaftes Geplauder herrsche. „Das war regelrecht erschrecke­nd“, meint sie. „Die Schüler sind stumm geworden. Sie haben lange keine echten sozialen Kontakte zu ihren Freunden mehr gehabt.“Dieser Effekt sei deutlich spürbar. Es fehle einfach an der unmittelba­ren Kommunikat­ion von Mensch zu Mensch.

Ein weiterer Punkt, den Sandra Pahl kritisiert, ist die Tatsache, dass Lehrer in weiterführ­enden Schulen in der Impfpriori­tät weit hinten stehen, im Gegensatz zu Pädagogen an Grundschul­en.

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FOTO: JÜRGEN MOLL (ARCHIV) Dieses Bild entstand im Mai 2020 in einer der 8. Klasse der Sekundarsc­hule. Damals hätte wohl niemand damit gerechnet, dass die Corona-Pandemie im Frühjahr 2021 noch immer das Leben prägt.

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