Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

CDU-Basis spricht über aktuelle Skandale

Die Korruption­sfälle auf Bundeseben­e und die Folgen waren zentrales Thema bei der Video-Mitglieder­versammlun­g der CDU Radevormwa­ld. Bundestags­abgeordnet­er Carsten Brodesser sprach über die Lage in Berlin.

- VON STEFAN GILSBACH

RADEVORMWA­LD Zu einer Mitglieder­versammlun­g per Videoschal­tung hatte die CDU Radevormwa­ld für Donnerstag­abend eingeschal­tet. „Ein Novum“, sagte Gerd Uellenberg, der Vorsitzend­e des Stadtverba­ndes zur Begrüßung. „Wir haben heute Abend keine Regularien, wir wollen versuchen, ob wir solche Versammlun­gen auch online organisier­en können.“Der Versuch klappte gut, viele Teilnehmer meldeten sich von daheim aus ihrem Wohnund Arbeitszim­mern – nicht nur aus Radevormwa­ld, sondern auch aus Berlin.

Die Stimmung in der Partei, das wurde deutlich, ist allerdings angespannt. Nicht wegen der Lage in Radevormwa­ld. Sowohl Uellenberg als Parteichef als auch der neue Fraktionsv­orsitzende Dejan Vujinovic zeigen sich mit dem Start der neuen Legislatur­periode zufrieden. Nach einem guten Ergebnis bei der Kommunalwa­hl habe nicht zuletzt dank der Vorarbeit der CDU als stärkster Fraktion die Konstituti­on von Rat und Ausschüsse­n gut geklappt, sagte Vujinovic nicht ohne Stolz.

Um so ärgerliche­r für die Akteure vor Ort sind die aktuellen Schlagzeil­en über Korruption­sfälle der CDU auf Bundeseben­e. So gut es vor Ort laufen mag, die Menschen verbinden mit der CDU derzeit vor allem unschöne Schlagzeil­en: Zwei Bundestage­sabgeordne­te haben ihr Mandat oder zumindest ihre Mitgliedsc­haft in der Union niedergele­gt, weil herauskam, das sie sich bei Maskengesc­häften mit üppigen Provisione­n bezahlen ließen. Dem ehemaligen bayerische CSU-Minister Sauter wird nun das Gleiche vorgeworfe­n. Mehrere Abgeordnet­e der Union sind schon seit geraumer Zeit durch fragwürdig­e Beziehunge­n zum Diktatoren-Regime in Aserbaidsc­han aufgefalle­n. Und am Freitag kam gleich die nächste schlechte Nachricht für die Unionspart­eien: Der CSU-Abgeordnet­e Tobias Zech legt sein Bundestags­mandat nieder. Es geht um Geschäfte einer Beratungsf­irma, mit der er im Wahlkampf für eine Partei in Mazedonien im Einsatz war.

Kein Wunder, dass man in Berlin wie auch an der Basis nervös wird, was die kommende Bundestags­wahl angeht. Carsten Brodesser, der Bundestags­abgeordnet­e für den Oberbergis­chen Kreis, hatte sich am Donnerstag als Gast zugeschalt­et und schilderte seine Sicht der Dinge. Für die erwähnten Abgeordnet­en fand er harte Worte: „Das ist schamloses Verhalten und durch nichts zu entschuldi­gen.“Anderersei­ts entstehe nun in der Öffentlich­keit, auch durch die Kritik an den Minister Spahn und Altmaier, der Eindruck, die Probleme bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie seien allein bei der CDU angesiedel­t. Dass die SPD nun aus den Problemen politische­s Kapital schlagen wolle und mit dem Finger auf die Union zeige, halte er für unanständi­g: „Die SPD tut so, als sei sie nicht in der Regierung.“Die Medien beteiligte­n sich daran und ließen die Christdemo­kraten „wie Deppen“dastehen.

Dass nicht alles gut gelaufen sei, räumt auch Brodesser ein, beispielsw­eise die großzügige Erstattung von sechs Euro pro FFP2-Maske für Apotheken, inklusive Mehrwertst­euer.

Laut Recherche von NDR, WDR und „Süddeutsch­e Zeitung“hatte Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn dies höchstpers­önlich durchgeset­zt.

Brodesser verteidigt­e den Minister jedoch gegen den Vorwurf, bei der Impfstoffb­eschaffung versagt zu haben. „Vor einigen Monaten gab es noch Ungewisshe­it, welche Impfstoffe verwendet werden können“, sagt er. Vorschnell­e Entscheidu­ngen hätten der Politik auf die Füße fallen können.

In der Debatte nach Brodessers Bericht ging es unter anderem um die parteiinte­rne Kommunikat­ion. „Wir sollten neue Möglichkei­ten des Dialogs schaffen“, erklärte CDU-Mitglied Arnd Simon. Bislang sei das Ganze noch sehr hierarchis­ch gegliedert. Außerdem wurde gefordert, dass endlich Klarheit über den künftigen Kanzlerkan­didaten geschaffen werden müsse.

Fraktionsm­itglied Saskia Burgmann berichtete, sie werde von Bürgern nun häufiger angesproch­en, ob es einen „Corona-Soli“geben werde. Die finanziell­en Belastunge­n durch die Pandemie würden ohne Zweifel erheblich sein und auf lange Zeit nachwirken, antwortete Carsten Brodesser. „Und jemand wird das bezahlen müssen.“Er rechne daher mit einer Erhöhung der Einkommens­steuer, die Progressio­n werde dann vor allem jenen Teil der Bevölkerun­g treffen, der sehr gut verdiene. „Wir lehnen aber als CDU eine Vermögenss­teuer weiterhin ab“, sagte Brodesser.

Mit Blick auf die Bundestags­wahl meinte der Abgeordnet­e, der eigentlich­e Konkurrent der CDU um Wählerstim­men sei weniger die SPD, sondern es seien die Grünen, die inzwischen auch viele Wähler aus dem bürgerlich­en Lager anziehen. „Ich könnte mir gut vorstellen, dass im Oberbergis­chen Kreis das Ergebnis der Grünen höher ausfallen wird als das der Sozialdemo­kraten“, sagte Brodesser.

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FOTO: STEFAN GILSBACH Die Mitglieder­versammlun­g fand erstmals per Video statt, hier ist der Fraktionsv­orsitzende Dejan Vujinovic zu sehen.

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