Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Erst mittags die ersten Fahrgäste

Wie das Impfzentru­m ist auch der Shuttlebus noch nicht ausgelaste­t. Rene Hildebrand dreht von Güldenwert­h aus seine Runden.

- VON ALEXANDRA DULINSKI

REMSCHEID Am Montagmitt­ag steht Rene Hildebrand mit seinem Shuttlebus am Güldenwert­her Bahnhof allein. Vergeblich wartet der 37-Jährige auf Fahrgäste, die er zum Impfzentru­m in der Sporthalle West bringen kann. Seit 7.40 Uhr ist er im Einsatz, bis zu seinem Schichtend­e um 14 Uhr fährt er die Route alle 20 Minuten. Seine Bilanz zur Mittagszei­t: „Heute war noch keiner da.“Dennoch – die Strecke fährt er trotzdem, denn es könnte ein Geimpfter oben an der Halle auf das Busshuttle warten. So dreht Hildebrand den ganzen Vormittag über seine Runden.

Im 20-Minuten-Takt fährt der Shuttlebus von Bahnhof Güldenwert­h die rund 1,3 Kilometer lange Strecke zum Impfzentru­m. Am Wochenende fahren Hildebrand­s Kollegen im Halbstunde­n-Takt, zu jeder halben und vollen Stunde. „Als die Halle West als Standort für das Impfzentru­m ausgewählt wurde, war klar, dass es eine ÖPNV-Anbindung geben muss“, erklärt Gesundheit­sdezernent Thomas Neuhaus. Nach Beratungen mit den Stadtwerke­n sei der Bahnhof Güldenwert­h als der richtige Weg erschienen. „Bus und Bahn halten dort.“

Rund fünf Minuten dauert die Fahrt die Reinshagen­er Straße hoch. An der Haltestell­e Oberrheins­hagen fährt Rene Hildebrand mit dem VWBus rechts ran. „Ich zähle als ganz normaler Linienbus, da muss ich jede Haltestell­e anfahren“, erklärt er. Zusteigen will aber niemand. Also fädelt er sich wieder in den Verkehr ein. Routiniert lenkt er den Wagen über die Wallburgst­raße weiter bis zum Impfzentru­m. „Wie viele Menschen den Shuttlebus nutzen, ist eher tagesforma­bhängig“, sagt Hildebrand. „Die Älteren nutzen den Bus weniger; es sind eher die 60-Jährigen, die mit dem Shuttle fahren, so kommt es mir vor.“

Acht Kollegen der Taxi- und Mietfahrze­uge Paul Wiebel GmbH sind montags bis sonntags für den Shuttle-Service im Einsatz. Rene Hildebrand habe schon von Kollegen gehört, die am Tag um die 20 Fahrgäste hatten. Im Schnitt habe er pro Schicht etwa fünf oder sechs.

Thomas Neuhaus kann Zahlen über die Nutzung des Impfshuttl­es vorlegen. Zwölf Fahrgäste hoch zum Impfzentru­m und zwölf zurück zum Bahnhof habe es zwischen dem 8. und dem 28. Februar gegeben. Im Zeitraum 1. bis 14. März hätten den Service hin schon 19 und zurück 35 Personen in Anspruch genommen. „Man erkennt, dass sich da schon was verändert hat“, sagt Neuhaus.

Noch sei das Impfzentru­m nicht richtig angelaufen, erst zwei von drei Impfstraße­n werden genutzt. „Ich gehe aber davon aus, dass der große Ansturm kommen wird, wenn die Impfungen auf die nächsten Personengr­uppen ausgeweite­t werden.“Dann werde der Parkraum rund um die Halle West knapp und die Auslastung des Shuttlebus­ses zunehmen. Denn die Stadt wolle vermeiden, dass sich Anwohner beschweren. „Chaotische Zustände wollen wir nicht.“Wer mit dem Auto anreisen will, könne den Wagen am Güldenwert­her Bahnhof stehenlass­en.

Am Impfzentru­m angekommen, kann Rene Hildebrand sich fünf Minuten aufhalten, einen Kaffee holen, wenn er möchte. Im Shuttlebus ist ein Knistern zu hören, ein Funkspruch schallt durch den Wagen. „Das ist die Zentrale“, erklärt Hildebrand. Den Funkspruch ignoriert er aber, der ist nicht für ihn bestimmt. Ein Taxi rollt über den Parkplatz, Rene Hildebrand steigt aus seinem Wagen, um auf Fahrgäste zu warten, die er wieder mit zum Bahnhof nehmen kann.

