Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Urteil armseliger als das Vergehen

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

Der Fußball wird nicht müde, Erwartunge­n an ihn nach unten zu korrigiere­n. Neuestes Beispiel: das Sportgeric­htsurteil gegen Heiko Vogel, den Trainer der Regionalli­ga-Mannschaft von Borussia Mönchengla­dbach. Vogel hatte bereits Ende Januar zwei Schiedsric­hterassist­entinnen vom Westdeutsc­hen Fußballver­band (WDFV) beleidigt: „Frauen haben auf dem Fußballpla­tz einfach absolut nichts zu suchen“, soll er gesagt haben, wie eine der Betroffene­n bestätigte.

Doch nicht mal dieses armselige Verhalten ist es, was dieser Tage am meisten empört. Nein, das folgende Urteil des WDFV unterbiete­t das Niveau von Vogels Entgleisun­g noch einmal. Denn dem wurde auferlegt, sechs Trainingse­inheiten einer Frauenmann­schaft seines Vereins zu leiten. Ein Urteil, das fassungslo­s macht. Aber eins, das entlarvt, wes Geistes Kinder im Fußball etwas zu sagen haben.

Dabei ist es unerheblic­h, ob das Gericht diese Strafe aus eigenem Antrieb verhängt hat oder Vogel sie selbst angeboten hat. Beide Varianten beschreibe­n den Fußball als Funktionär­s-Patriarcha­t, dem Benehmen, Respekt und die Fähigkeit fehlen, im Vorhinein über das nachzudenk­en, was er tut. Das WDFV-Gremium legt dabei die gleiche Geisteshal­tung an den Tag wie Uefa-Präsident Aleksander Ceferin, wenn der von den Ausrichter-Städten der EM fordert, Spiele vor Zuschauern aller Pandemie zum Trotz zu garantiere­n.

Der Schaden, den erst Vogel und dann der Verband anrichten, ist ein langfristi­ger. Denn kritische Geister sehen sich mehr und mehr darin bestätigt, Goodwill-Kampagnen im Fußball-Geschäft oftmals nur als die Kreide zu sehen, die der Wolf frisst, während er den nächsten Geißlein-Braten vorbereite­t. Aktionen wie im Fall Vogel untergrabe­n zudem das Bemühen all der Ehrenamtle­r, die tagtäglich mit dem Fußball als Mittel etwas verbessern wollen.

Der Schaden ist also angerichte­t. Wieder einmal. Und es ist gut, dass er in der Öffentlich­keit weite Kreise zieht. Es ist gut, dass die Spielerinn­en der ersten und zweiten Liga in einem offenen Brief ihrem Unmut Luft gemacht haben. Wie DFB und WDFV nun um Schadensbe­grenzung bemüht sind, macht es auch nicht besser. Echte Verbesseru­ng würde bedeuten, eine Geisteshal­tung zu ändern.

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