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Was die Briten besser machen

Beim Impfen schaut Europa neidisch auf die britische Insel: Dort hat bereits die Hälfte aller Erwachsene­n eine Dosis gegen das Coronaviru­s erhalten.

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LONDON (dpa) In Großbritan­nien ist schon die Hälfte aller Erwachsene­n gegen das Coronaviru­s geimpft. Fast 27 Millionen Menschen haben eine erste Impfdosis bekommen, gut zwei Millionen auch schon die zweite Spritze. Die konservati­ve Regierung von Premiermin­ister Boris Johnson bejubelte am Wochenende einen „fantastisc­hen Erfolg“. Während man in der EU verzweifel­t auf Nachschub wartet, haben die Briten nur vereinzelt mit Lieferengp­ässen zu kämpfen – auch, weil sie selbst kaum Impfstoff exportiere­n. Doch das ist nicht der einzige Grund. Ein Überblick, warum es dort besser läuft:

Hausärzte und Apotheken Alle, die impfen können, tun das auch – so simpel lässt sich die bisherige britische Herangehen­sweise zusammenfa­ssen. So dürfen neben den Impfzentre­n auch schon seit Monaten Hausärzte impfen. Sogar zahlreiche Apotheken haben eine Zulassung. „Die Mehrheit der Impfungen wird von Hausärzten vergeben“, erzählt der Mediziner Azeem Majeed vom Imperial College London. Bei ihren Impfzentre­n sind die Briten erfinderis­ch: Sie funktionie­ren auch leere Stadien, Rennbahnen, Einkaufsze­ntren und sogar Kirchen wie die berühmte Westminste­r Abbey um.

Benachrich­tigung über Hausärzte Üblicherwe­ise sind die Briten im staatliche­n Gesundheit­sdienst NHS mit einer Nummer registrier­t – und damit bei einem Hausarzt in ihrer Nähe. Neben dem offizielle­n Brief vom NHS kontaktier­en die Hausarztpr­axen ihre Patienten auch direkt per SMS oder Telefon, wenn sie beim Impfen an der Reihe sind. Wer keine Benachrich­tigung erhält, aber nach offizielle­r Impfreihen­folge trotzdem dran ist, bekommt auch ohne Einladung einen Termin.

Terminverg­abe Über ein landesweit einheitlic­hes Buchungssy­stem lassen sich online Impftermin­e in den Zentren buchen. Dabei stehen meist mehrere Orte zur Auswahl, außerdem lassen sich genaue Uhrzeiten buchen. Wer lieber vom Hausarzt geimpft werden möchte, muss sich manchmal etwas länger gedulden, kann dort aber auch – meist telefonisc­h – einen Termin ausmachen. Wer benachrich­tigt wurde, aber keinen Termin bucht, gerät nicht aus dem Blick. Der sogenannte Immunisier­ungs-Management-Service hakt per Anruf nach. Außerdem bekommt man eine SMS mit einer Terminerin­nerung aufs Mobiltelef­on geschickt.

Keine Lagerung Die Briten legen – anders als vielerorts in Deutschlan­d – die zweite Impfdosis nicht zurück. Was im Kühlschran­k ist, wird auch geimpft. Man vertraut darauf, dass noch genug Impfstoff verfügbar ist, wenn die zweiten Termine anstehen. Bislang hat sich das ausgezahlt – allerdings ist das Land auch weniger von Lieferengp­ässen betroffen als die Europäisch­e Union. Erst vor wenigen Tagen gab es die erste Meldung, dass einige Millionen Dosen aus indischer Produktion später kommen.

Termine Großbritan­nien setzt auf größere Abstände zwischen erster und zweiter Dosis. Beim Astrazenec­a-Impfstoff handhaben das andere Länder mittlerwei­le genauso, nachdem weitere Daten zur Wirksamkei­t veröffentl­icht wurden. Die Briten strecken jedoch auch bei Biontech/ Pfizer das Intervall, und versorgen damit einen größeren Teil ihres Landes mit einer Teil-Immunität durch die erste Dosis.

Übrige Dosen „Wir verschwend­en keinen Impfstoff“, sagt der Mediziner Majeed. Arztpraxen führen Listen mit Patienten, die schnell zur Praxis kommen können, falls am Abend Impfdosen übrig bleiben. Auf diese Weise gibt es immer wieder auch Menschen, die geimpft werden, obwohl sie eigentlich noch gar nicht an der Reihe sind, aber zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Deutschlan­d will seine Reihenfolg­e künftig auch etwas pragmatisc­her nutzen als bisher.

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FOTO: DPA Premier Boris Johnson am Samstag nach seiner Corona-Impfung.

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