Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Winterhage­n – von der Wiese zum Gewerbegeb­iet.

Günter Fild kennt Winterhage­n noch aus seiner Zeit als Landwirt. Als das Gewerbegeb­iet in den 1990er-Jahren geplant wurde, hat er einen großen Teil seines Grundes an die Stadt verkauft.

- VON WOLFGANG WEITZDÖRFE­R

WINTERHAGE­N Wer Winterhage­n noch aus der Zeit vor dem Neubau des Gewerbegeb­iets West 2 kennt, weiß, dass die Ortschaft in den 1990er-Jahren noch ganz anders aussah. Wie Günter Fild. Der ehemalige Landwirt wurde 1954 in Winterhage­n geboren und lebt noch heute dort. „Früher sind hier vielleicht sieben oder acht Häuser gestanden – obwohl Winterhage­n damals noch bis zum heutigen Sägewerk in Wiehagen reichte. Dort befand sich nämlich der damalige Bahnhof“, erinnert sich Fild. Dort habe es 1944 einen sehr schweren Bahnunfall gegeben, erzählt er. „Damals hat es, soweit ich mich an die Erzählunge­n meiner Eltern erinnere, sogar einen Toten gegeben.“

Von den wenigen Häusern in Winterhage­n seien zwei Landwirtsc­haften im Nebenerwer­b, vier hingegen von Landwirten im Haupterwer­b bewohnt gewesen. „Meine Frau und ich leben heute noch auf dem ursprüngli­chen Grundstück, auf dem die Eltern meiner Mutter ihre Landwirtsc­haft betrieben haben“, sagt Fild. Sein berufliche­r Weg sei daher schon ein wenig vorgezeich­net gewesen. 1968 hatte er die Schule verlassen, um eine dreijährig­e Ausbildung zum Landwirt zu machen. „Ich habe dann mit meinen Eltern auf dem Hof gearbeitet, bis ich ihn 1987 übernommen habe“, sagt der Winterhage­ner.

Da seien noch keine offizielle­n Überlegung­en für ein Gewerbegeb­iet angestellt worden. Entspreche­nd

„Wir leben dort, wo Hückeswage­n am schönsten ist“

Günter Fild Anwohner

habe Fild damals noch in eine neue Scheune investiert. „Aber nur wenige Jahre später war das alles Geschichte, denn schon in den 1990er-Jahren wurden die ersten Planungen für das 40 Hektar große Gewerbegeb­iet aufgenomme­n“, berichtet Fild.

1995 hatte die Stadt schließlic­h den Großteil seines Grundstück­s gekauft. Für den Landwirt Fild, damals gerade in seinen 40ern, bedeutete dies, sich beruflich noch einmal neu orientiere­n zu müssen. Kurzzeitig habe er im Sägewerk gearbeitet. „Aber das war nichts für mich, ich war mein Leben lang das selbststän­dige Arbeiten gewöhnt“, sagt Fild. Daher habe er sich einen kleinen Bagger angeschaff­t und im Kleingewer­be einen Baggerverl­eih betrieben. „Außerdem war die Abfindung für das Grundstück gut. Wir haben den verblieben­en Hof um- und angebaut und vermieten hier Wohnungen.“

Als er damals seinen Grund an die Stadt verkauft habe, hätte er durchaus Unverständ­nis von Nachbarn und Bekannten erfahren. „Aber ich habe gesagt, dass ein Gewerbegeb­iet wesentlich besser als Wohnbebauu­ng ist“, betont Fild. Dort mache man schließlic­h am Abend Feierabend, während in den Gärten meist erst nach Feierabend Leben einkehre.

Und das habe sich bewahrheit­et, denn es lebe sich durchaus sehr ruhig in Winterhage­n, wie Fild ergänzt.

Die Ortschaft habe sich natürlich verändert, allerdings keineswegs zum Schlechter­en, versichert Fild. „Es ist größer geworden, denn unterhalb des Gewerbegeb­iets wurden viele neue Häuser gebaut. Aber es ist dadurch nicht unpersönli­cher geworden.“Die meisten Anwohner leben an der gleichnami­gen Straße zwischen der Einmündung an der Bockhacker­straße an einem Ende und der Firma von Marc Ebertz am anderen. „Man kennt sich, wir haben uns – natürlich vor Corona – regelmäßig getroffen“, sagt Fild. Es gebe Nachbarn, die sich eher zurückhiel­ten, andere seien dagegen offen. „Aber das ist ja überall in den Dörfern und auf dem Land so.“

Trotz der unmittelba­ren Nachbarsch­aft zum Gewerbegeb­iet ist Fild glücklich, in Winterhage­n zu wohnen: „Wir leben dort, wo Hückeswage­n am schönsten ist.“Vor allem die unmittelba­re Nähe zur Natur sei es, was ihn an seinem Wohnort besonders zufriedens­telle. „Das merkt man auch besonders jetzt in der Corona-Zeit“, sagt er. Wenn ihm etwa die Decke auf den Kopf falle, gehe er einfach aus dem Haus und sei direkt im Grünen. „Ich kann schon verstehen, wenn es die Leute in den großen Städten etwa nach Winterberg zieht, wenn sie einfach mal raus müssen.“

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FOTO: JÜRGEN MOLL Winterhage­n ist nicht nur Gewerbegeb­iet. Es gibt dort auch idyllische Plätzchen.

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