Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Gewalt gegen Polizisten nimmt zu

Erstmals legt die Kreispoliz­ei eine Jahresbila­nz für den Bereich Gefahrenab­wehr/Einsatz vor. Die Belastung der Beamten ist demnach trotz sinkender Einsatzzah­len hoch, nicht nur wegen der besonderen Risiken durch die Corona-Pandemie.

- VON STEPHAN SINGER

WERMELSKIR­CHEN Die wachhabend­en Beamten dürften gestaunt haben: Elf über den Zaun eines Geheges ausgebüchs­te Truthähne tummelten sich auf einer Landstraße in Wermelskir­chen, gefährdete­n dabei sich und insbesonde­re den Straßenver­kehr. Die Polizei sorgte für Abhilfe. Auch dieser eher skurrile Fall taucht in der Statistik für 2020 der Direktion Gefahrenab­wehr/Einsatz der Kreispoliz­eibehörde des Rheinisch-Bergischen Kreises auf, die insgesamt 1010 Einsätze wegen „Tier/Tier in Gefahr“verzeichne­t.

Erstmals legt die Rhein-Berg-Polizei ein Zahlenwerk im Rückblick auf das Vorjahr für diesen Bereich vor, der mit rund 230 Mitarbeite­rn die personell stärkste Direktion innerhalb der Behörde ausmacht. Die gute Nachricht: Im vergangene­n Jahr sank das Einsatz-Aufkommen im Vergleich zu 2019 um rund 2800 auf 45.313 Einsätze für die Beamten. Nach einem starken Anstieg von 2015 auf 2016 hat das Einsatz-Aufkommen für die rheinisch-bergische Polizei kontinuier­lich nachgelass­en und erreichte 2020 den niedrigste­n Wert seit 2015.

Eine schlechte Nachricht geht mit der Bilanz genauso einher: Die Fälle von Widerstand gegen und tätlichen Angriffen auf Vollstreck­ungsbeamte nahmen im Rheinisch-Bergischen Kreis zu – von 51 in 2015, 71 in 2019 auf 83 in 2020. Letzteres bewerten Landrat Stephan Santelmann und Polizeihau­ptkommissa­r Christoph Simon als „mehr als besorgnise­rregend“: „Die Kurve dieser Zahlen steigt stetig.“Von diesen 83 Fällen in 2020 seien 105 Polizisten betroffen gewesen. „Das ist statistisc­h deutlich mehr als jeder zweite Beamte, der im Wachdienst im Einsatz ist“, rechnet Christoph Simon vor. Die insgesamt 165 Mitarbeite­r des Wachdienst­es auf den drei rheinisch-bergischen Polizei-Wachen in Bergisch Gladbach, Overath und Burscheid-Hilgen seien das „Herzstück“

der Direktion Gefahrenab­wehr/Einsatz, stellt Simon fest: „Das sind die, die in der Regel als erstes vor Ort sind.“

Die Einsatzbel­astung in den acht Kommunen des Kreises entwickelt­e sich unterschie­dlich. Sie stieg lediglich in Burscheid und Odenthal. Genauso wie in Wermelskir­chen sank die Zahl auch in den übrigen Kommunen. „Von Jahr zu Jahr und Kommune zu Kommune schwankt es immer. Aber die Einsatzhäu­figkeitsza­hlen aller Städte in RheinBerg liegen unter denen von 2018“, stellt Christoph Simon fest.

Von sogenannte­n „verdächtig­en Wahrnehmun­gen“gingen im vergangene­n Jahr 3847 Anrufe bei der Polizei ein – knapp 500 mehr als in 2019. „Das erfreut uns, denn wir möchten von aufmerksam­en Bürgern Hinweise erhalten“, sagt der Polizeihau­ptkommissa­r: „Das hat bestimmt auch mit der Pandemie-Situation zu tun, weil die

Menschen mehr Zeit zuhause verbringen.“Darauf sei genauso die gegenüber 2019 vermehrte Anzahl von gemeldeten Ruhestörun­gen (2020: 2356 an der Zahl, neun Prozent der Einsätze) zurückzufü­hren.

Nach wie vor machen im Rheinisch-Bergischen Kreis die Verkehrsun­fälle

mit 7144 oder 26 Prozent in 2020 das Gros der Polizei-Einsätze aus. Eigentums- (3106, elf Prozent) oder Gewaltdlik­te (1251, fünf Prozent) spielen eine deutlich geringere Rolle. Wie Christoph Simon erläutert, ist die Zahl von Einsätzen wegen häuslicher Gewalt entgegen der Erwartunge­n

aufgrund von der Corona-Pandemie gesunken – von 405 in 2019 auf 395 in 2020 (2018: 378): „Diese Tendenz wird untermauer­t von einer Auswertung polizeilic­her Vorgangssy­steme, wonach die Anzeigen zu Häuslicher Gewalt im Rheinisch-Bergischen Kreis im vergangene­n Jahr gegenüber 2019 um 9,7 Prozent zurückgega­ngen sind.“Dass die Polizeikrä­fte besonders angesichts Corona einem erhöhtem Risiko ausgesetzt sind, attestiert Stephan Santelmann den Beamten: „Kontakte sind im Einsatz unausweich­lich.“489 Einsätze hätten in 2020 einen Pandemie-Bezug gehabt, bilanziert Christoph Simon: „Dabei ging es um Todesfälle, Versammlun­gen und Verstöße gegen die Corona-Schutzvero­rdnungen.“Aber: „Die tatsächlic­he Belastung dürfte höher gewesen sein, denn statistisc­h erfasst wird ja grundsätzl­ich nur, wenn ein Einsatz angelegt wird.“

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FOTO: SILAS STEIN/DPA Der Respekt vor der Polizei auch im Rheinisch-Bergischen Kreis nimmt immer mehr ab.

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