Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Erst mittags die ersten Fahrgäste
Wie das Impfzentrum ist auch der Shuttlebus noch nicht ausgelastet. Rene Hildebrand dreht von Güldenwerth aus seine Runden.
REMSCHEID Am Montagmittag steht Rene Hildebrand mit seinem Shuttlebus am Güldenwerther Bahnhof allein. Vergeblich wartet der 37-Jährige auf Fahrgäste, die er zum Impfzentrum in der Sporthalle West bringen kann. Seit 7.40 Uhr ist er im Einsatz, bis zu seinem Schichtende um 14 Uhr fährt er die Route alle 20 Minuten. Seine Bilanz zur Mittagszeit: „Heute war noch keiner da.“Dennoch – die Strecke fährt er trotzdem, denn es könnte ein Geimpfter oben an der Halle auf das Busshuttle warten. So dreht Hildebrand den ganzen Vormittag über seine Runden.
Im 20-Minuten-Takt fährt der Shuttlebus von Bahnhof Güldenwerth die rund 1,3 Kilometer lange Strecke zum Impfzentrum. Am Wochenende fahren Hildebrands Kollegen im Halbstunden-Takt, zu jeder halben und vollen Stunde. „Als die Halle West als Standort für das Impfzentrum ausgewählt wurde, war klar, dass es eine ÖPNV-Anbindung geben muss“, erklärt Gesundheitsdezernent Thomas Neuhaus. Nach Beratungen mit den Stadtwerken sei der Bahnhof Güldenwerth als der richtige Weg erschienen. „Bus und Bahn halten dort.“
Rund fünf Minuten dauert die Fahrt die Reinshagener Straße hoch. An der Haltestelle Oberrheinshagen fährt Rene Hildebrand mit dem VWBus rechts ran. „Ich zähle als ganz normaler Linienbus, da muss ich jede Haltestelle anfahren“, erklärt er. Zusteigen will aber niemand. Also fädelt er sich wieder in den Verkehr ein. Routiniert lenkt er den Wagen über die Wallburgstraße weiter bis zum Impfzentrum. „Wie viele Menschen den Shuttlebus nutzen, ist eher tagesformabhängig“, sagt Hildebrand. „Die Älteren nutzen den Bus weniger; es sind eher die 60-Jährigen, die mit dem Shuttle fahren, so kommt es mir vor.“
Acht Kollegen der Taxi- und Mietfahrzeuge Paul Wiebel GmbH sind montags bis sonntags für den Shuttle-Service im Einsatz. Rene Hildebrand habe schon von Kollegen gehört, die am Tag um die 20 Fahrgäste hatten. Im Schnitt habe er pro Schicht etwa fünf oder sechs.
Thomas Neuhaus kann Zahlen über die Nutzung des Impfshuttles vorlegen. Zwölf Fahrgäste hoch zum Impfzentrum und zwölf zurück zum Bahnhof habe es zwischen dem 8. und dem 28. Februar gegeben. Im Zeitraum 1. bis 14. März hätten den Service hin schon 19 und zurück 35 Personen in Anspruch genommen. „Man erkennt, dass sich da schon was verändert hat“, sagt Neuhaus.
Noch sei das Impfzentrum nicht richtig angelaufen, erst zwei von drei Impfstraßen werden genutzt. „Ich gehe aber davon aus, dass der große Ansturm kommen wird, wenn die Impfungen auf die nächsten Personengruppen ausgeweitet werden.“Dann werde der Parkraum rund um die Halle West knapp und die Auslastung des Shuttlebusses zunehmen. Denn die Stadt wolle vermeiden, dass sich Anwohner beschweren. „Chaotische Zustände wollen wir nicht.“Wer mit dem Auto anreisen will, könne den Wagen am Güldenwerther Bahnhof stehenlassen.
