Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Wenn Streithähne nach einer Lösung suchen
Die Corona-Pandemie hat sich auf die Streitlust der Menschen bislang nicht ausgewirkt, sagt Schiedsmann Manfred Seiferth.
RADEVORMWALD Immer wieder ist derzeit zu hören, dass in der Corona-Pandemie, die nun schon länger als ein Jahr dauert, die Nerven vieler Menschen blank liegen. Doch sind die Leute seit einigen Monaten wirklich aggressiver und streitlustiger geworden?
Einer, der es wissen muss, ist Manfred Seiferth. Seit zehn Jahren ist als Schiedsmann für den Bezirk Innenstadt tätig. Sein Fazit: „Dass die Menschen durch die Corona-Pandemie aggressiver geworden sind, kann ich nicht bestätigen.“
„Dass die Menschen durch die Corona-Pandemie aggressiver geworden sind, kann ich nicht bestätigen“Manfred Seiferth Schiedsmann
Doch mit welchen Streitigkeiten kommen die Menschen zum Schiedsmann oder der Schiedsfrau? Laut Seiferth, der seit zehn Jahren Streit schlichtet, hat sich da wenig geändert: „Es sind in der Regel Konflikte in der Nachbarschaft. Es geht um den Ast, der über den Gartenzaun wächst oder verwehtes Laub.“Oft bauten sich solche Streitigkeiten nach und nach auf, bis sie dann eskalierten.
Manfed Seiferth ist 77 Jahre alt. Seinen Altersgenossen stellt er, was Streitkultur angeht, nicht unbedingt ein gutes Zeugnis aus. „Meine Erfahrung zeigt: Je älter die Leute sind, desto heftiger wird gestritten. Man staunt manchmal, wie hasserfüllt es da zugeht.“
Sind es vor allem Männer, bei denen die Hutschnur platzt? Das könne man so pauschal nicht sagen, meint Seiferth. „Es kommt auch vor, dass die Ehefrau den Mann vorschickt, nach dem Motto: Nun unternimm’ endlich mal was!“Deshalb lade er, wenn möglich, im Fall zerstrittener Familien beide Ehepartner ein, um das volle Bild zu erhalten. Manche Bürger sind auch häufiger im Schiedsamt „zu Gast“.
Es gibt Rechtsstreitigkeiten, bei denen ein Gang zu Schlichtungsstelle vorgeschrieben ist. Dazu gehören unter anderem vermögensrechtliche Streitigkeiten mit einem Streitwert bis 600 Euro, Streit wegen Belästigung durch Gerüche, Staub und Lärm (falls sie nicht von einem gewerblichen Betrieb ausgehen), Streit „wegen der Einwirkung von Pflanzen, Wurzeln und Früchten“oder Verletzungen der persönlichen Ehre. Es ist aber auch möglich, die Schiedspersonen bei Hausfriedensbruch, Beleidigung, Verletzung des Briefgeheimnisses, Körperverletzung, Bedrohung oder Sachbeschädigung einzuschalten. Das hat eine Reihe von Vorteilen: Man hat keine langen Wartezeiten, keinen Papieraufwand und überschaubare Kosten, die in der Regel nicht mehr als 30 Euro betragen. Sollten sich die Streitparteien nicht einigen, stellt der Schiedsmann bzw. die Schiedsfrau eine „Sühnebescheinigung“aus. Mit dieser kann man dann vor Gericht gehen.
Um sechs bis sieben Fälle im Jahr kümmert sich Manfred Seiferth als Schiedsmann. Die Erfolgsquote bei den Schlichtungen liege bei etwa 70 Prozent. Was ist seiner Meinung nach das beste Verfahren, um Streithähne wieder friedfertig zu stimmen. „Ich pflege immer zu sagen, dass die Menschen sich – um es mal ganz derb auszudrücken – ,auskotzen’ müssen.“Denn die Konflikte haben oft eine längere Vorgeschichte. „Dann heißt es etwa: Dies und das habe ich schon schlucken müssen und nichts gesagt.“Wenn dann alles auf dem Tisch liegt, sind die Chancen der gegenseitigen Vergebung größer. Und wenn das klappt, fällt den Menschen eine Last von der Seele.
Die Corona-Pandemie mit ihren Kontaktbeschränkungen habe auf die Tätigkeit des Schiedsamtes bislang keinen besonderen Einfluss gehabt. „Fast alle Fälle in dieser Zeit konnten am Gartenzaun geklärt werden“, sagt Seiferth. Es stehe für Schiedsgespräche mit mehreren Personen im Rathaus, wenn nötig, auch ein größerer Raum zur Verfügung.
Die Ausbildung zur Schiedsperson erfolgt über Seminare. Die Anmeldung erfolgt über die jeweilige Kommune, die auch die Kosten trägt. Mehr Informationen für Interessierte gibt es unter www.schiedsamt.de.