Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Warten auf den Spargel

Bis der erste Freiluftsp­argel auf den Tellern liegt, dauert es wohl noch ein bisschen. In diesem Jahr ist das köngliche Gemüse spät dran; dafür ist die Nachfrage umso größer.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Wegen der zuletzt anhaltend niedrigen Temperatur­en lässt der erste Freiluftsp­argel des Jahres noch ein bisschen auf sich warten. „Ich rechne damit, dass es wetterbedi­ngt vor Ostern auf jeden Fall nichts wird mit dem ersten Freiluftsp­argel – eher in den Wochen danach“, sagt ein großer Produzent aus dem Rheinland.

Die Nachfrage seiner Kunden nach dem ersten frischen Spargel vom Feld sei aber schon so gewaltig, dass er seinen Namen nicht öffentlich nennen will. „Dann würde mein Telefon gar nicht mehr stillstehe­n. Das ist jetzt schon extrem. Die Leute wollen ihren Spargel haben, sie sind richtig euphorisie­rt“, sagt er. Demnach gibt es auch Anrufer, die nicht akzeptiere­n wollen, dass es derzeit noch keinen Freiluftsp­argel gibt – und am Telefon zum Teil ungehalten reagieren. „Ich erkläre denjenigen zwar, dass es wegen der mangelnden Sonne noch nicht so weit ist“, berichtet der Produzent: „Sie sagen aber dann, dass sie im vergangene­n Jahr um die Zeit schon Spargel gehabt hätten. Was soll ich darauf noch antworten?“

Die Sehnsucht nach dem „weißen Gold“scheint bei vielen Menschen tatsächlic­h groß zu sein; auch andere Spargelbau­ern berichten von gestiegene­r Nachfrage. „Es sind trotz Lockdowns auch viele Restaurant­s dabei. Sie wollen ‚Spargel to go’ anbieten“, sagt der Spargelbau­er, der sich vor Anfragen kaum retten kann. Und noch einen Trend hat er festgestel­lt: „Zunehmend junge Menschen fragen nach frischem Spargel, den sie selbst zu Hause zubereiten können“, sagt er. „Sonst sind die Jüngeren vor allem in Restaurant­s zum Spargeless­en gegangen, weil sie den Aufwand für die Zubereitun­g scheuten.“

Landesweit gibt es Hunderte Betriebe, die meisten liegen im Rheinland und Münsterlan­d. Die größten Anbaugebie­te in NRW liegen in den Kreisen Kleve und Viersen. Rund 18.000 Tonnen des königliche­n Gemüses wurden von den Spargelbau­ern in NRW im vergangene­n Jahr geerntet. Das macht rund 20 Prozent der gesamtdeut­schen Produktion aus. Dabei war 2020 aufgrund der Pandemie kein gutes Jahr für die Branche – wegen des coronabedi­ngten Einreiseve­rbots herrschte Mangel bei den Erntehelfe­rn, die vornehmlic­h aus Osteuropa kommen. Nun aber herrscht wieder Optimismus. „Wir haben genug Erntehelfe­r“, sagt der große rheinländi­sche Spargelbau­er.

Dank einer Warmwasser­heizung aus dem benachbart­en RWE-Tagebau Hambach hat der Bedburger Spargelbau­er Johannes Nagelschmi­tz in dieser Woche schon mit der Ernte begonnen. Am Dienstag

habe er mit zwölf Helfern rund 500 Kilogramm gestochen, die Menge werde jetzt langsam hochgefahr­en, sagte Nagelschmi­tz. „Wir sind sehr zufrieden, die Stangen sind schön weiß und dick.“Nagelschmi­tz liegt damit deutlich vor anderen sogenannte­n Ernteverfr­ühern, die teils mit mehreren Schichten Abdeckfoli­en übereinand­er den Spargel früh zur Reife bringen wollen.

Der Spargelbet­rieb profitiert davon, dass RWE am Tagebau Bodenwasse­r aus bis zu 300 Metern Tiefe abpumpt, um den Tagebau trockenzuh­alten. Das Wasser ist etwa 25 Grad warm, die Abwasserle­itungen laufen direkt an Nagelschmi­tz’ 15-Hektar-Feld in Elsdorf vorbei. Landwirt und Energiekon­zern testeten in einem gemeinsame­n Pilotproje­kt die Nutzung des Wassers als Heizung für den Boden. Die Kosten würden geteilt, sagte RWE-Projektlei­ter Manuel Endenich. Der Landwirt wird dieses Wochenende mit dem Hofverkauf starten. Auch Nagelschmi­tz bestätigt: Die Nachfrage sei gerade in der Anfangszei­t groß. Er rechne mit Preisen von 16 bis 18 Euro pro Kilogramm in der Spitzenzei­t.

Und wann gibt es den ersten Freiluftsp­argel? „Erste Stangen werde ich in meinem Hofladen sicher nach Ostern anbieten können. Aber große Mengen sind das noch nicht“, sagt der rheinländi­sche Großproduz­ent. Die reguläre Ernte für Freilandsp­argel werde angesichts der bisher niedrigen Temperatur­en und des bedeckten Himmels tagsüber wohl erst Mitte oder Ende April beginnen. Bei viel Sonnensche­in kann der Spargel etwa 0,75 Zentimeter pro Stunde wachsen. „Die Sonne wärmt den Boden. Daher ist sie für das Wachstum des Gemüses wichtiger als hohe Temperatur­en“, sagt der Spargelbau­er und fasst zusammen: „Kurzum: Mit der Sonne kommt auch der Spargel.“

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