Am Impfzentrum angekommen, kann Rene Hildebrand sich fünf Minuten aufhalten, einen Kaffee holen, wenn er möchte. Im Shuttlebus ist ein Knistern zu hören, ein Funkspruch schallt durch den Wagen. „Das ist die Zentrale“, erklärt Hildebrand. Den Funkspruch ignoriert er aber, der ist nicht für ihn bestimmt. Ein Taxi rollt über den Parkplatz, Rene Hildebrand steigt aus seinem Wagen, um auf Fahrgäste zu warten, die er wieder mit zum Bahnhof nehmen kann.
Und dann hat Rene Hildebrand doch noch Glück: Die ersten Fahrgäste
„Chaotische Zustände wollen wir nicht“
des Tages wollen mit seinem Shuttle zurück nach Güldenwerth gebracht werden. „Ich würde ja zu Fuß gehen, aber mein Mann kann nicht mehr so gut laufen“, erklärt Marlene Brinnig. Die 85-Jährige und ihr zwei Jahre jüngerer Mann Ulrich Brinnig haben nur wenige Minuten zuvor die erste Dosis des Biontech/ Pfizer-Wirkstoffs gespritzt bekommen. „Seit 30 Jahren lasse ich mich gegen Grippe impfen. Ich war gar nicht aufgeregt“, sagt Ulrich Brinnig. „Es lief alles besser, als man vorher so gehört hat“, erzählt er auf der Fahrt zum Güldenwerther Bahnhof.
Mit einer Acrylglasscheibe sind sie von Rene Hildebrand getrennt, eine
Thomas Neuhaus Leiter des Corona-Krisenstabs
Maske müssen sie und Hildebrand dennoch tragen. Dass sie das Shuttle entdeckt haben, war Zufall. „Wir wussten nicht, dass es das gibt“, sagt Marlene Brinnig. Zum Impfzentrum hin sind sie mit dem Taxi gekommen. „Die Kinder leben in Hamburg, sonst hätten sie uns natürlich gefahren.“
Die Strecke bis zur Sporthalle West zurückzulegen, sei für sie kein großes Problem gewesen. „Das ist ja nur zwei Mal“, sagt Marlene Brinnig. „Auch wenn wir zur Neuenkamper Straße zu Fuß hätten gehen können.“
„Was bekommen Sie?“, fragt sie Hildebrand an der Endstation. Die Antwort: Nichts, denn der Shuttlebus ist kostenfrei. Finanziert wird er von der Stadt, die die Stadtwerke mit der Einrichtung des Shuttlebusses
beauftragt hat, erklärt Thomas Neuhaus.
Am Güldenwerther Bahnhof angekommen, endet die Fahrt für das Ehepaar. Rene Hildebrand vertritt sich die Beine, raucht eine Zigarette, bevor fünf Minuten später schon die nächste Runde startet. Diesmal warten am Impfzentrum keine Fahrgäste. Dafür betritt Hildebrand das Impfzentrum, um die dortigen Toiletten zu benutzen. Er zieht sich die FFP2-Maske auf. Die sei Pflicht im Impfzentrum. „Am Eingang wird jedes Mal Fieber gemessen.“
Doch Ausnahmen bestätigen die Regel: Zwar wird Rene Hildebrand an der Anmeldung abgefangen und nach seinem Besuchsgrund gefragt. Im Eingang des Impfzentrums wird er allerdings an der Absperrung vorbeigewunken. Raus geht es durch den Hinterausgang.
Unten, zurück am Bahnhof Güldenwerth, packt Rene Hildebrand eine Liste aus, in die er die Anzahl der beförderten Fahrgäste einträgt. Er blättert durch den Morgen und präsentiert eine ganze Reihe eingetragener Nullen – nur unterbrochen vom Ehepaar Brinnig. „Das lohnt sich aber durchaus für Leute, die nicht anders zum Impfzentrum können“, sagt er – auch, wenn der Bus nicht jeden Tag viel genutzt wird. „So verbringe ich meinen Morgen. Das ist nichts Besonderes, aber wenn es den Leuten hilft, liebend gern“, sagt Rene Hildebrand.
Auch der Krisenstab sehe die Notwendigkeit des Shuttles, sagt Thomas Neuhaus. Bisher habe es keine Klagen über die Erreichbarkeit und die Anreise ins Impfzentrum gegeben.