Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Der Komponist Anton Rubinstein
Klassik Ein Mann hat eine Mission. An sieben Konzertabenden in Folge reist er durch die Geschichte der Klaviermusik. Weil er alles liebt, was er spielt, kann er sich nicht trennen. An einem Abend beispielsweise spielt er acht Beethoven-Sonaten am Stück, darunter die „Appassionata“und die Sonate op. 111. An einem anderen setzt er Schumanns C-Dur-Fantasie, die „Kreisleriana“, die „Symphonischen Etüden“, den „Carnaval“und die Fantasiestücke op. 12 an. Jedes dieser Konzerte muss mindestens vier oder fünf Stunden gedauert hat, der Mann muss eine extreme, ja absurde Kondition gehabt haben.
Die Rede ist von dem russischen Komponisten, Pianisten und Dirigenten Anton Rubinstein (1829 bis 1894). Er wird gern mit dem polnischen Pianisten Artur Rubinstein (1887 bis 1982) verwechselt, beide allerdings waren in ihren Jahrhunderten singuläre Gestalten. Mit neun Jahren gab Anton sein erstes Konzert, wenig später wurde er in Paris dem großen Franz Liszt vorgestellt, der fortan zum Förderer des jungen Kollegen wurde. Auch Felix Mendelssohn hatte Gefallen an dem schneidigen Russen, der Ludwig van Beethoven in
Gestalt und Frisur so auffallend ähnelte, dass er daheim stets „Van II“genannt wurde. Rubinstein schrieb im Stil einer sozusagen klassizistischen Romantik Werke aus sämtlichen Gattungen, auch Opern und Chorkompositionen; der Löwenanteil entfällt natürlich aufs Klavier. Wer seine Leitfiguren waren, sieht man an den Tonarten seiner fünf Klavierkonzerte.
Das erste steht in e-Moll (wie bei Chopin), das fünfte in Es-Dur (wie bei Beethoven). Nun gibt es beim Label CPOeine ebenso virtuose wie hochmusikalische Neuaufnahme der Klavierkonzerte Nr. 2 (F-Dur) und 4 (d-Moll) mit der 1989 in Bochum geborenen Pianistin Schaghajegh Nosrati, deren Eltern aus dem Iran stammen. Das ist gefällige Musik, die man gern hört und die einem kein Kopfzerbrechen bereitet. Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter Robert Farkas begleitet federnd. Wolfram Goertz