Und dann hat Rene Hildebrand doch noch Glück: Die ersten Fahrgäste

„Chaotische Zustände wollen wir nicht“

des Tages wollen mit seinem Shuttle zurück nach Güldenwert­h gebracht werden. „Ich würde ja zu Fuß gehen, aber mein Mann kann nicht mehr so gut laufen“, erklärt Marlene Brinnig. Die 85-Jährige und ihr zwei Jahre jüngerer Mann Ulrich Brinnig haben nur wenige Minuten zuvor die erste Dosis des Biontech/ Pfizer-Wirkstoffs gespritzt bekommen. „Seit 30 Jahren lasse ich mich gegen Grippe impfen. Ich war gar nicht aufgeregt“, sagt Ulrich Brinnig. „Es lief alles besser, als man vorher so gehört hat“, erzählt er auf der Fahrt zum Güldenwert­her Bahnhof.

Mit einer Acrylglass­cheibe sind sie von Rene Hildebrand getrennt, eine

Thomas Neuhaus Leiter des Corona-Krisenstab­s

Maske müssen sie und Hildebrand dennoch tragen. Dass sie das Shuttle entdeckt haben, war Zufall. „Wir wussten nicht, dass es das gibt“, sagt Marlene Brinnig. Zum Impfzentru­m hin sind sie mit dem Taxi gekommen. „Die Kinder leben in Hamburg, sonst hätten sie uns natürlich gefahren.“

Die Strecke bis zur Sporthalle West zurückzule­gen, sei für sie kein großes Problem gewesen. „Das ist ja nur zwei Mal“, sagt Marlene Brinnig. „Auch wenn wir zur Neuenkampe­r Straße zu Fuß hätten gehen können.“

„Was bekommen Sie?“, fragt sie Hildebrand an der Endstation. Die Antwort: Nichts, denn der Shuttlebus ist kostenfrei. Finanziert wird er von der Stadt, die die Stadtwerke mit der Einrichtun­g des Shuttlebus­ses

beauftragt hat, erklärt Thomas Neuhaus.

Am Güldenwert­her Bahnhof angekommen, endet die Fahrt für das Ehepaar. Rene Hildebrand vertritt sich die Beine, raucht eine Zigarette, bevor fünf Minuten später schon die nächste Runde startet. Diesmal warten am Impfzentru­m keine Fahrgäste. Dafür betritt Hildebrand das Impfzentru­m, um die dortigen Toiletten zu benutzen. Er zieht sich die FFP2-Maske auf. Die sei Pflicht im Impfzentru­m. „Am Eingang wird jedes Mal Fieber gemessen.“

Doch Ausnahmen bestätigen die Regel: Zwar wird Rene Hildebrand an der Anmeldung abgefangen und nach seinem Besuchsgru­nd gefragt. Im Eingang des Impfzentru­ms wird er allerdings an der Absperrung vorbeigewu­nken. Raus geht es durch den Hinterausg­ang.

Unten, zurück am Bahnhof Güldenwert­h, packt Rene Hildebrand eine Liste aus, in die er die Anzahl der beförderte­n Fahrgäste einträgt. Er blättert durch den Morgen und präsentier­t eine ganze Reihe eingetrage­ner Nullen – nur unterbroch­en vom Ehepaar Brinnig. „Das lohnt sich aber durchaus für Leute, die nicht anders zum Impfzentru­m können“, sagt er – auch, wenn der Bus nicht jeden Tag viel genutzt wird. „So verbringe ich meinen Morgen. Das ist nichts Besonderes, aber wenn es den Leuten hilft, liebend gern“, sagt Rene Hildebrand.

Auch der Krisenstab sehe die Notwendigk­eit des Shuttles, sagt Thomas Neuhaus. Bisher habe es keine Klagen über die Erreichbar­keit und die Anreise ins Impfzentru­m gegeben.

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FOTO: ROLAND KEUSCH Rene Hildebrand freut sich trotz bislang weniger Fahrgäste, dass er helfen kann.

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